Enzensberger zeichnet in seinem Werk die Familiengeschichte des Generals Kurt von Hammerstein-Equord und seiner Kinder nach, die ihre Opposition gegen das Naziregime auf unterschiedliche Weise zwischen den idealen des deutschen Militärs und der Mitarbeit im kommunistischen Untergrund lebten.
Wie kann man Geschichte schreiben? Hat man überhaupt die Chance, Fakten so darzustellen, dass daraus ein Bild der vergangenen Wirklichkeit wird? Oder besteht nicht vielmehr die Gefahr, dass man die verschiedenen Quellen in ihrer jeweiligen Tendenz niemals korrekt beurteilen kann und somit lediglich ein Zerrbild der Vergangenheit ohne Anspruch auf Realität entsteht?
Diese Frage stand für Enzensberger mit im Hintergrund, als er begann, die Geschichte der Familie von Hammerstein-Equod aufzuschreiben. Denn es war klar, dass man weder den Augenzeugenberichten noch den zahlreichen Unterlagen aus Archiven des Nationalsozialismus oder der Kommunistischen Internationale völlig trauen kann. Zu unwahrscheinlich scheint es dem Nachgeborenen sowieso, wie die Töchter eines hohen Generalstabsoffiziers sich zu kommunistischen Agenten nutzen ließen. Ein solches Nebeneinander passt so gar nicht in die Vorstellungen der Nachgeborenen.
Die Töchter kopierten Akten aus Vaters Schreibtisch, fertigten Nachschlüssel zum Geldschrank an, leisteten Kurierdienste und stellten so einen direkten Zugang der KPD zu den Dienstgeheimnissen der Reichswehr her. Der General kümmerte sch um das Treiben seiner Töchter offenkundig kaum. Und so konnte etwa die Ansprache Hitlers an die Offiziere des Generalstabs schon kurze Zeit später nach Moskau gelangen. Das ist eine Konstellation, die tatsächlich außerhalb des Gewöhnlichen liegt und die die Historiker, so Enzensberger, schlichtweg verschlafen hätten.
Doch gerade das macht die Darstellung Enzensbergers so spannend und aufregend zu lesen. Wenn auch oft nicht klar wird, wie eigentlich der Schritt hin in den radikalkommunistischen Untergrund abgelaufen sein mag. Der Autor versucht zwar, in fiktiven Totengesprächen den Motiven der Akteure auf die Spur zu kommen. Doch wo die Lebenden schon kaum Auskunft zu geben bereit waren, kann man auch postum schwer Fakten aufklären. Darin besteht auch die große Schwäche des Buches: Auch wenn Enzensberger weder eine historische Abhandlung noch einen biografischen Roman schreiben will, hätte er sich doch mehr um Klärung der Motive der Handelnden bemühen müssen. Und auch seine Deutung mancher Quellen ist mehr als fahrlässig.
Auch sind die historischen Anmerkungen Enzensbergers etwa zu den „goldenen 20er Jahren“ (er hält sie für ein Hirngespinst) oder zum Ende der Weimarer Republik recht vergröbernd und zeitweilig schlichtweg falsch. Der große kulturelle Aufschwung, den die deutsche Kultur gerade in den 20er Jahren genommen hat ist doch wesentlich mehr als eine Prise Dekadenz.
Insgesamt bleibt bei aller Spannung der Darstellung ein zwiespältiges Gefühl zurück. Man weiß nicht mehr, ob man der Darstellung Enzensbergers wirklich trauen kann, wenn man schon in des Autors persönlichen Deutungen der Geschichte solche Verzerrungen entdeckt. Aber als Beispiel einer ungewöhnlichen deutschen Familiengeschichte ist Hammerstein in der gegenwärtigen Literatur ziemilch einzigartig.