Ihr Lieben,

Gott hat eine Einsicht: Der Mensch ist böse. Da geht überhaupt nichts. Zwar mag es manchmal gute Ansätze geben. Doch insgesamt ist der Mensch ein hoffnungsloser Fall. Und daher: Die Sintflut. Die Geschichte von Noah und der Arche kennen die meisten Menschen. Und wenn nicht – der Begriff Sintflut als einer alles verschlingenden Flutwelle, wird immer dann verwendet, wenn die Flüsse über die Ufer treten – wie dieses Jahr in Pakistan. Oder vor wenigen Wochen im Süden bei Görlitz oder den polnischen Nachbarstädten.

 

Die Sintflut – der Mensch steht den Wassermassen hilflos gegenüber, die Häuser zum Einsturz bringen, die den fruchtbaren Boden mitreißen, in dem Mensch und Tier jämmerlich ertrinken. Doch die Fluten heute sind nicht die Sintflut. Denn damals wollte Gott einfach seine komplette Schöpfung vernichten und nur mit Noahs Familie und den geretteten Tieren einen Neuanfang machen.

Das Ende dieser Flutgeschichte – eine Geschichte, die ähnlich überall in der Welt, egal in welcher Religion oder Kultur irgendwo eine Rolle spielt – habe ich für heute als Predigttext genommen.

1. Mose 08, 18-22

8,18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,

8,19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.

8,20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem  reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.

8,21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das  Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.

8,22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

8 Und Gott sagte zu Noah und seinen Söhnen mit ihm:
9 Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen
10 und mit allem lebendigen Getier bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren des Feldes bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden.
11 Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch verderbt werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe.
12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig:
13 Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.
14 Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken.
15 Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.
16 Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist.
17 Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.

Noah und die Seinen sind noch einmal davon gekommen. Vor der großen Flut, vor dem alles Leben auf der Erde vernichtenden Ausbruch der chaotischen Wassermächte hatte Gott sie in der schützenden Arche Zuflucht finden lassen.

Die alte Geschichte, mit der Israel zurückschaut in unerdenkliche Vorzeiten, ist eine symbolische, eine bildliche Geschichte, eine Geschichte für die Deutung der Gegenwart. Sie ist gleichsam eine nach rückwärtsgewandte Prophetie auch für unsere Lebenszeit.

Das Leben hier in dieser Welt ist ein Geschenk sagt sie uns. Wir haben dieses Leben durch keine Leistung verdient. Ohne Gott gäbe es die Welt und uns nicht. Und dieses Geschenk, sagt Gott, das soll Bestand haben.

Ja, die Menschen sind schlecht. Sie schaffen es nicht, nach den Regeln Gottes zu leben. Egoismus, Neid, Missgunst, Gewalt – das lässt sich nicht einfach mit der Flut hinwegspülen. Auch wenn man manchmal einfach nur noch frustriert alles auslöschen will. Ja, Gott tut sogar leid, was er getan hat: Der Mensch ist nun einmal so, sieht er ein. Gott ändert sich – weil der Mensch sich nicht ändern kann. Eine erstaunliche Aussage. Gott ändert sich!

Gott erkennt: Der Mensch ändert sich nicht in seiner Freiheit zum Guten und zum Bösen, er ändert sich nicht darin, faktisch immer und immer wieder das Böse zu wollen und zu tun. Der Mensch hört nicht auf, das Gute zu wollen und dennoch das Böse zu vollbringen. Zu welchen Großtaten der Kultur der Mensch auch fähig ist, zu welchen wunderbaren und erhabenen Kunstwerken der Musik, der Dichtung, der Malerei, der bildenden Künste, zu welchen Leistungen der Wissenschaft und Technik der Mensch auch immer in der Lage ist, – er bleibt ebenso dazu fähig, die schrecklichsten und grausamsten Verbrechen zu begehen und sich schlimmer als das blutrünstigste Tier zu verhalten. Dies gilt, solange der Mensch Mensch ist, solange er Natur und Kultur in sich trägt, solange der Mensch ist, was und wie er ist. Er ändert sich nicht.

Und trotzdem schließt er einen Bund mit Noah und allen Menschen nach ihm: Auch die großen Fluten und Brände, von denen immer wieder berichtet wird, können diese Verheißung Gottes nicht aufheben. Auch sie können nicht durchstreichen, was Gott uns versprochen hat.

Jede Naturkatastrophe, jeder Krieg, jedes von der Sommerhitze entzündete und brennende Wohnhaus, jedes unvorhergesehene Unglück erinnern uns daran, wie wenig wir unser Leben selbst in der Hand haben und wie plötzlich wir preisgegeben sind der Verletzung und dem Tod. Und das ist das im ursprünglichen Sinn des Wortes Erschütternde dieser Tage, dass selbst in den reichen, modernen und mit High Tech ausgerüsteten Ländern der Erde wie Polen oder Tschechien, Russland oder Deutschland, Indien und Pakistan Menschen von einem Tag zum anderen preisgegeben sein können solchen Katastrophen.

Steht Gott eigentlich noch unverrückbar zu seinem allen Menschen gegebenen Versprechen: „Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht …- Ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch verderbt werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe"? Gilt das noch?

