Palestine mag zwar der Ort sein, wo Songwriter Lew Jetton lebt. Gleichzeitig ist es aber auch eine Region, die bekannt ist für ihre Gewalt und scheinbar unlösbare Konflikte. Und diese Konflikte, ob persönlich oder politisch stehen im Zentrum des neuesten Albums von Jetton mit seiner Band 61 South.

Blues kann durchaus fröhlich und ausgelassen sein, aber genauso auch düster und anklagend. Wichtig ist, wie der Künstler in seiner Musik von seinem Leben spricht. Lew Jetton hat mit seiner Band ein Resüme der letzten Jahre gezogen, einer Zeit des Kampfes gegen Drogen und Depression, einer Zeit von Armut und Arbeitslosigkeit.

Komme ich eigentlich in die Hölle, wenn ich nicht genauso lebe wie Jesus? Die Gitarre legt einen düsteren Groove. Die Bluesharp von J.D. Wilkes heult wie der sprichwörtliche Höllenhund. Jetton stellt Fragen. Doch der Prediger kann kaum antworten. Bin ich nur white Trash mit meiner Lebensart? Muss ich diesen Politikern folgen? Letztlich ist der Ratschlag nur: Behalt den Kopf oben. Lass dich nicht herunterziehen von den Fragen und Zweifeln.

Bei „Oh My My“ ist der Sänger so deprimiert, dass er Haus und Bett nicht verlassen will. Der Job ist so mies. Doch letztlich kann er nichts ändern. Es bleibt ein Gefühl ähnlich wie Sterben. Dabei ist das doch der Alltag mitten im Leben. In anderen Songs erzählt Jetton von unerträglichen Schmerzen, die man kaum noch betäuben kann, von Jobs, die nach Mexiko ausgewandert sind oder davon, wie man nach all dem schließlich doch wieder zu trinken beginnt. Letztlich braucht es keinen Teufel, um sich selbst in die Hölle zu schicken. Was bleibt, ist die Bitte um Erbarmen. Jesus als die letzte Adresse.

Die Musik ist kantig, rauh und rockend. Hier passt die musikalische Form einfach zu den dunklen Geschichten. Lew Jetton spielt meist sparsamme Riffs, wenn sich daraus ein Solo ergibt, dann ist es ebenso atmosphärisch und düster, schwingt sich das Instrument nicht in die lichten Höhen schierer Virtuosität auf. Die Rhythmen, die Otis Walker am Bass und Erik Eicholtz spielen, kommen irgendwo aus dem Grenzland zwischen Barrelhouse Blues, Rockgarage und Countrykaschemme. Und wenn J.D. Wilkes die Harp bläst, dann bildet sie genau die Ergänzung für Songs, die einem keine Ruhe lassen, die einen sofort an den eigenen Fragen und Zweifeln packen.

„Palestine Blues“ ist ein herausragendes Album. So persönlich, so tiefgehend und radikal hat sich 2017 vielleicht nur noch Jason Ricci geäußert. Wobei Jetton und Ricci natürlich musikalisch ziemlich weit voneinander entfernt sind. Blues kann düster sein, kann hoffnungsvoll und fröhlich sein – wichtig ist, dass er so ehrlich ist, wie hier bei Lew Jetton & 61 South.