Die Wehmut blieb beim Rückblick von Tilo Braune außen vor. Zur Eröffnung der 30. Eldenaer Jazz-Evenings erinnerte er statt dessen an einige Höhepunkte der letzten Jahre.
Den Namen „Kloster-Jazz“ habe die Stadt nicht haben wollen. Zu sehr ärgerten sie sich 1980 darüber, dass wegen eines Kirchentages in Greifswald ein riesiges Banner in Gelb und Violett vom Dom hing mit einer kirchlichen Botschaft. Aber gegen ein jährliches Jazz-Festival, organisiert von der AG Jazz des FDJ-Studentenklubs „Kiste“ hatten sie nichts einzuwenden. Weil ja auch die Universität einen großen Teil der Gagen für die eingeladenen Künstler übernahm. Und auch das Lubminer Kernkraftwerk war ein zahlungskräftiger Sponsor. Und so machte der Mitarbeiter vom Kulturamt den Vorschlag, das Festival Eldenaer Jazz-Evenings zu nennen. Eine erstaunliche Wahl – ein Anglizismus in der DDR? Braune und seine Mitstreiter waren froh darüber. Und auch an die Auflage, die Gestaltung nicht in Gelb oder Violett zu machen, konnten sie sich ohne Probleme halten.
Braune erinnerte vro einer ausverkauften Klosterruine exemplarisch an die ersten Jazz-Evenings: Albert Mangelsdorff trat auf. Und Günter „Baby“ Sommer mit seiner Hörmusik. Damit waren die stilistischen Grundlinien für die Zeit bis zur Wende festgelegt: Free Jazz und allgemein improvisierte Musik sollten im Mittelpunkt stehen. Und damit rührten die Konzerte an einen Nerv, der in der DDR-Jugend vorhanden war: Free Jazz galt als subversiv, widmete sich dem Zerstören von Strukturen, um daraus neues zu schaffen. Und so trafen sich den ersten Juliwochenenden ab 1980 Fans und Musiker des Free Jazz in der Klosterruine. Und hier spielten die Grenzen der Blöcke keine Rolle. Auch wenn die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft irgendwann als Unterstützer ausstieg, als sie merkte, dass ihre Gelder zur Bezahlung westdeutscher Musiker eingesetzt wurden.
Als dann zum zehnjährigen Bestehen die Währungsunion anstand, begann für die Jazz-Evenings aber ein neuer Abschnitt. Nicht nur, dass ab jetzt die Gagen nicht mehr in Ostmark gezahlt werden konnten. Es ist schon reichlich amüsant, dass das Festival Schuld daran trug, dass die Währungsunion zumindest im „Utkiek“ am Hafen Wiek für vier Studen verschoben wurde. Denn sonst hätten die Musiker nicht mehr gemeinsam trinken können nach dem Konzert. „Letztes Bier für Ostmark“ habe dann kurz vor vier die Parole gelautet, so Braune.
Auch inhaltlich hat sich seither einiges geändert. Denn die Konzentration auf den Free Jazz und verwandte Stile ist gefallen. Seit her haben auch andere Musiker, die durchaus konventionellerer Klangästhetik verpflichtet sind, hier gespielt. Charlie Mariano etwa oder Abdullah Ibrhahim. Aber auch viele der in den letzten Jahren bekannt gewordenen skandinavischen Jazzsängerinnen waren zu Gast. Oder 2009 der Gitarrist Jean-Paul Bourelly. Nach 30 Jahren will der Trägerverein das Festival jetzt an die Stadt übergeben. Ob die es aber in der derzeitigen Form weiterführen kann und wird, ist noch unklar. Das Jubiläumsprogramm mit Weltstars wie Al De Meola und Klaus Doldingers Passport war vor allem durch die Unterstützung der Sparkasse Vorpommern ermöglicht worden.