Dave Watkins, unser Mann im Vereinigten Königreich, stellte seine zehn Fragen diesmal an Richard Townend, der seit 2011 – ob als Solist oder mit seiner Band The Mighty Boss Cat großen Eindruck in der britischen Szene gemacht hat. Vier Alben von ihm – mit und ohne Band – sind allein 2011 erschienen. Jetzt arbeitet er an einem neuen, dass in einigen Monaten auf den Markt kommen soll. Auf dem will er sich – obwohl kein sehr religiöser Mensch – mit den sieben Todsünden auseinandersetzen.

Ein Interview von Dave Watkins.

1: Was war Dein frühester Musikgeschmack und wie hast Du die Welt des Blues entdeckt?

Mein Vater spielte klassisches Klavier, auch wenn er ein guter Musiker war, fehlte ihm aber das Quentchen Glück, um es darin weiter zu bringen. So hatte ich seit ich ganz jung war immer irgendwelche Musik in meinem Leben. Als ich ungefähr zehn war, kaufte man mir eine Gitarre und ich schrammelte ein paar Akkorde mit meinem Freund am Klavier und meinem Bruder am Schlagzeug. Ich hatte außerdem eine Vokalgruppe mit zehn Jahren, die sich Ricky and the Raindrops nannte mit vier Mädchen, die unser Lehrer aus dem Kirchenchor zusammengeholt hatte.
Später kaufte mein Bruder Alben von Queen, und so begann ich mit 15 richtig mit dem Gitarrenspiel. Damals entdeckte ich außerdem Jimmy Page und Jimi Hendrix zusätzlich zu Brian May – sicher bemerkst Du, wie sich der Musikgeschmack veränderte durch diese Gitarristen. Ich glaub, die waren die ersten, die mich auf die Bluesroad schickten. Stevie Ray, Johnny Winter, Clapton, Rea, … alle diese folgten ihnen nach und verwiesen mich auf die gleiche rocky road.

2: Wer waren die Künstler, die dich dazu brachten, dass Du diese Musik spielen wolltest. Und wann stelltest Du fest, dass Du dazu das Talent hast?

Jeder gute Gitarrist, der einen einzigartigen Sound hat, hat einen großen Einfluss auf mich. Leute wie Hank Marvin und Mark Knopfler beispielsweise. Aus Zeitmangel höre ich eigentlich nicht viel Musik, aber ich erinnere mich, dass die meisten Alben, wenn man sie mit dem Finger abbremste, um die Solos zu lernen, nur etwa eine Woche durchhielten!
Mit etwa 15 spielte ich bei einer Band vor, und die sagten, ich wäre absolut mies. Sofort ging ich in einen Gitarrenladen und kaufte „Teach yourself rock guitar“ von Pat Thrall. Ich dachte: Wenn du es liebst, dann solltest du es auch lernen. Ich hab mich da richtig reingesteigert und dieser Drang hat mich niemals verlassen.
Ich ging aufs Music College in Leeds, um Gitarre zu studieren und arbeitete nach meinem Umzug nach London als Session-Gitarrist. Schließlich war ich gehörig desillusioniert und tauschte diese Arbeit gegen einen 9-5-Job ein.

3: Deine ersten Aufnahmen – hörst Du sie immer noch an? Wie beurteilst Du sie heute? Und gibt es welche, die Du nicht mehr anhören würdest?

In den 80ern machte ich einige Aufnahmen – Popsongs eigentlich – danach hängte ich meine Gitarre an den Nagel und nahm bis zum Januar 2011 nichts mehr auf. Seither hab ich fünf Alben gemacht, alle mit eigener Musik. Ich würde die alten Songs eigentlich als gut bezeichen – vom Klang her sind sie wahrscheinlich schrecklich und sie sind keinesfalls irgendwie dem Blues verwandt. Ich würde sie wohl niemals wieder hervorholen, mir ist eher danach, sie zu beerdigen.

4: Welche anderen Jobs hast Du gemacht, um Deine Musikkarriere zu unterstützen?

Nun … geheimnisvoller Elchkopf-Trinker etwa, wo ich dafür bezahlt wurde, durch die Pubs zu ziehen, Bier zu bestellen und wenn die Leute hinter der Bar den korrekten Werbe-Slogan sagten, gab ich ihnen einen Preis … und bekam ein Freibier. Ich hielt ungefähr fünf Pubs durch, bis ich nicht mehr wirklich als Analytiker für die Marktforschung durchging, weil ich halt die fünf Pints intus hatte… Ich war Buchhalter, Gitarrist in einer Cover-Band, Eis-Verkäufer, Regalbeschicker in einem Supermarkt, IT-Berater, Daten-Architekt, leitender Verwaltungsangestellter, Fensterputzer, Fahrradkurier, …
Einmal arbeitete ich von Montag bis Freitag als Aushilfe in einem Büro, spielte Donnerstag, Freitag und Samstag in einer Coverband und machte Jobs für die Marktforschung am Samstag und Sonntag. Das hielt ich etwa einen Monat durch, aber ich bringe heute genau die gleiche Energie von damals in meine Musik ein. Ich versuche Dinge immer mit hundertporzentigem Einsatz zu machen.

5: Wie schwer ist es, von seiner Musik zu leben? Und gibt es irgend etwas, dass diese Ziel für alle Musiker einfacher erreichbar machen würde?

