Es gibt Filme über Nazis, die witzig sind. Über die Nazis in „Iron Sky“ kann man nicht wirklich lachen. Denn lächerlich gemacht werden eher die heutigen Politiker.
Die Rückehr der Menschen auf den Mond: Ein Wahlkampfgag der USA. Doch – auch wenn PinkFloyd gmeint haben: „There is no dark side of the Moon“ – genau von dort droht der Erde die Gefahr. Denn dort leben sie, die Mondnazis. Seit sie 1945 mit den Reichsflugscheiben den Abflug gemacht haben. Und dort bauen sie seit Jahrzehnten an den Waffen, um die Erde zurück zu erobern. Herrlich beknackt die Idee zum Film „Iron Sky“, von dem Lizenzen in mittlerweile 50 Länder vergeben wurden. Ein so nicht zu erwartender Erfolg für einen Independent-Film, der zum großen Teil mit Geldern von Crowdfunding-Aktionen finanziert wurde. Doch der Filmgenuss ist nicht ungetrübt. Auch wenn die Bilder teilweise großartig sind.
Die Story ist von vornherein völlig bescheuert, ist ganz bewußt Trash. Und je länger der Streifen dauert, desto mehr erkennt man, dass die meiste Sorgfalt auf Spezialeffekte verwandt wurde. Glaubhafte Figuren – selbst von der völlig überzeichneten Sorte – vermisst man völlig. Die von Julia Dietze gespielte Renate ist derartig naiv, dass sie schon von einer komplett gezeigten Version des großen Diktators und der Begegnung mit paar Naziskins zur grünen Sozialpädagogin mutiert. Und Götz Otto als Klaus Adler, der nächste Möchtegernführer? Vergiss es! Otto weiß nicht, ob seine Figur nun lächerlich oder gefährlich ist. Und so bleibt Adler völlig banal als Figur. Udo Kier als Führer Kortzfleisch funktioniert noch eher. Aber eigentlich auch erst bei seinem blutigen Ende weit vor Filmende.
Wenn die hakenkreuzförmige Siedlung der Mondnazis erstmals ins Bild kommt, kann man noch lachen. Und auch Gags über die Rechenleistung von Smartphones oder über nordkoreanische Raumschlachtschiffe kommen gut rüber und lassen einen grinsen. Doch nachdem man „Iron Sky“ komplett gesehen hat, muss man sich ersthaft fragen, ob es wirklich Grund zum Lachen gab. Über die Lächerlichkeit der Nazis kann man in dem Film nicht wirklich lachen. Denn eigentlich sind sie nicht lächerlich.
Timo Vuorensolas Mondnazis sind in ihrem Auftreten cool.
Sie sind zwar in manchen technologischen Fragen rückständig. Andererseits aber sind sie uns Erdlingen in anderen Fragen (etwa einer zukunftsfähigen Energieversorgung) meilenweit voraus. Und ihre Wissenschaftler haben gar Mittel gefunden, aus einem farbigen Model/Astronaut einen Arier zu machen. Und sie haben es geschafft, aus Chaplins „Großen Diktator“ einen zehnminütigen Propagandafilm zu schneiden. Letzlich fehlt ihnen nur noch ein ipad, um mit ihrem Großkampfschiff „Götterdämmerung“ die komplette Erde zerstören zu können. Und das sieht zwar aus, wie aus einem Steampunk-Roman geklaut, ist aber dennoch ziemlich cool anzuschauen.
Dagegen die USA, die erscheinen einfach nur als die Deppen, die sind wirklich lächerlich: Gestraft mit einer Präsidentin, die fatalerweise aussieht und so dämlich ist wie Sarah Palin. Deren Politik (inklusive der neuen Mondmission) zielt einzig und allein auf die Wiederwahl ab. Und wenn man dafür den Stil und die Slogans der Nazis übernimmt – was soll‘s? Sie sind ja letztlich gar nicht so schlimm. Es sind doch ihrer Werte, wie Moral und Familie gar nicht so anders als die Interessen der Republikaner in den USA. Zum Schluss gibt es gar noch einen waschechten Krieg gegen Nazis – besser kann es kaum kommen. Zum Glück hat man das neue Raumschiff „George W. Bush“ gleich mit schwerer Bewaffnung ausgestattet. Und um Rohstoffe wird zum Schluss gleich die ganze Welt angegriffen. Lachen kann man bei „Iron Sky“ eher über die Amerikaner. Wenn nur nicht dieser Palin-Verschnitt genaus nervig im Film wäre wie in der Realität.
