ADN-ZB/Grubitzsch/1.12.89/ Leipzig: Biermann-Konzert/ Der Liedermacher, der nach jahrelangen Auftrittsverboten 1976 während einer BRD-Tournee ausgebürgert worden war, trat zum erstenmal wieder in der DDR auf. In der Messehalle 2 wurde er von den etwa 5.000 Besuchern mit einem Beifallsorkan empfangen. Chausseestraße 131 war die erste Soloplatte von Wolf Biermann. Er nahm sie in seiner Wohnung unter der angegebenen Adresse auf. Freunde hatten ihm Tonbandgerät und Mikrophon zur Verfügung gestellt. Kritiker halten die Platte noch heute für sein Meisterwerk.

Die Chausseestraße 131 gibt es immer noch, noch immer quietscht die Straßenbahn in den Schienen. Das Land, in dem diese Lieder geschrieben wurden, gibt es nicht mehr, der Sänger dieser Lieder ist mit oder besser ohne sie alt geworden, er ist aus dieser Kirche längst ausgetreten.

Nein: Biermann ist kein Kommunist mehr. Diese Lieder aus jenem Jahr 68,  eine halbe Revolution ein par Kilometer weiter hinter der Mauer, Panzer in Prag die die Hoffnung auf eine andere Gesellschaft niederwalzen. Da singt ein Überzeugungstäter über das Land, in dem er lebt, einer der an einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz glaubt, einer der aus Überzeugung in dieses Land DDR gekommen ist und an ihm fast zerbricht, bis sie ihn  rausgeworfen haben. Und doch dieses „die hab ich satt“ mit dieser wunderbaren Strophe

„die Lehrer, die Rekrutenschinder

Sie brechen schon das Kreuz der Kinder

Sie pressen unter allen Fahnen

Die ideealen Untertanen:

Gehorsam –fleißig- geistig matt

Die hab ich satt!“  

Ich hab selten eine bessere Beschreibung des Bildungssystems der DDR gelesen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Ich  kann nicht wirklich beurteilen was diese Lieder für die damalige DDR bedeutenden, aber wer einmal eine Handschriftliche Abschrift von Biermann Texten in der Hand gelten hat mag es erahnen.  Da beschreibt ein deutscher Kommunist, wie er an der stalinistischen Diktatur langsam vor die Hunde geht. Und doch glaubt Biermann immer noch an den Kommunismus. Da betet  ein deutscher Kommunist in  seinem „großen Gebet der alten Kommunistin Oma Meume in Hamburg“ um den Sieg des Kommunismus, da ist einer vom Sieg des Sozialismus überzeugt.  Man könnte fragen: Was soll uns das 40 Jahre später? Das ist die Falsche Frage. Was  haben uns diese Lieder heute noch sagen? Wenn man die deutschen Verhältnis des letzten Jahrhunderts verstehen will, gehören diese Lieder mit Sicherheit als Quellen dazu. 

Abgesehen davon gehört Biermann mit Sicherheit zu den wichtigsten Songschreibern und Lyrikern der letzten Jahrzehnte.