Andacht zur Mitgliederversammlung der Freibeuter Gottes am 21. Februar 2010 im Café Ravic

Anmerkung: Zu dieser Predigt gehört eigentlich auch noch mein Beitrag zur Zukunft der Kneipengottesdienste dazu. Beide halte und veröffentliche ich aber separat, da wohl nicht jedes Vereinsmitglied bei der Andacht dabei sein wird.

Ihr Lieben,

lange hab ich überlegt, was für ein Text für die Andacht vor dieser Mitgliederversammlung richtig wäre. Und ich hatte schon zwei verschiedene Predigten im Kopf fertig – eine für den Januar und eine für vor vierzehn Tagen. Schon seit November bin ich eigentlich immer am Überlegen, was ich hier sagen sollte. Denn eines ist mir klar geworden. Wir müssen wirklich drüber nachdenken, wo die ganze Freibeuterei hingehen soll. Und dann hab ich am Samstag nach einem ausführlichen Frühstück einfach mal geschaut, was für den heutigen Sonntag Invokavit – der erste Sonntag der Passions-/Fastenzeit für ein Evangelium festgelegt ist, und plötzlich war die Suche nach einem Predigttext erledigt. So steht im Matthäusevangelium im 4. Kapitel:

Matthäus 4,1-11

(1) Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden;
(2) und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich.
(3) Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach: Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, daß diese Steine Brote werden.
(4) Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: `Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.
(5) Darauf nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellt ihn auf die Zinne des Tempels
(6) und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: `Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.
(7) Jesus sprach zu ihm: Wiederum steht geschrieben: `Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.
(8) Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
(9) und spricht zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfallen und mich anbeten willst.
(10) Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: `Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.
(11) Dann verläßt ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herbei und dienten ihm.

Kurz vorher: Jesus wird getauft von Johannes. Und Gott bezeichnet ihn als seinen Sohn. Ein Highlight für Jesus. Doch gleich danach: die Versuchung.

Versuchung – ein unbequemes Wort, eine unbequeme Sache, etwas, was unseren Weg im Glauben bedroht. Etwas, was uns unsicher machen kann. Wir haben sehr ernst zu nehmen, dass es versucherische Gedanken und Situationen gibt, die eine solche Macht über uns gewinnen können, dass unser Verhältnis zu Gott Schaden leidet. Darum beten wir im "Vater unser" ja auch immer wieder: "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen." Und dabei kommt es nicht auf den personifizierten Teufel an, der hier in der Geschichte auftaucht. Es gibt eine Menge Dinge, die unser Verhältnis zu Gott, unseren Glauben an ihn, kaputt machen können.

Zweimal zielt der Versucher darauf, Jesu gutes Verhältnis zu Gott kaputt zu machen. Beim ersten Mal in der Wüste versucht er ihm einzureden: "Jesus, Gott lässt dich hier verhungern, wieso vertraust du auf ihn? Es steht doch in deiner Macht, was zu ändern. Jesus bleibt stark: er vertraut auf Gott, vertraut darauf, dass er ihn auch in einer Notsituation nicht alleine lässt.

Vom Gottvertrauen Jesu geht der Versucher dann bei der zweiten Versuchung Jesu auf der Tempelzinne aus. Da begegnet er Jesus ganz fromm: "Jesus, du vertraust doch auf Gott, wie du in der Wüste deutlich gemacht hast. Gut, dann beweis es mir. Wenn Du auf Gott vertraust, wenn Du dir sicher bist, dass er dich nicht alleine lässt. Dann spring doch – was soll dir passieren? Lasse es nicht bei Worten bewenden, sondern beweise mir aktiv dein Gottvertrauen und springe hier von der Tempelzinne hinunter. So steht's doch schon in den Psalmen – seine Engel werden dich behüten.

Der Teufel möchte ihn dazu bewegen, Gott zum Eingreifen zu zwingen. Und das bedeutet: Gott herausfordern, Gott versuchen. Jesus wehrt das ab. Und so kommt die dritte Versuchung: er nimmt ihn mit auf einen ganz hohen Berg. Von dort zeigt er ihm in einer Vision die ganze Schönheit dieser Erde, alle Reiche dieser Welt, die Könige und Machthaber. Und die vielen Schätze, die sie aufgehäuft haben. Und er vergisst auch nicht, darauf hinzuweisen, wie viel Macht sie über Millionen von Menschen haben.

Und dann sagt er: "Jesus, du bist doch der Sohn Gottes. Da, schau sie dir an, die vielen Menschen. Und die Mächtigen dieser Welt. Wie willst du sie dazu bekommen, dich als ihren König anzuerkennen? Hast du schon einmal jemanden erlebt, der freiwillig auf seine Machtbefugnisse verzichtet und sich einem anderen unterstellt? Jesus, du stehst auf verlorenem Posten. Kein Mensch wird dir dienen wollen. Aber das ist kein Problem. Ich kann dir helfen. Ich habe hier auf Erden die Fäden in der Hand. Ich kann dafür sorgen, dass alle Menschen dich als König anerkennen. Doch, Jesus, machen wir einen fairen Handel. Ganz ohne eigenen Nutzen will ich dir auch nicht zu Diensten sein. Wir können Partner werden, und ich will meine Herrschaft mit dir teilen. Doch musst du eine Bedingung erfüllen: Lass deinen Gott aus dem Spiel! Du weißt ja, was er will: dass du Weltherrscher wirst. Das kann ich dir auch vermitteln. Dazu brauchst du deinen Gott nicht. Wenn du niederkniest und mich anbetest, wenn du mich als höchste Instanz anerkennst, dann mache ich dich augenblicklich zum König über die ganze Menschenwelt."

