Er ist 78 Jahre alt und noch immer nicht müde: Buddy Guy spielt die Gitarre so, als hinge es allein von ihm ab, dass der Blues weiter am Leben bleibt. Für sein neuestes Studioalbum hat er sich unter anderem Van Morrison, Billy Gibbons und Jessy Stone ins Studio geholt. Und er zollt nicht nur dem vertorbenen BB King Respekt sondern fordert auch: Come Back Muddy!
Album des Monats August 2015 in der Wasser-Prawda
Immer mal wieder hat Buddy Guy in den letzten Jahren biografische Songs auf seine Alben gepackt. Man erinnere sich etwa an „74 Years Young“ auf „Living Proof“ oder der eindrücklichen Akustiknummer „Done Gone Old“ auf „Sweet Tea“. Ja, eigentlich sind viele seiner Alben auf die eine oder andere Weise eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und seiner Rolle im Blues damals und heute. So verwundert es nicht, dass der Titelsong seines neuesten Albums einerseits biografisch, andererseits auch gleichzeitig so klassisch ist, wie man es nach „Rhythm & Blues“ nicht unbedingt erwartet hätte: „Born To Play Guitar“ ist Chicagoblues, wie er auch schon in den späten 50ern gespielt wurde: Mit Gitarre, Klavier und allem was dazu gehört. Und dabei so spannend, wie es sein muss bei gutem Blues.
Für mich sind es vor allem die persönlichen Lieder, die dieses Album aus der Flut der Veröffentlichungen herausheben: Ob er darüber klagt, dass er heute so ziemlich der letzte Flaggenträger der großen Zeit des Nachkriegsblues ist und sich daher die alten Zeiten mit Muddy Waters und all den anderen zurückwünscht oder gemeinsam mit Van Morrison mit „Flesh & Bone“ B.B. King ein Denkmal setzt: Das ist brillant, ohne aufgesetzt zu sein – denn es ist gleichzeitig so schmerzlich persönlich, dass es dem Hörer, die Tränen in die Augen treibt. Klar sind auch rockende Nummern wie das mit Billy Gibbons von ZZ Top gespielte „Wear You Out“ oder das mit funkigen Streichern versehene „You Got What It Takes“ (im Duett mit Joss Stone) tolle Nummern. Spannender für mich sind allerdings neben den vorher aufgezählten Stücken Songs wie das atmosphärische „Crazy World“ oder „Crying Out One Eye“ die Hörempfehlungen.
Musikalisch gibt uns Buddy Guy wieder die ganze Bandbreite vom Chicagoblues bis zum Soulblues und Bluesrock, je nachdem, was dem Song dient (und wo sich auch die Gäste am ehesten wohlfühlen). Und entsprechend gibt es dann zur „normalen“ Bandbesetzung auch Bläser, Streicher (oder wo angebracht die tolle Harp von Kim Wilson).
„Born To Play Guitar“ – mal wieder ist es Buddy Guy, der fast alle jüngeren Künstler ziemlich alt aussehen lässt. Auf jeden Fall eines der besten Alben 2015. Und wesentlich stimmiger als „Rhythm & Blues“. (Silvertone/RCA/Sony)
„Come back Muddy“, dieser Hilferuf kommt vom letzten, schwarzen Blues-Dinosaurier unserer Zeit und dieser Dino ist nun auch schon 79Jahre alt. Buddy ist wohl schmerzlich bewusst geworden, dass er der letzte seiner Art ist. Beschwörend bittet er Muddy Waters um Rückkehr. Ein Titel, akustisch mit Piano eingespielt. Buddy berichtet von seiner Begegnung mit Muddy Waters, von der Guten Alten Zeit. Wenn er sing: „come back Muddy“ klingt das wie ein Flehen, weinerlich, sehr mitreissend. Ein Titel der an die Seele geht, wie das gesamte Album. An diesem Album können sich selbsternannte Bluesmusiker (ich nenne hier bewusst keine Namen) ein Beispiel nehmen → So wird Blues gespielt.
Wenn so eine Bluesgrösse ein Album macht, dann spielt er nicht einfach drauf los, nein er lädt andere Musiker ein. Was Buddy Guy und sein Produzent Tom Hambridge hier aufgefahren haben, lässt die Herzen von Bluesliebhabern höher schlagen. Billy Gibbons in „Wear You Out“, Kim Wilson in „Too Late“ und in „Kiss Me Quick“, Joss Stone in „(Baby) You Got What It Takes“ und Van Morrison in „Flesh & Bone (Dedicated to B.B. King)“ verpassen der Scheibe den richtigen Kick, nicht zu vergessen die hervorragenden Musiker der Band, welche leider nicht namentlich aufgeführt sind.
Da auch Buddy Guy zur Hochform an seiner Gitarre aufläuft, kommt für mich jetzt schon das Bluesalbum des Jahres 2015 heraus, denn wer soll dieses Album noch toppen? Das kann nur Buddy selbst.
Wenn einem so viel Gutes in die Ohren fährt, ist das schon einen Grammy wert.