Er hatte mit I Put A Spell On You einen Hit, der von zahllosen KĂŒnstlern bis heute gesungen wird. Er war der Erfinder des Schock-Rocks, sprang schon in den 50er Jahren immer aus einem Sarg auf die BĂŒhne. Und Screamin Jay Hawkins war wahrscheinlich einer der durchgeknalltesten Rhythm&Blues-SĂ€nger ĂŒberhaupt.
J. Hawkins kam kurz nach seiner Geburt am 18. Juli 1929 ins Waisenhaus von Cleveland und wurde von Schwarzfussindianern adoptiert. Mit 15 meldete er sich zur Armee, mit 18 zur Airforce, er spielte in einer MilitĂ€r-Band Saxofon und lernte Boxen. 1943 gewann er dabei sogar die âGolden Glovesâ. Doch es ist nicht wirklich angemessen, sich Screamin‘ Jay Hawkins auf diese nĂŒchterne Weise zu nĂ€hern Man muss es ja auch nicht so machen, wie das österreichische Online-Magazin Evolver, die in ihrem Trashmuseum einen Beitrag ĂŒber Hawkins so beginnen:
Habudududidauuuuarghhhhhhhahhhbrrrrrrrijahhhhhgrrr! Sie bezeichnen den Musiker als den nÀrrischsten Punk seit der Erfindung des Blues. Und vermuten, dass einem nach einer Analyse der seltsamen Urlaute von Hawkins in diversen Titeln kaum einen Nervenzusammenbruch vermeiden könne. Ich bleib dann doch lieber etwas lesbarer und beginne völlig unjournalistisch mit mir selbst:
Es war an einem trĂŒben Tag in Kiel Mitte der 90er. In irgendeiner Musikzeitschrift war kurz vorher eine Hitliste der 20 besten PlattenlĂ€den Deutschlands veröffentlicht worden. Ein Laden (irgendwo im Mittelfeld) war in Kiel, wo ich grad paar Tage Urlaub hatte. Also zog ich los, eigentlich um meinem Peniger PlattenhĂ€ndler zu beweisen, daĂ „Music from Big Pink“ von The Band durchaus kĂ€uflich erworben werden könnte. Naja, das Album gab’s tatsĂ€chlich, allerdings nur in der 24 Karat-Gold-Fassung. Das konnte ich mir auch damals nicht leisten. Aber der Laden hatte tatsĂ€chlich eine Ă€uĂerst gut sortierte Bluesabteilung. Und so fing ich mit Tom, meinem Freund, an zu stöbern. Irgendwann hatten wir einige Platten gefundem und begaben uns zum Testhören. Tom hatte eine Sache gefunden „Frenzy“ von Screamin‘ Jay Hawkins – der Name war mir vorher noch nie begegnet. Aber das Cover begeisterte mich sofort. Und auch der Text drauf. Und schlieĂlich die Musik – der HĂ€ndler schaute uns irgendwann nur noch entgeistert an, weil wir uns vor Begeisterung und Lachen kaum noch halten konnten. Der Aufruhr war ganz erheblich in dem doch recht ruhigen Laden… Im Laufe der Jahre gelang es mir, noch paar Leute entweder zur völligen Begeisterung oder zum blanken Entsetzen zu treiben mit diesem wohl verrĂŒcktesten aller Rock’n’Roller. Nicht nur âI Put A Spell on Youâ steht seither auf der nie geschriebenen Liste meiner Lieblingslieder, sondern auch solch grandiose Werke wie âConstipation Bluesâ (von der 1969 erschienenen LP âWhat That Is! â hat eigentlich noch jemand einen Blues ĂŒber Verstopfung geschrieben???) oder seine Fassung der Schnulze âI Love Parisâ.
Dabei hatte Hawkins eigentlich den Plan gehabt, OpernsĂ€nger zu werden. Sein groĂes Vorbild sei Paul Robeson gewesen, erzĂ€hlte er einmal in einem Interview. Die Möglichkeit zum Studium hĂ€tte er sogar noch gehabt. Doch weil er am und schwarz war, habe er schnell Geld verdienen mĂŒssen. Nach seiner Entlassung aus der Army stieg er 1952 bei den âRocky Highlandersâ des Gitarristen Tiny Grimes ein, danach trat er als Solist oder mit anderen Musikern wie Fats Domino auf. Und so startete er zunĂ€chst als Pianist, bevor er auch zu singen begann. 1950, so erzĂ€hlte er weiter, traf er in einem Konzert in Nitro, West Virginia, auf eine enorm fette Frau (âThe woman made the average elephant look like a pencil, that’s how fat she was!â), die ihn anfeuerte „Scream baby, scream, Jay!“. Damit hatte er seinen Namen gefunden.
1956 veröffentlichte er âI Put A Spell on Youâ, seinen gröĂten (manche sagen auch: seinen einzigen) Hit. Das Lied, das inzwischen knapp 30 mal gecovert wurde, sicherte bis zuletzt seinen Lebensunterhalt Zum PhĂ€nomen wurde aber nicht nur die unnachahmliche Art zu singen sondern auch durch seine wĂŒsten Voodoo-Shows. Schon vor Frank Zappa. Ozzy Osborne oder Alice Cooper verwandelte er mit SĂ€rgen, Totenköpfen, Schlangen, Flammen und Rauch seine Konzerte in Horrorshows. Immer mit dabei sein Kumpel Henry, ein TotenschĂ€del, den er mal von einer Voodoo-Hexe in New Orleans erhalten haben will. Und ihm voraus gingen die GerĂŒchte, er wĂŒrde notfalls auch mit seiner Schrotflinte auf Fans oder Passanten schieĂen. Der Schockrocker Marilyn Manson (der sich an einer zu Recht vergessenen Coverversion von „I Put A Spell On You“ versuchte) wirkt gegen Hawkins wie ein bleicher Waisenknabe Alle sonstigen Beziehungen auĂer zu Henry dauerten nur relativ kurze Zeit. Er war wohl mindestens neun Mal verheiratet und rĂŒhmte sich seiner 33 Kinder (andere Quellen reden von 75 oder gar von knapp 100 Kindern). Zuletzt hatte er 1998 eine 29jĂ€hrige Frau geheiratet, mit der er in Frankreich lebte. Dort startete er damals gerade ein Comeback auf Platte (âAt Lastâ) und auch auf der KonzertbĂŒhne. Doch alle wollten eigentlich immer nur den Schocker, und nicht den Musiker und SĂ€nger sehen. Und so nahm auch kaum jemand (auĂer Musikerkollegen) seine Platten wirklich ernst. Screamin‘ Jay Hawkins starb am 12. Februar 2000 bei Paris.