Die Zeit der Wunder ist vorüber und die Welt glaubt nicht mehr an das Überirdische, denn sie will alles in nüchterner, hausbackener Wirklichkeit haben, um es so recht aus Herzensgrund begreifen, das heißt betasten zu können. Kommt dann wirklich einmal etwas Geisterhaftes, zeigt sich einmal in stiller Mitternachtsstunde dem einzelnen, dem Auserwählten, ein anständiges, ordentliches Gespenst, so könnte dieser später bei allen Heiligen, und noch überdies Stein und Bein schwören, es glaubte ihm niemand ein Wort davon. Entweder hieße es: „Der gute Mann habe mit wachenden Augen geträumt“, oder die lieblose Bruder- und Schwesterschar urteilte vielleicht noch strenger und sagte am Ende gar: „Er ist ein Narr, daß er denken kann, vernünftige Leute sollten sich so etwas weismachen lassen!“
Ein Märchen
Was um des Himmels willen ist nun mit einer solchen Welt anzufangen? – Gar nichts.
In solch ähnlicher Verlegenheit befand sich vor noch nicht so langer Zeit der liebe Gott selbst. Auf der Erde, und besonders in den deutschen Bundesstaaten, sah‘s in jeder Hinsicht windig und bös aus. Mit der Politik der Kammern waren allerdings die Kammerherren und Kammerdiener, sonst aber auch niemand zufrieden; die Religion drohte gleichfalls wieder eben aus Religion ganz irreligiös zu werden, denn selbst die Laien fühlten sich nicht mehr sicher, als ganz gewöhnliche Menschen schlafen zu gehen und als Apostel wieder aufzustehen – und was die Ernten betraf, so war es wirklich zum Verzweifeln. Einmal schien es zu dürr, einmal zu naß, einmal viel Mehltau, ein anderes Mal Hagel, kurz, es kam in jedem Jahr etwas anderes, was die Getreidepreise hinauftrieb, Brot und Fleisch teurer machte und die Armen – i. e. solche, die nicht gewußt hatten reich zu werden – so bedrückte, daß des Betens und Bittstellens kein Ende mehr wurde. Die Notleidenden wandten sich dann aber teils persönlich an ihn selbst, teils plagten und peinigten sie die armen Heiligen und Schutzpatrone bis auf‘s Blut.
Dazu kam nun noch, daß die Menschen wirklich anfingen, ihm leid zu tun. Er hätte ihnen so gern geholfen! – Wie aber das anfangen? Die Gesetze der Natur konnte und wollte er deshalb nicht ändern, und das ungeheure Walten jener wirkenden und schaffenden Urkräfte zu stören, wäre, der paar Erdenbewohner wegen, auch etwas viel verlangt gewesen. Aber es gab natür1iche Mittel, und die sollten hier helfen.
Nichts war einfacher als die Religion – er hatte das Ganze schon früher einmal dem Moses in einer Viertelstunde diktiert – in dieser Hinsicht hoffte er bald Frieden zu stiften; auch die Politik mußte in Ordnung gebracht werden – es waren ja alles seine Kinder, und wenn auch die einen, wie das wohl die Geschwister häufig tun, die anderen unterdrückt und sich die Sachen zugeeignet hatten, die gar nicht für sie allein bestimmt gewesen, so konnte das – und dazu hatte er ihnen ja eben die Vernunft gegeben – bald wieder geregelt werden.
Was denn endlich den vielen Mißwachs der Ernten betraf, so erzeugte die Erde selbst in ihrem Innern Mittel gegen diese Übelstände, denn sie trug und trägt ja in sich selbst den Keim, das alles zu verbessern und zu seinem höchsten Grad der Vollkommenheit zu führen. Nun frug es sich nur, wie es möglich sei, dies den Menschen selbst bekannt zu machen, und auf welche Art es sich hoffen ließ, von ihnen verstanden zu werden.
Durch eine feurige Schrift am Himmel? – Die Freigeister und Professoren hätten eine solche als etwas Natürliches erklärt, und die Theologen ihr eine ganz andere Auslegung gegeben. Durch eine Stimme von oben? – Das war erstens schon dagewesen, und dann würden auch die Leute höchstens gesagt haben: „Heute hat es doch einmal gedonnert, daß man ordentlich Worte verstehen konnte.“ – Es war zum Verzweifeln.
