In unserer Bildungsveranstaltungsreihe „DEFA-Filme zwischen Staatsauftrag und Kunst“ zeigen wir am 24. Juni (Mittwoch) um 19.30 Uhr in der WIRKSTATT (Greifswald, Gützkower Straße 83) den Film „Wozzeck“ nach Büchners Fragment. Er entstand 1947 unter der Regie von Georg C. Klaren. In der Titelrolle ist der österreichische Schauspieler und Regisseur Kurt Meisel (1912-1994) zu sehen. Die Rolle der Marie übernahm Helga Zülch und als Arzt wurde, der bereits aus vielen Unterhaltungsfilmen der 30er Jahre bekannte, Paul Henckels besetzt.

Inhalt:

Im Anatomiesaal einer Universität liegt der Körper des Füsiliers Wozzeck, den man gehängt hat. „Ein Mörder“, konstatiert der Doktor. „Ein Mensch“, sagt der Student Büchner, „den wir gemordet haben.“ Und er erzählt den Fall vom armen Wozzeck, der zu den Soldaten gezogen wurde und dort jede Demütigung erduldete um eines Zieles willen: Er spart jeden Groschen, um eines Tages ein bescheidenes Leben mit Marie führen zu können, die er liebt und mit der er ein Kind hat. Er erträgt die Schikanen des Hauptmanns und die skrupellosen Ernährungs-Experimente des Doktors, doch dass der stattliche Tambourmajor sich an Marie heranmacht, erträgt er nicht. So wird Wozzeck zum Mörder – an Marie, die ihm das Liebste im Leben war.

Zum Film:

Der damalige DEFA-Chefdramaturg Georg C. Klaren hatte seit den zwanziger Jahren eine Verfilmung des „Woyzeck“ geplant. Für die Realisierung vergewisserte er sich der Mitarbeit einiger Künstler, die an großen deutschen Stummfilmen maßgeblich beteiligt waren: Szenenbildner Hermann Warm (Das Cabinet des Dr. Caligari), Kostümbildner Walter Schulze-Mittendorf (Metropolis) und des Regisseurs und Schauspielers Paul Wegener (Der Golem), der beratend mitwirkte. Klaren ließ in einer Rahmenhandlung, die weitgehend aus originalen Büchner-Zitaten bestand, den Dichter selbst vor Studenten auftreten. Die Düsterheit des Films machte ihn nicht zu einem Publikumserfolg, aber wegen seines Symbolismus wurde er von Intellektuellen auch außerhalb Deutschlands sehr geschätzt.

Echo:

Wozzecks Quälgeister von damals leben noch heute. Nach dem Hitlerkrieg mögen sie sogar als „Mörder unter uns“ leben. Der gefühllos am „Objekt“ Wozzeck experimentierende Doktor, den Paul Henckels geradezu hassenswert darstellte, könnte er nicht an KZ-Häftlingen seine verbrecherischen „Forschungen“ verübt haben? Und die drei Musterexemplare altpreußisch-hitlerischer Militaristen: Hauptmann, Tambourmajor, Unteroffizier, die durch Arno Paulsen, Richard Häußler und R. Lieffertz-Vincenti differenzierteste Verkörperung erhielten, sind sie nicht in lebhaftester Erinnerung als Leuteschinder, die manchen Wozzeck in der Wehrmacht seelisch und körperlich auf dem Gewissen haben?
(Peter Kast, Vorwärts, 18.12.1947)

Das Fragment richtig ins Bild kommen zu lassen, ist jedenfalls ein großes Hindernis. Klaren macht sich mit viel Sorgfalt und keineswegs ohne Mut zu Experimenten daran; weite Strecken des Films sind (…) schräg photographiert, viele Bilder wie von außen durch eine beschlagene Fensterscheibe zu sehen, ein Spiel von eiligen Lichtreflexen ist oft auf dem Hintergrund beschäftigt. Es kommen originelle und durchaus erregende Bilder zustande, aber auch so unglückliche wie die merkwürdig platten Projektionen von Wozzecks Phantasiegebilden und -gestalten, die sein verwirrtes Hirn entsinnt.
(Walter Busse, Kurier, 19.12.1947)

Die Kamera zeigte die Welt aus der Sicht des Helden, als Spiegel seines Seelenzustandes. Sie dämonisierte den Tambourmajor in der Szene auf dem Exerzierplatz zu einem monströsen Unhold und drückte die Kreatur Wozzeck so nachdrücklich in den Schlamm, dass allein diese Einstellung die Lage Wozzecks endgültig in jener Gesellschaft sinnfällig macht.
(Christine Mückenberger, Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg, 1994)

Quelle: F.-B. Habel „Das große Lexikon des DEFA-Spielfilms“, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

Eintritt frei. Die Getränkeversorgung ist gewährleistet.