In den späten 60er und 70er Jahren war die Rockmusik in der nigerianischen Musikszene angekommen. Dieses weithin vergessene Kapitel der Musikgeschichte zeichnet Soundway mit seinem Sampler "The World Ends" nach. Die Doppel-CD vereint 33 Titel zwischen Funk und Psychedelic Rock aus Nigeria.
Während in San Francisco sich die Hippies Blumen in die Haare flochten und vom Sommer der Liebe träumten, versank Nigeria in einem noch immer unfassbaren Bürgerkrieg, in dem mehr als drei Millionen Menschen starben. Dieser Krieg bildete für das westafrikanische Land so etwas wie ein Ende der traditionellen Geschichte. Und gleichzeitig war es der Beginn einer ganz neuen. Dies machte sich auch in der Entwicklung der populären Musik bemerkbar. Waren vorher traditionelle Rhythmen, Instrumente und Stile prägend, begann jetzt der Einzug der westlichen Rockmusik.
Auch wenn in den Titeln auf "The World Ends" die afrikanischen Rhythmen immer präsent bleiben, sind doch Titel wie "Breakthrough" von The Funkees ganz deutlich mehr den Einflüssen etwa von Funkbands wie Sly & The Family Stone als dem traditionellen Highlife verpflichtet. Und wie hier die E-Gitarre den Sound prägt, ist ohne das Vorbild von Jimi Hendrix kaum denkbar: Was die Bands in dem afrikanischen Land spielten, sollte nicht nur ihrer Wut und Frustration über den Weg ihrer Heimat Ausdruck verleihen. Es war gleichzeitig ein Statement, dass die Jugend ihre Zukunft eben nicht mehr in den traditionellen Werten sondern ganz deutlich in den westlichen Gesellschaften sehen wollte.
So ist der mit einem 44seitigen Booklet versehene Sampler von Soundway eben nicht nur ein Beitrag zur Musikgeschichte im traditionellen Sinn sondern nimmt einen gleichzeitig mit zurück in eine Zeit, wo Rockmusik und Rockmusiker auch als politische Sprachrohre ihrer Generation verstanden wurden. Ihre Lieder sind wesentlich mehr als Musik sondern eben immer auch Botschaften oder die Verkörperung von Träumen und Wünschen von Musikern und ihren Fans. In einer Zeit, wo solch ein politisches Bewußtsein oft als Verrat an der Musik – oder als absoluter Karrierekiller in den Mechanismen der Musikindustrie – gesehen wird, ist diese groovende und tanzbare Sammlung von vollkommen unbekannten Songs ein Weckruf aus der Trägheit. Musik, die einen nicht mehr im Inneren aufzuwühlen versteht – oder einen gar einlullen will in einer bequem gewordenen Gegenwart ist unnötig. "The World Ends" ist auch für die heutigen "Wutbürger" ein treffliches Mittel, um jede Demonstration zum Tanzen zu bringen.