Da beschloß denn Gott Vater, aus unendlicher Liebe für das Menschengeschlecht, ein Buch über die zu verbessernden Verhältnisse und besonders über Ackerbau und Viehzucht, für welche beiden Zweige er sich vorzugsweise interessierte, zu schreiben und damit selbst auf die Erde hinabzusteigen.
Zeit hatte er ja für den Augenblick: dieWelt lief im allgemeinen in ihren ewigen Kreisen ruhig fort, und wenn ihm nicht manchmal ein Komet durchbrannte und, einen Schweif roher Gesellen auf den Hacken, mit offenen Laternen und Pechfackeln die stillen Straßen des Firmaments auf staatsgefährliche Weise durchtobte, so war keine Unordnung zu fürchten. Doch auch selbst hierüber hatten ihn die Berechnungen der besten Astronomen beruhigt, die ja die Erscheinung des nächsten noch bis auf x Jahre hinausgeschoben.
Sein Plan ward also, kaum gewollt, auch schon ausgeführt. Mit Gedankenschnelle flogen die Zeiten mit der Enthüllung jener göttlichen, uns noch unbekannten Urkräfte des Erdkörpers auf das Papier nieder, und wenn sich der liebe Gott auch, seit er damals die zehn Gebote entworfen, nicht mehr mit literarischen Arbeiten beschäftigt hatte, so ging die Sache doch verhältnismäßig ungemein schnell.
Das geschehen, rauschte er, die Liebe für seine oft unfolgsamen Kinder im treuen Vaterherzen, auf unsere schöne Erde hiernieder, um einen Verleger für sein Werk zu suchen, und stieg, wie sich das von selbst versteht, in Leipzig, und zwar im ersten Gasthof, daselbst ab.
Um aber jedes Aufsehen zu vermeiden, mußte er natürlich die Gestalt des Menschen – die edle, schöne Gestalt des Mannes, wie er ihn früher nach seinem eigenen Bilde erschaffen – annehmen und kleidete sich zwar sehr einfach, aber doch nach der gerade bestehenden Mode. Vor dem Hotel hielten mehrere Droschken, und eine derselben brachte ihn denn auch bald zu dem Buchhändler Schmerz, bei dem er ohne weitere Umstände eintrat und ihm nach wenigen einleitenden Worten sein fertiges Manuskript anbot.
Herr Schmerz – ein langer, hagerer Mann mit tiefliegenden, dunkeln Augen – nötigte ihn sehr artig zum Sitzen, las dann den Titel des Manuskriptes und frug, sich leicht gegen den Fremden verneigend:
„Mit wem habe ich die Ehre?“
Das war nun allerdings eine sehr natürliche Frage; jeder Buchhändler wünscht doch zu wissen, mit wem er es zu tun bekommt. Dem lieben Gott kam sie aber nichtsdestoweniger unerwartet, denn er durfte dem Mann doch nicht sagen, wer er sei; Herr Schmerz hätte ihm das auch im Leben nicht geglaubt. Er faßte sich also kurz und antwortete, indem er, um nicht unartig zu scheinen, die Verbeugung erwiderte:
„Schultze!“
„Ah – Herr Schultze – mir sehr angenehm! Und Sie wünschen also dies hier drucken zu lassen?“
„Ich wünsche dadurch einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen“, sagte der liebe Gott, und Herr Schmerz schlug das Manuskript schnell auf, denn er glaubte wahrscheinlich, es lauere der Antrag zu einem neuen Theatergeschäftsbüro oder zu einer illustrierten Zeitung im Innern; bald sah er jedoch, daß er sich geirrt habe, und frug – schon etwas beruhigt:
„Und über was handelt es? Der Titel ist etwas – etwas umfassend: Enthüllungen der geheimsten und segensreichsten Urkräfte des Erdballs –“
„Über alles – Viehzucht und Ackerbau – Religion und Politik.“
„Sie sind Literat?“
„Nicht eigentlich; ich bin mehr Ökonom, habe aber dieses Werk aus reiner Liebe zur Sache geschrieben, denn ich liebe die Menschen und weiß, welchen Dienst ich ihnen damit erzeigen werde.“
Herr Schmerz blätterte ein wenig im Manuskript herum, um einzelne Sätze darin zu lesen, und schüttelte dabei bedeutend mit dem Kopf.
