Er galt als einer der begabtesten Soul-Sänger und Songschreiber der 70er Jahre. Nicht nur seine Duette mit Roberta Flack schrieben Musikgeschichte. Doch Donny Hathaway war immer auch ein Getriebener, der irgendwann mit seinen Depressionen nicht mehr leben konnte. Die Anthologie „Never My Love“ lädt ein, bekannte und unbekannte Momente einer Musiklegende neu zu entdecken.

Das ist Musik, die in keiner Sekunde verheimlichen will, dass sie aus der Kirche kommt: Wenn Donny Hathaway „I Thank You Baby“ singt, dann ist das sowohl Liebeserklärung als auch ein Gebet. Und selbst das von afrikanischen Rhythmen unterlegte Lamento „The Ghetto“ ist mehr Klagepsalm als kampferischer Funk a la James Brown. In dem 1945 geborenen Musiker ist eine neue Generation des Soul zu hören, ein Musiker, der in seine Songs ebenso den Gospel wie das Erbe der Beatles, sinfonische Elemente und Funk integriert. Und noch heute gibt es Menschen, die ihn für den größten Soulsänger aller Zeiten halten.

Geboren wurde Donny Hathaway am 1. Oktober 1945 in Chicago. Doch er wuchs in St. Louis auf, wo ihn seine Großmutter schon mit drei Jahren in den Kirchenchor mitnahm. Der frühe Musikunterricht am Klavier zahlte sich aus – Hathaway bekam ein Vollstipendium für das Musikstudium an der Howard Univerity, mit dem er 1964 begann. Während dest Studiums verdiente er sich als Pianist in einer Barjazz-Band Geld. Und als er mit dem Studium fertig war, boten ihm Plattenfirmen schon Jobs an.

Zunächst wirkte er mehr im Hintergrund als Produzent, Arrangeur, Sessionpianist aber auch als Songschreiber. Hier arbeitete er mit Aretha Franklin oder den Staple Singers ebenso zusammen wie mit Jerry Butler. Und er trat den Mayfield Singers bei, dem Backgroundchor, der bei den Studioterminen von Curtis Mayfields Impressions zum Einsatz kam. Mayfield gab Hathaway schon bald den Job als Hausproduzent bei seinem Label Curtom. Und 1969 veröffentlichte er auch seine erste Single. Im Duett mit June Conquest sang er „I Thank You Baby“.
Damit bekann aber auch seine Zeit als Solokünstler. Bei Atco kam als erste Single seine Klage über „The Ghetto“ heraus, das bis heute immer wieder als Samplingmaterial für zahllose Hiphopper herhalten muss. Mit dem Erfolg dieses Protestsongs ganz anderer Art war der Weg zum Album für ihn vorgezeichnet. Anfang 1970 erschien „Everything is Everything“. Und ein Jahr später dann das selbstbetitelte zweite Album. Und er nahm mit seiner früheren Klassenkameradin Roberta Flack gemeinsam „You‘ve Got A Friend“ auf, was nicht nur in die Top 10 der R&B Charts gelangte sondern auch zur Produktion eines ganzen Duo-Albums der beiden führte, die damit zum Traumpaar des Souls in den 70ern wurden. Mit „Where Is The Love“ kamen die beiden sogar bis auf Platz 5 in den „normalen“ Pop-Charts. Das Duett bekam einen Grammy und das Album wurde vergoldet.

Hathaway versuchte sich – wie schon Mayfield oder Isaac Hayes auch als Soundtrack-Komponist für Film und Fernsehen. Doch trotz der wachsenden Erfolges geriet seine Karriere ins Stocken. Grund waren schwere Depressionen, wegen denen er zeitweise in eine Klinik eingewiesen werden musste. Seine Stimmungsschwankungen zerstörten zeitweise auch die Partnerschaft mit Flack. Nachdem 1973 das Album „Extensions of A Man“ auf den Markt gekommen war, zog sich der Musiker für einige Jahre aus dem Rampenlicht zurück. Er trat jahrelang nur noch in kleinen Clubs auf. Und Studioaufnahmen kamen selten über das Demostatium hinaus. Erst 1977 konnte er das Verhältnis zu Flack kitten. Während er zeitweise das Krankenhaus verlassen hatte, nahmen sie „The Closer I Get To You“ auf, das für ihr Album „Blue Lights In The Basement“ bestimmt war. Damit erreichten die beiden 1978 zum zweiten Mal den ersten Platz der Charts. Und wieder gelang das Crossover in die Pophitparaden, wo immerhin Platz 2 gewonnen wurde. Klar, dass man den Erfolg fortsetzen wollte.

Die Sessions für ein zweites Duett-Album hatten schon begonnen, als am 13. Januar 1979 Hathaway tot auf dem Gehweg unterhalb seines Hotelfensters gefunden wurde. Er hatte sich aus dem 15. Stock gestürzt. Auch wenn es zeitweise Verschwörungstheorien gab, die die Meinung vertraten, der Musiker sei ermordet worden, geht man heute einhellig von Selbstmord aus. Immer stärker hatte sich Hathaway in einen Verfolgungswahn hineingesteigert. Irgendwann konnte er den Kampf mit seinen Dämonen nicht mehr weiter führen.
1980 erschien „Roberta Flack Featuring Donny Hathaway“, auf dem sich die beiden fertiggestellten Duette „Back Together Again“ und „You Are My Heaven“ finden. Beide wurden postum zu Hits.

Und Hathaway wurde zur Legende, seine unveröffentlichten Aufnahmen wurden über die Jahre hinweg auf diversen Boxsets Stück für Stück den Fans präsentiert. Ob eine Vollständigkeit hier inzwischen erreicht ist, das bleibt unklar. Ob sie überhaupt wünschenswert erscheint, muss man doch in Frage stellen, wenn man sich einige Aufnahmen auf der dritten CD der Box „Never My Love“ anhört. Der Perfektionist, der Stimmungen bis in die kleinsten Nuancen variieren konnte im Studio und auf der Bühne hätte solch unfertiges Rohmaterial niemals auch nur in die Nähe einer Plattenpresse gelangen lassen. Aber dieses Schicksal teilt Hathaway ja leider mit zahllosen Kollegen von Hendrix bis Winehouse.