Können wir uns dann ohne Weiteres noch auf das Versprechen Gottes und auf seinen Regenbogen berufen? Wieso gilt das uns – und nicht für die Anderen? Wieso können wir davon ausgehen, dass derartige Katastrophen uns persönlich nicht erreichen? Sind wir besser und tüchtiger als die, denen das Wasser nun bis zum Halse steht oder die gar darin umkommen?

Nein, das sind wir nicht.

Wenn wir bislang in unserem eigenen Leben vor zupackenden Katastrophen bewahrt worden sind, dann ist es Gnade gewesen – präziser sage ich: Es war die reine Gnade Gottes; d.h. auf unserer Seite gibt es für diese Bewahrung keinen verdienstvollen Grund. Und wir haben auch keine zureichende Erklärung dafür, warum ausgerechnet wir so bewahrt worden sind: du und ich – und die anderen nicht.

Das wurde mir beim Lesen einer kleinen Meldung irgendwo am Seitenende einer Zeitung vor paar Wochen klar. Da war von Flutschäden in Sachsen die Rede. Und neben der Görlitzer Ecke war da plötzlich von einem Ort die Rede, der in der Berichterstattung nicht vorgekommen war. Im Nachbarort meiner Eltern im Vogtland war nur im letzten Moment der Bruch einer Talsperre ausgeblieben. Ich mochte mir nicht vorstellen, was dies für eine Katastrophe ausgelöst hätte in der dicht besiedelten Gegend.

Wenn wir verschont werden, wenn wir leben, dann ist das immer ein Geschenk, etwas für das wir immer wieder neu dankbar sein können und sollen. Und das ist etwas, was uns auch die Augen öffnen soll für die Probleme anderer, denen wir vielleicht helfen können.

Aber geht das eigentlich? Kann man sich der eigenen Bewahrung und des eigenen Wohlergehens freuen, dann etwas die Börse öffnen und daraus abgeben, um dann wieder zur Tagesordnung überzugehen? Kann man das, wenn man zugleich immer wieder sieht und hört, wie andere Menschen in Katastrophen und Verbrechen, in Unfällen und lebensbedrohlichen Widrigkeiten gefährdet und um ihr Leben gebracht werden? Geht das, sich der eigenen Rettung freuen und zugleich der Vernichtung des Lebens anderer ansichtig sein?

Die Bibel warnt uns. Sie sagt uns in einem Wort Jesu, dass genauso auch schon die Menschen in den Tagen Noahs vor der Sintflut gedacht haben: „Damals vor der großen Flut aßen sie und tranken und heirateten, und beachteten es nicht; sie begriffen nicht, was ihnen drohte, bis dann die Flut hereinbrach und sie alle wegschwemmte" (Matthäus 24, 38f.). Mit diesem Wort erinnert Jesus daran, dass wir Menschen immer wieder von Gott gewarnt worden sind.

Ja, auch wir wurden immer wieder gewarnt vor der Veränderung des Klimas durch unseren Energieverbrauch. Politisch haben das zu wenige begriffen und die notwendigen rigorosen Veränderungen angepackt. Dass es die existentielle Krise der Klimaveränderung und des Umweltschutzes gibt, fällt den großen Matadoren des Populismus nur immer dann ein, wenn es gegenüber einer in dieser Sache dahin dämmernden Öffentlichkeit wohlfeil ist.

Ich glaube darum, wir müssen beides zusammenhalten: Den Blick in die Welt, hinüber zu unseren Mitmenschen in der Nähe und der Ferne, einen Blick, der nicht wegschaut, wenn woanders Elend und Katastrophen Menschen bedrohen und mitreißen und die Wahrnehmung des behüteten Lebens, den Dank für die Rettung, die Freude am wieder-gewonnenen Leben, die Zuversicht für heute und morgen, die Verantwortung für das Stück Welt, die jedem und jeder von uns von Gott anvertraut ist. Dafür ist die Geschichte vom Bundesschluss und vom Regenbogen eine Ermutigung, weil in ihr eine tiefe Menschen- und Gottesweisheit liegt; und die können wir nach dieser Woche um so besser verstehen:

Ja, wir denken im Licht der Sintflutgeschichte an den Regenbogen und hoffen, dass wir ihn in unserem Leben immer wieder sehen. Der Regenbogen – was für ein tiefsinniges und hoffnungsvolles Symbol ist er doch. Gewiss: wir können ihn durch Zerlegung in Spektralfarben und Reflexion der Sonnenstrahlen in den einzelnen Regentropfen wissenschaftlich erklären. Aber wäre es nicht eine geistige Verarmung, wenn wir über dieses Naturschauspiel nicht mehr staunen und uns an der Harmonie und Schönheit seiner Farben nicht mehr freuen könnten?

Die Bibel sagt: Gott selbst – der Schöpfer des Himmels und der Erde – hat ihm einen noch tieferen Sinn gegeben:
Er ist das Zeichen des Bundes zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen, zwischen Gott und den Menschen und auch den Tieren. Menschen und Tiere werden in unserem Bibeltext nicht von ungefähr zweimal in einem Atemzug genannt. Der Regenbogen – das ist die Brücke hinüber und herüber, Symbol des Bundes zwischen Himmel und Erde. Und der Inhalt dieses Bundes lautet: Ich, der lebendige und ewige Gott, will hinfort nicht mehr alles Leben auf der Erde verderben, sondern ich will, dass ihr Leben in Fülle habt und miteinander verbunden seid und euch des Lebens freuen könnt.