„Sehr flüchtig geschrieben das, sehr, – Herr – Herr“
„Schultze“, sagte der liebe Gott.
„Ach ja, Herr Schultze – sehr flüchtig – die Setzer beklagen sich so immer!“
„Ich sollte denken, es käme hier mehr auf den Inhalt als die Schrift an!“ sagte der Fremde. „Wie unscheinbar sieht zum Beispiel eine Kartoffel aus, und was schließt sie nicht alles in sich ein? In ihrem Innern lebt und wirkt eine kleine, für sich abgeschlossene, aber deshalb nicht weniger kunstvolle Welt; dem Menschen unbekannte Kräfte und Lebenstriebe durchströmen sie, und atmende Wesen bewegen sich in dieser festen, saftigen Fleischmasse mit derselben Leichtigkeit, mit der sich die Menschen durch die Luft bewegen, und wenn im Frühjahr die Keime –“
„Sie haben Phantasie, Herr Schultze“, unterbrach ihn etwas ungeduldig Herr Schmerz – „aber dürfte ich Sie wohl bitten, mir den Inhalt dieser Schrift etwas näher anzugeben?“
„Recht gern. – Es ist, wie Ihnen auch der Titel sagt, eine Enthüllung geheimer, bis jetzt noch nicht gekannter, vielleicht nicht einmal geahnter Naturkräfte, um zuerst dem Mißwachs und den Viehseuchen entgegenzuwirken, und gleichzeitig das moralische Schaffen und Treiben der Menschen – von denen der große Haufe nun doch einmal in den Tag hineinlebt – zu ordnen und zu regeln. Was die ersten Kapitel – Mißwachs und Seuchen – betrifft, so existierten in früheren Zeiten andere Verhältnisse. Die Bevölkerung des Erdballs war zu schwach, und die Erde erzeugte mehr, als ihre Bewohner konsumieren konnten. Daher mußte ich diesem Übelstand durch natürliche Mittel abzuhelfen suchen.“
„Sie?“
„Ich – meine die Natur. jetzt aber hat jene Ursache aufgehört, und deshalb soll auch die Wirkung nachlassen. Das Menschengeschlecht ist an Zahl so gewachsen, daß es, wenigstens in Europa, alles braucht, was es erzeugen kann, und ich wünschte nun dieses zum Nachteil werdende Hindernis gehoben zu sehen. Das können sie aber nicht verlangen, daß ich deshalb die ewigen Naturgesetze ändern sollte, um – „
„Nein!“ sagte Herr Schmerz.
Der liebe Gott sah ihn im ersten Augenblick erstaunt an, besann sich aber schnell und lenkte wieder ein: „Um solchen Übelständen nämlich abzuhelfen, kann man also, wie ich sagen wollte, doch nicht verlangen, daß die einmal bestehenden Gesetze der Natur geändert werden sollten. Dafür liegt aber auch in ihren eigenen Kräften, in ihren geheimsten, innersten Lebensfasern das Heilmittel gegen diese nicht mehr nötigen Zuwachsminderungen, und ich habe das alles hier kurz und bündig, aber auch leicht faßlich niedergeschrieben. Drucken Sie es, und geben Sie das dafür übliche Honorar in die hiesige Armenkasse. – Sie werden überdies Nutzen genug davon haben.“
Herr Schmerz, vielleicht durch dies keineswegs gewöhnliche Benehmen neugierig gemacht, oder auch, weil ihm das ganze Äußere des Fremden eine gewisse Ehrfurcht einflößte, scheute sich, augenblicklich eine bestimmte Antwort zu geben, und bat nur, ihm das Mariuskript bis morgen zu lassen, wo er sich dann darüber zu entscheiden versprach.
Zur verabredeten Stunde am nächsten Tag stellte sich der Fremde wieder ein und bat um seine Antwort. Herr Schmerz machte indessen heut ein äußerst bedenkliches Gesicht und blickte kopfschüttelnd und mit emporgezogenen Augenbrauen auf das Manuskript herab, das er in der Hand hielt.
„Ich komme, um Ihre Entscheidung über den Druck meines Werkes zu hören“, sagte der Fremde.