Und da finden viele Kritiker den eigentlichen Punkt, um „Iron Sky“ zu verdammen: Denn je lächerlicher die USA erscheinen, desto cooler wirken komischerweise die Nazis. Eigentlich würde man den Amerikanern eine saftige Niederlage gönnen. Diese wird glücklicherweise abgewendet, weil außer den Finnen jede Raumfahrtnation mittlerweile über heimliche Weltraumwaffen verfügt. Niemals wird die Ideologie der Mondnazis wirklich in Frage gesstellt. Das Ende des Films legt gar nahe, dass sie letztlich die einzigen Überlebenden eines neuen Weltkriegs sein könnten.
Das zeigt, dass es dem Regisseur auf eine Auseinandersetzung mit dem Thema überhaupt nicht ankam. Sein Film will eine völlig überzogene Satire auf die gegenwärtige Weltpoliitk sein.
Filme wie „Inglorious Basterds“ haben einen mit ihren überzogenen Darstellungen von Nazis zu Recht zum Lachen gebracht. Und gleichzeitig erschranken wir beim Lachen über ihre unfassbare Bösartigkeit. Die Botschaft war klar: Nazis sind brutal, sie können aber besiegt werden, weil sie einfach zu beschränkt denken. Und wenn man ihnen das Hakenkreuz in die Stirn ritzt, dann sind sie immer und überall sofort zu erkennen. Neben allem überzogenen Trash bleibt Tarantino noch im Bereich des Zeigbaren und Annehmbaren. Vuorensola gibt sich nicht damit ab. Er will keinen Anti-Nazi-Film zeigen. Seine Zielstellung ist ganz klar die heutige Weltpolitik. Und die hat seiner Meinung nach Parallelen zu den 30er Jahren und dem Aufstieg des Faschismus. Vor allem die Kriegshetze, das wie selbstverständliche Suchen nach militärischen Lösungen für politische Konflikte hat er dabei im Blick. Das sei für ihn eine eindeutige Parallele zur Nazipropaganda der 30er Jahre, meinte der Regisseur im Gespräch mit der BBC.
Kaum jemandem dürfte aufgefallen sein, dass er der Präsidentin einen Satz in den Mund gelegt hat, der original aus eine Rede von Goebbel entnommen wurde. Und das ist das Erschreckende daran.
„From my point of view, I am frightened by the rhetoric of international politics right now. It has echoes of the 1930s and the rise of fascism. However, it‘s up to audiences if they want to grab that message.“
Die Nazis – so seine Meinung – sind eben nicht anders als all die anderen Politiker in der Story. Nur dass sie eben hinterm Mond leben. Letzten Endes kommt in der Geschichte niemand davon. Die USA zerstören nicht nur die Mondbasis der Nazis sondern auch den Rest der Welt in ihrer Gier nach kostengünstigen Energievorräten. Nur ein paar der Mondnazis haben überlebt und müssen sich jetzt den Hitlergruß abgewöhnen und die Gegenwart eines farbigen Amerikaners ertragen lernen.
Der Regisseur hält seinen Film mit Verweis auf das Erstarken der extremen Rechten in Ländern wie Frankreich oder Griechenland heute noch für zeitgemäßer als zur Zeit seiner Entstehung. Und sammelt schon fleißig für zwei weitere Filme, die Vorgeschichte und Zukunft der Mondnazis zum Thema haben sollen. Ob er sich dann etwas mehr Zeit nimmt, um glaubhafte Figuren zu erfinden und die Story rund zu machen? Denn das sind die eigentlichen Schwächen des Films. Nicht die Tatsache, dass Nazis cool erscheinen gegenüber nervigen Amerikanern.
„Nobody escapes in this film. The Nazis are just used to reveal the true colours of all the politicians in this story.“