Der Schriftsteller und Künstler Jürgen Landt im Interview über seine Erfahrungen als Grenzgänger zwischen Ost und West.
Einen Tag vor Silvester 1983. Mit nicht mehr als einem Koffer und einer Schreibmaschine bei sich, gelang Jürgen Landt die Ausreise aus der ungeliebten DDR. Der Zufall hatte ihn nach Hamburg verschlagen. Über das Leben und Schreiben in der DDR, im damaligen Westdeutschland und seit der politischen Wende erzählt der Schriftsteller in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Onlinemagazins „Wasser-Prawda“ (Nr. 6/2012). Sein 2007 erstmals erschienener Roman „Der Sonnenküsser“ wird voraussichtlich im Herbst in einer vollständig überarbeiteten Fassung als eBook im Greifswalder freiraum-verlag erscheinen.
Obwohl er nie ein politischer Mensch im eigentlichen Sinne gewesen ist, fühlte sich der gebürtige Loitzer schon seit seiner Jugend in Demmin unwohl. Nach eigenen Aussagen wäre er in Westdeutschland vermutlich Schlagzeuger einer Rockband geworden, doch dieses Ventil gab es nicht. Für Jürgen Landt war die Enge der Kleinstadt, der Schule und des Elternhauses unbeschreiblich und schwierig zu ertragen. Um diesen tief empfundenen Druck abzubauen sieht er als Jugendlicher nur einen Ausweg: sich „frei zu schlagen“ und wird vom System fortan als renitenter Rowdy beobachtet. Bereits im Alter von 17 Jahren musste Jürgen Landt ins Zuchthaus. Die späteren Erlebnisse im Strafvollzug, die ständige Meldepflicht und weitere Drangsalierungen lassen begreifen, warum er die DDR verlassen wollte.
In den Jahren Jahren bis zu seiner Ausreise entdeckte Landt eine neue Möglichkeit seinen inneren Druck abzubauen und begann seine ersten Texte zu schreiben, welche sich thematisch mit dem Leben in der DDR auseinandersetzten. Knapp dem Vorwurf der Hetze entgangen, musste der junge Schriftsteller wenig später schon wieder aufhören Gedichte zu schreiben, um deretwegen nicht erneut im Gefängnis zu landen. Während der dritten Haftzeit stellte Landt einen Ausreiseantrag, um den für ihn unerträglichen Bedingungen zu entrinnen, doch es sollte noch Jahre dauern bis er schließlich die DDR in Richtung Hamburg verlassen konnte. Ebenso gut hätte es eine andere Stadt werden können, doch durfte er nicht zu Fuß über die Grenze und wurde freundlicherweise von zwei Frauen mit nach Hamburg genommen.
Der Ortswechsel von Demmin nach Hamburg war für Jürgen Landt ein Kulturschock und der Start alles andere als leicht. Wegen 50 D-Mark überfallen und von staatlichen Behörden wegen möglicher Stasi-Tätigkeit unter Beobachtung; der Neuanfang im Westen verlief alles andere als golden. Zwar gelang es ihm sich durchzuschlagen, doch konnte er nicht schreiben, obwohl er nun gedurft hätte. Die Vergangenheit noch nicht verarbeitet und in der neuen Heimat noch nicht angekommen, sondern im Gegenteil erneut unter Beobachtung, diesmal von westdeutschen Verfassungsorganen. Die Ereignisse machten sprachlos.
In dieser Zeit entstanden seine Typearts, die er stumm in seine Schreibmaschine hackte. Und gerade sie waren es, die seine Phase der Ruhelosigkeit beendeten. Drei Typearts von Jürgen Landt wurden im Materialkatalog der Hochschule der Bildenden Künste veröffentlicht. In der Folgezeit fand er Anschluss an die Kunstszene und begann wieder Texte zu schreiben, in denen die DDR keine große Rolle mehr spielte.
Nach der Wende, zurück bei der Familie und in der Heimat, sah sich Landt einem neuen Kulturschock ausgesetzt. Nichts hatte sich geändert. Alles erschien ihm einfach stehengeblieben. Ein kaum erträglicher Zustand für jemanden, der einfach getrieben ist zu schreiben und Grenzen – vor allem die selbst erfahrenen – thematisiert. Ganz auf seine Weise: nicht weil er will, sondern weil er muss.
PS.: Das vollständige Interview erscheint exklusiv mit einer Erzählung Landts in der Nr. 6 unseres pdf-Magazins.