„Ja, sehen Sie – bester Herr Schultze“, begann endlich der Buchhändler nach kurzer Pause – „das ist so eine Sache mit dem Druck dieses Heftes. Einesteils glaube ich – aufrichtig gestanden – gar nicht, daß das Buch etwas machen wird. Für ein rein wissenschaftliches Werk ist zuviel Phantasie, – für Phantasie zu viel Wissenschaftliches darin, und dann – druckten wir es nicht äußerst splendid, daß es über zwanzig Bogen gäbe, so striche uns der Zensor die ganze Geschichte. Sie halten sich ja gar nicht ein bißchen an das Bestehende, werfen alles über den Haufen, was nun doch einmal da ist, und reden von Sachen, die über menschliche Begriffe fast hinausgehen. Ich habe darin herumgeblättert – etwas altväterischer Stil – nun, dergleichen ließe sich abändern – aber – das nehmen Sie mir nicht übel – ein bißchen zu prätentiös ist das Ganze auch noch geschrieben. Sie reden da in einem fort: das muß so sein und das so, hier tue dies und da tue das, die Wirkung wird dann im ersten Jahr so, im zweiten so, und im dritten und den folgenden so sein; die Behandlungsart von A wirkt auf B, und die Unterlassung würde sich für drei Jahre, wieder so, und für andere zehn wieder so gestalten. Nein, das geht nicht, mein bester Herr Schultze, damit kommen wir nicht mehr durch. Ja, in alten Zeiten, da ließ man sich das gefallen, dam als gehörte nur eine etwas dreiste Stirn dazu, die Welt glauben zu machen, was man wollte; aber jetzt gehen wir der Sache tiefer auf den Grund.
„Überdies erlauben Sie sich auch über Politik, und besonders über Religion Äußerungen, die ich selbst nicht einmal unter dem Namen Schultze vertreten möchte. Am Ende brauchten wir ja gar keine Priester und Prediger mehr; und dann die Beleuchtung Ihrer sozialen Verhältnisse? Nein, mein guter Herr Schultze: würde ich das Buch, das allerdings Geist verrät, wirklich drucken, so glaubte uns erstlich kein Mensch ein Wort von dem, was drinnen steht; dann kämen wir wegen des einen Teils in die schönste Kriminaluntersuchung, und über den andern Teil fielen nachher die Rezensenten wie wahnsinnig her. Das wenigste, was sie sagten, wäre, ich hätte einen neuen hundertjährigen Kalender verlegt. Und wenn sie‘s dann nur noch kauften – wenn es noch ginge! Ich käme aber wahrhaftig nicht einmal auf die Kosten, denn ein Leihbibliothekenbuch ist das nicht.“
„Nein, allerdings nicht“, sagte der Fremde – „aber verlegen Sie es nur; ich garantiere Ihnen, daß Sie gute Geschäfte damit machen.“
„Sie garantieren mir das? Welche Bürgschaft könnten Sie mir denn dafür geben?“
„Meinen Namen!“
„Bester Herr Schultze!“ rief Herr Schmerz.
„Ja so!“ sagte der liebe Gott – „Sie wollen es also nicht? Sie weisen es zurück?“
„Ich bin Ihnen wirklich für das Vertrauen, das Sie in mich gesetzt, ungemein verpflichtet, aber ich habe jetzt in der Tat so viele Manuskripte daliegen, – eins drängt so das andere; – mein Nachbar Beißig wird sich aber sicherlich ein Vergnügen daraus machen, – der hat überdies mehrere landwirtschaftliche und wissenschaftliche Werke gebracht.“
„Und Sie glauben, daß Herr Beißig –“
„Oh, ich bin es fest überzeugt; versuchen Sie es nur! – Oh – keine Komplimente, bester Herr Schultze! – jenes ist der Ausgang, wenn ich bitten darf; die Tür hier führt in die Küche. Habe die Ehre, mich gehorsamst zu empfehlen!“
Der liebe Gott fand sich gleich darauf mit seinem in Makulatur eingeschlagenen Manuskript, auf welchem mit großen Rotstiftbuchstaben „Hr. Schultze“ geschrieben stand, auf der Straße und blieb im ersten Augenblick wirklich etwas überrascht stehen. Das hatte er nicht erwartet! – Er wollte die Menschen glücklich machen, und trifft dafür auf solche Schwierigkeiten. „Nun, Herr Beißig wird es auf jeden Fall nehmen!“
Aber siehe da – auch hier schien es, als ob er vergebens angeklopft habe; neue Schwierigkeiten, neue Entschuldigungen. Wieder wurde er zu einem andern geschickt, und nachmittags nahm er sich eine Droschke auf eine Stunde, um schneller aus einer Verlagshandlung in die andere kommen zu können.