Verlockendes Angebot: Herrschaft über die Welt ohne den Weg durch das Leiden, ohne den grausamen Tod am Kreuz. Einfach per Kniefall. Aber Jesus lässt sich auch davon nicht irre machen und weist den Teufel zurecht: Weg mit dir, Satan. Was du vorschlägst, ist überhaupt nicht das, worauf es ankommt. Denn die Herrschaft über die Welt, die hat eindeutig Gott – und der ist es alleine, dem wir Respekt und Anbetung schuldig sind.

Und damit sagt Jesus auch: nicht das, was ich für richtig und schön halten mag, ist das Entscheidende. Sondern das, was Gott mit mir vorhat. Und so lange ich mich auf ihn verlasse, dann verlässt er mich nicht.

Es dürfte uns jetzt klarer als vorher geworden sein, was hier im dritten Versuchungsakt auf dem Spiel steht. Der Versucher spielt mit Jesus das Spiel: "Alles oder nichts". Er unternimmt einen letzten Versuch, Jesus doch noch von Gott abzubringen. Um es noch einmal zu sagen: Jesus soll nach dem Willen des Teufels ein irdischer König werden – ohne Leiden, ohne Kreuz. Bequem soll er es haben, an die irdische Macht zu kommen. Wer wählt den mühevollen Weg, wenn es auch bequemer geht?
Doch Jesus bleibt Gott treu und tut, was Gott von ihm erwartet. Um nichts in der Welt – und seien es alle Reiche dieser Erde – um nichts in der Welt lässt Jesus sich von Gott abbringen. Er schickt den Teufel in die Wüste. Jesus entscheidet sich für Gott – und damit für einen mühevollen, leidensreichen Weg.

Am Anfang erschien es uns vielleicht so, als sei diese Versuchung auf dem Berge leicht zu bestehen gewesen. Jetzt empfinden wir es vielleicht tiefer, dass Jesus am Anfang seiner Wirksamkeit eine Entscheidung treffen musste, die er schließlich mit seinem Leben bezahlt hat. Genau so bewahrte er Gott die Treue.
Jetzt könnt Ihr natürlich fragen, warum ist der Text heute für unsere Mitgliederversammlung, für uns Freibeuter Gottes hier in Greifswald wichtig? Ich bin in den letzten Monaten immer mehr zu der Überzeugung gekommen, dass wir genau in so einer Versuchungssituation stehen. Vor nem Jahr haben wir den Verein gegründet. Zuerst und vor allem, um die Gottesdienste auf eine bessere Basis zu stellen. Doch was in dem Jahr passiert ist, hat mehr mit sportlichem und persönlichem Ehrgeiz zu tun gehabt, als damit, Gottes Wort zu hören und an andere weiter zu sagen.

Es ist einfacher, laut „Ryckwärts im Namen des Herrn" zu brüllen und danach alle Kräfte in einem kurzen oder längeren Rennen aufs Paddel zu bringen als ernsthaft und unablässig im Gespräch über den Glauben zu bleiben. Es macht mehr Eindruck, in schicken Shirts auf eine Bühne zu laufen und eine Urkunde in Empfang zu nehmen, als zu überlegen, ob man das ganze wirklich aus Gottvertrauen tut oder aus persönlicher Eitelkeit.

Klingt hart? Ist auch so gemeint. Als harter Anstoß zum Nachdenken. Wofür brauchen wir den Verein wirklich? Ist er nötig? Und können wir uns das leisten, dass Freunde sich dafür so aufreiben, dass sie irgendwann einfach nicht mehr können, dass ihre Kraft dahin ist?

Denn damit sind wir wieder genau beim Thema des Textes: Wie viel Raum nimmt Gott in unserem Leben ein? Wie viel Zeit haben wir für ihn? Ich nehme an, dass wir alle wohl ein Gespür dafür haben, dass hier einiges viel besser sein könnte und müsste. Wenn wir heute ein wenig nachdenklich geworden sind, dann ist das gut und heilsam.

Doch auch dieses dürfen wir auf keinen Fall vergessen: wir sind Menschen. Wir haben es nicht immer einfach mit Gott und unserem Glauben. Es gibt so viele  Versuchungen, die unsere unsre Gemeinschaft mit Gott stören. Das alles soll uns nicht entmutigen. Denn die Versuchungsgeschichte enthält auch eine tröstliche Botschaft, die wir mit offenen Ohren hören sollen. Das alles, was Jesus da an Gottvertrauen, an Glauben, an Liebe zu Gott fertig gebracht und gelebt hat, das hat er auch für uns getan. Eben weil wir es nicht können. Stellvertretend für uns war er Gott ganz gehorsam, erfüllte er ganz Gottes Willen.

Es ist Zeichen eines befreiten Glaubens, Zeichen unserer Erlösung, wenn wir sagen können: Ich bin zwar kein toller Christ, und mit meinem Glauben stimmt es oft auch nicht. Aber Jesus hat für mich das getan, was Gott eigentlich von mir erwartet. Darum habe ich es nicht nötig, mich mit schlechtem Gewissen vor Gott zu verstecken. Darum bleibe ich in Gottes Gemeinschaft, bemühe mich darum, soweit es in meinen Kräften steht, suche sie immer wieder, auch und besonders dann, wenn bestimmte Zweifel und quälende Fragen sich zwischen mich und Gott drängen.

Amen.<–>