natürlich wollte kein mensch wirklich etwas über die sinnlosigkeit seines daseins wissen.
deshalb gab es ja das fernsehen, die menschlichen rudervereine, nächtliche anglerbrigaden, überfüllte swingerclubs und die lang verbreitete und irrsinnige annahme, diesen lebendigen nihilismus mit immer mörderischeren kriegen an seinen sinnlos geformten und dennoch ausgeleierten eiern packen zu können.
die menschheit hatte lange eingepackt. nur wußte sie nicht, daß ihr kulturbeutel auch ohne reißverschluß in kein gepäckstück fürs auswärtige ende gehörte.

 

SORGENICHs MITTWOCHs-REVUE 16

 

die frau schaltete durch ihre 34 programme, blieb bei ’äöü’, einem verkaufssender kleben und besah sich die gedrehten creolen aus sterling-silber für 29,95 euro. „…wir zeigen sie ihnen nun das dritte mal! und jedesmal waren sie nach wenigen sekunden ausverkauft!…“ quasselte der kerl vom werbekanal. „…sehen sie? jetzt ist das schöne exemplar schon wieder weg!…“ schrie er die sich in letzter sekunde eine bestelltelefonnummer abschreibende frau an. „…jetzt, ebenfalls aus sterling-silber, für alle generationen, für jung gebliebene alte und sich alt fühlende junge leute, ein geflochtenes heringarmband für 26,50 euro! ich finde die rückseite beinahe so interessant wie die vorderseite, denn beide seiten strahlen…“
das gute an einem verkaufskanal war, daß keine werbespots zwischen der dauerwerbung liefen. die frau mochte das.
plötzlich stand der gestriegelte kerl im fernsehen zwischen zwei aufgeschichteten obstbergen. halben, und mit der wässrigen roten frucht zum zuschauer drapierten melonen, blauen und grünen weintrauben, gigantischen eierpflaumen, apfelsinen, mehrfarbigen äpfeln, gelben birnen, entsteinten pfirsichen und entkernten nektarinen, mehrfach gespaltenen honigmelonen, ganzen kiwis, mangos und, um den obstbergen als rundumfundament zu dienen, geschlossene, haarige kokosnüsse. „…und jetzt habe ich für sie eine universale saftpresse! innerhalb von wenigen sekunden brauchen sie das obst nicht mehr essen, sondern können es trinken! und alles für nur 15,98…“
oben rechts im bildschirm liefen zahlen rückwärts, die von dem immensen telefonischen abkauf der saftpresse zeugen sollten.
„brausebär, hier gibt’s grade ’ne universelle saftpresse! soll ich uns die bestellen!? dann brauchen wir obst nicht mehr essen, dann können wir das verschiedenste grünzeug gleich trinken! ist doch besser als ewig reinbeißen, oder!?“ rief die frau durch die wohnung.
„mach doch! ist doch sowieso ’n saftladen hier!“ rief der mann zurück.
„und die creolen auch!!?“ hörte er seine frau.
„klar, die dinger braucht man doch zum saftpressen…“ hörte sie ihren mann.
es war ihm so furchtbar scheißegal. so schlimm egal, als würde sie mit einem anderen mann ins bett steigen und an keiner seiner emotionalen fronten eine reaktion auslösen.
die frau telefonierte und schaute beobachtend die rückwärtslaufenden zahlen im fernsehen an, trommelte nervös mit den fingern auf einem ihrer oberschenkel. irgendwer fing ihren anruf ab, nur nicht der typ im fernsehen. und doch hörte sie die telefonische zuschaltung einer frau auf dem sender: „…äöü ist mein absoluter lieblingssender…wenn ich sie anhabe, brauche ich keinen anderen film und nichts! ich kann dann absolut abschalten…aber ihr macht mich arm, denn die goldenen creolen von letzter woche könnte ich schon wieder glatt wegwerfen für die tollen sterling-creolen von eben! aber ich kann bei ihnen so schön entspannen…“
„na, dann schauen sie mal, was ich jetzt für sie habe! dieses topfset mit zugehöriger bratpfanne, waffeleisen, digitalisiertem eierabschrecker und schöpfkellen, topflappen und geschirrhandtücher im selben design…“
die frau auf dem sofa hatte inzwischen ihre creolen und die saftpresse sicher, legte den hörer zurück und zählte die teile des topfsets. entspannend.

wieder hatte etwas sinnloses die überhand. doch es schläferte ein, und der mann wärmte am herd restliche buletten auf, wischte nach dem essen seine fettigen lippen am handrücken ab, und ihm war widerwillig fremdgesteuert klar, daß immer erst das fleisch und das fett kamen und erst dann der weite, alte, ausgeleierte saft, sah im wohnzimmer seine weggenickte frau mit hängendem kinn und wie tot auf dem sofa hocken und äöü mit bunten schwimmreifen und aufblasbaren tieren flimmern.