Volle sechs Tage hatte er so mit immer gleichem Erfolg auf dem Pflaster gelegen; er beschloß also, den siebenten zu ruhen und am nächsten Montag die noch übrigen fünfundfünfzig Buchhändler aufzusuchen, um sich später gar keine Vorwürfe machen zu dürfen. Da klopft es, als die Glocken eben zu läuten begannen, leise an seine Tür.
„Herein!“ rief er, gerade nicht in der besten Laune.
„Ich habe das Vergnügen, mit Herrn Schultze zu sprechen?“
„So nennt man mich hier.“
„Ihren Paß, wenn ich bitten darf.“
„Ich habe dem Wirt schon gesagt, daß ich keinen bei mir führe.“
„Dann muß ich Sie freilich bitten, mir zu folgen.“
„Aber, mein Herr –“
„Ich bedaure recht sehr – aber Sie wissen – meine Pflicht“
„Ich gehe auf keine Fall mit Ihnen!“
„Sie werden sich doch der Obrigkeit nicht widersetzen wollen?“
Was wollte der liebe Gott jetzt machen? An dem ihm selbst geweihten Tage Skandal anfangen? Welch ein Beispiel hätte er dadurch gegeben! Er setzte seinen Hut auf und folgte.
Im Polizeibüro wurde er freilich mit der größten Artigkeit behandelt, denn in seinem ganzen Wesen lag etwas so Edles, Ehrfurcht Einflößendes, das ihm überall Freundlichkeit und Zuvorkommenheit sicherte; gegen die einmal bestehenden Gesetze ließ sich aber, das wußte er ja aus eigener Erfahrung, nichts tun – einen Paß hatte er nicht – der von ihm angegebene Ort, woher er stamme – „Himmelsburg in Engelland“, ließ sich auf keiner Karte Albions entdecken, und somit mußte ihm denn, wie sich das vorhersehen ließ, die Weisung werden, sich binnen vierundzwanzig Stunden einen Paß zu schaffen oder – die Stadt zu verlassen.
Jetzt bekam der liebe Gott die Sache aber auch satt. Bloß der Menschen wegen hatte er sich all diesem unterzogen, und nun traten ihm aus jeder Ecke neue Hindernisse entgegen. Zwar hätte er sich im Augenblick selbst einen Paß herstellen können; durfte er aber das auf einen fremden Namen tun? Das wäre wieder gegen seine eigenen Gesetze wie die der Menschen gewesen. – Nein, er sah jetzt ein, daß es die Sterblichen gar nicht besser verdienten; sie wollten das alles, was sie drückte und quälte, behalten – sie wollten kein Licht haben, und wenn sie sich die Schädel an den Wänden einstießen. So beschloß er denn, in den Himmel zurückzukehren und das von den Blinden verschmähte Werk im Feuer zu vernichten.
Sein Wille war Tat. In lodernder Glut verzehrte sich das göttliche Manuskript – dieser allein Millionen werte Autograph – und jauchzend wirbelten die boshaften Luft- und Feuergeister die Aschenatome in das reine sonnige Blau des Firmaments, und spielten und tanzten damit im tollen, wilden Übermut hoch, hoch auf zu der endlosen Höhe. Der liebe Gott aber schaute ihnen sinnend nach und murmelte endlich gutmütig lächelnd vor sich hin:
„Das hätt‘ ich mir, wenn ich nicht allwissend wäre, allenfalls denken können!“
Dann in Licht zerfließend, stieg er wieder empor zu den reinen, göttlichen Räumen des Lichts, zu dem Urquell des von Strahlen durchfluteten Alls. Rosige Wolken drängten sich um ihn her und hoben und trugen den Gott, Freude glühend und Frieden leuchtend, hinan – hinan in das Äthermeer der Unendlichkeit, in die kreisenden Sonnenwelten des ewigen Seins.