Von der Musik zu leben ist hart, aber wenn Du all die Shows, die Urlauber-Bespaßung, Kreuzfahrten, oder Unterrichtsstunden machen willst, dann hast Du die gleichen Chancen erfolgreich zu sein wie jeder andere Selbständige. Es braucht Entschlossenheit, Selbstvertrauen, Kompetenz und Networking. Geld zu verdienen als Künstler, der sein eigenes Material schreibt … Hier reden wir wirklich über harte Arbeit. Das etwas vollkommen anderes.
Was es für Künstler etwas vereinfachen würde, wäre ein Wiederaufleben der Live-Musik-Szene. Aber wie man das machen soll, davon hab ich keine Idee. Lokale Radiostationen helfen unwahrscheinlich, aber wir brauchen Orte, wo die Leute die Musik, die die Sender spielen auch hören können.

6: Auf welchen Deiner eigenen Songs bist Du besonders stolz? Erzählst Du uns die Geschichte hinter dem Lied?

Ich hab über 100 Songs in den letzten zwei Jahren geschrieben, von denen ich 50 oder so aufgenommen haben. Bis zu einem gewissen Grad bin ich auf jeden von ihnen stolz. Ich schrieb ein Lied über den Bombensnaschlag von Omagh (s. äußere Spalte. R.N.), das einige sehr freundliche Kommentare von Menschen erhielt, die noch immer in Omagh leben, es ist schön, so ein direktes Feedback zu bekommen. Die meisten Songs, die ich schreibe, handeln von Etwas oder Jemandem und sind nicht einfach formelhafte Texte nach dem Klischee „Woke up this morning“. Ich möchte Dinge dokumentieren, und daher kommt es mir auf die Texte ebenso an wie auf den Sound.
Das erste Lied, dass ich für The Mighty Boss Cats schrieb, war „She‘s my best friend“ – das war über eine Gitarre, die Mark Knopfler hat. Er hat sie all die Jahre behalten vom Underground bis zu seinem gigantischen Ruhm. Als er gefragt wurde, warum er sie behalten hat, sagte er, sie ist wie ein Freund, der einen niemals hängenlässt, da dachte ich, das gehörte ganz hoch auf die Liste von Liedern mit einer Bedeutung, die ich und alle Gitarristen nachvollziehen können. „The House of the Blues“ ist ein anderes Beispiel von Songs, die Ereignisse dokumentieren. Das handelt von meinem Trip in die USA, wo ich B.B. King spielen sah. Alle Lieder haben eine Story – hör sie dir an und achte auf die Texte.

7: Wenn Du Dich zum Schreiben hinsetzt, was kommt zuerst – der Text, die Melodie oder die Idee für ein ganzes Lied?

Das hängt ganz davon ab – manche Themen zwingen mich dazu, ein Lied zu schreiben und dann arbeite ich zuerst am Text. Ich schaute etwa eine Sendung über das Staatsgefängnis in Indiana. Die Worte „I got the Indiana State prison blues“, sprangen mich förmlich an. So entstand ein neues Lied, dass hoffentlich seinen Platz auf dem nächsten Album findet. Zu anderen Zeiten kann es auch ein besonders schöner Akkord sein, den ich finde oder ein Riff, dass einfach beim Rumspielen entsteht. Das ist es, was es so unvorhersehbar macht: es könnte wirklich alles sein. Inspiration ist keine exakte Wissenschaft.

8. Erzähl uns etwas über das Lieblingsinstrument in Deiner Sammlung. Und gibt es irgend ein anderes Instrument, was Du gern haben oder erlernen möchtest?

Ich habe verschiedene Gitarren. Aber ich liebe meine Strats, weil sie für mich eine fast ikonenhafte Form haben. Elektrische Gitarren sollten wie Strats aussehen, was sonst sieht schon seit den 50er Jahren immer noch genau so aus? Die haben es meiner Meinung nach einfach genau richtig hinbekommen damals. Ich besitze auch einige Nationals, weil ich wahrscheinlich mehr akustisch als elektrisch spiele. Die Nationals klingen einfach und klingen – wirklich ehrfurchgebietende Teile.

9. Wo möchtest Du Deine Karriere gerne hinführen sehen in der Zukunft? Was sind da Deine hauptsächlichen Ambitionen?

Ich will einfach nur fortfahren zu schreiben, Platten aufzunehmen und für immer größer werdende Zuschauerzahlen zu spielen. Zusammen haben wir einen wirklich guten Sound gefunden und es wäre schöne, das mit anderen zu teilen. Ich würde außerdem gern mehr Festivals spielen – nur für den Fall das irgendein Festival-Organisator oder Booking-Agent mitliest.

10: Was machst Du außer Musik am liebsten?

Ich lese, fahre ein wenig Rad und habe eine wundervolle Familie, aber das ist es dann auch schon. Musik ist meine Leidenschaft, und sie kostet mich eine Menge Energie. Daher muss ich einfach bei anderen Ablenkungen kürzer treten.

Zusatzfragen:

Spielst Du lieber Solo oder mit den Mighty Boss Cats?

Eindeutig mit den Mighty Boss Cats. Wenn wir mit allen Zylindern Gas geben, ergibt das eine großartige Reise. Es ist eine sehr kreative Umgebung zum spielen und schreiben. Die Solo-Arbeit kann auf ihre Art auch sehr erfüllend sein, besonders wenn man sich selbst mit dem Loop-Pedal antreibt. So ist‘s einfach weniger formelhaft. Wie auch immer – alles hat seinen Platz und ob Solo oder mit der Band hängt meistens an Fragen der Verfügbarkeit und der Ökonomie.

Wo können die Menschen mehr über Dich erfahren?

Die können auf www.richardtownend.com oder www.themightybosscats.com schauen. All unsere CDs kann man bei Amazon, itunes oder auf der Webseite der Band bestellen. Und außerdem gibt es noch bei youtube einen eigenen themightybosscats-channel mit um die 50 Videos.