Mit den Grammies kommen in jedem Jahr auch vom Mainstream-Radio ignorierte Musikstile zu ein wenig Aufmerksamkeit. Jazz etwa oder Bluegrass und Folk. Der Blues allerdings ist dort fast nicht mehr zu finden. Ist die Wurzel der gesamten westlichen Pop- und Rockmusik inzwischen nur noch eine Fußnote für die Musikindustrie und die Medien?
Schon vor Monaten hatten einige amerikanische Webseiten, die über Blues schreiben, bekannt gegeben, sich nicht mehr mit den Grammies zu beschäftigen. Ursache war die Entscheidung des vergebenden Gremiums, in Zukunft dem Blues nur noch eine der begehrten Auszeichnungen zukommen zu lassen. Versteckt in der Kategorie der amerikanischen Roots-Musik findet sich da der Preis für das beste Blues-Album. Vorher hatte der Blues zumindest zwei Kategorien oder noch mehr. Ist das eigentlich angemessen, wenn es für jeglichen Sonderfall von RnB, Pop, Videos, Solo-, Duo,….. -performances eigene Grammies bekommt? Nein, meinten die Bluesblogger und Bluesmagazine. So kann man mit dieser Musik einfach nicht umgehen. Denn so wird man der Bedeutung des Blues für die Entstehung und Entwicklung sowohl von Rock und Soul als auch des zeitgenössischen RnB und Hiphop niemals gerecht. Eine solche Entscheidung ist einfach völlig ignorant und arrogant. Man könnte sie verstehen, wenn es bei diesen hochgelobten Musikpreisen lediglich um Verkaufszahlen ginge. Doch das ist ja nicht der Fall: Anders als der deutsche "Echo" sind die Grammies ein Kritikerpreis. Und wer Musikkritik betreibt dürfte so eine Entscheidung niemals unterstützen.
Aber Blues findet halt in der medialen Öffentlichkeit nicht mehr statt. Es sind nur noch Spezialisten, die darüber schreiben. Es sind Enthusiasten, die noch immer in dieser Musik ihre musikalische Audsdrucksform sehen. Und sie sind bereit, auf das schnelle und große Geld (gibt es das in der Musik eigentlich wirklich noch?) zu verzichten und statt dessen jahrelang auf der Suche nach dem eigenen Ton und Stil zu verbringen. Es sind zahllose Musiker, von denen man außerhalb ihrer Heimatregionen kaum etwas hört, auch wenn sie selbst großartige Alben veröffentlichen. Es sind Musiker, die jahrelang durch Clubs und Kneipen tingeln. Und die mit Programmen wie "Blues @ School" Kindern und Jugendlichen etwas über die Wurzeln der heutigen Popmusik beibringen. Bluesmusiker, so müsste man es eigentlich ausdrücken, sind so etwas wie Denkmalschützer oder Restauratoren für die bildende Kunst und Architektur. Und die Bluesfans? Auch das ist eine spezialisierte und kaum marktrelevante Gruppe. Zeiten, als Bluesalben auch in den Popcharts auftauchten, gab es lange nicht mehr. Und ein neues Bluesrevival ist nicht in Sicht. Und so haben auch Petitionen und Proteste gegen die Grammies nichts genützt.
Schlimm auch, dass die Nominierungen für das Bluesalbum des Jahres von einer gewaltigen Ignoranz zeugten. Es wurden Alben nominiert, die zwar gut sind ("Low Country Blues" von Gregg Allman beispielsweise) aber eben nicht die wirklichen und unerwarteten Glanzpunkte des Jahres. Und gewonnen hat mit "Revelations" von der Tedeschi Trucks Band eine Scheibe, die mit bekannten Namen glänzt, die aber ansonsten 2011 im Vergleich höchstens gutes Mittelmaß war. Da kann man die Grammies als Bluesfan wirklich nur noch ignorieren. Und statt dessen berichtet man über die Blues Music Awards oder ähnliche Spezialpreise. Obwohl man damit leider den Blues eben niemals aus seiner Nische heraus bekommt.