Afrobeat oder Afro-Jazz: Die genaue Eingrenzung des Genres ist bei einem Album wie „Anarchy“ vollkommen überflüssig: Der seit 30 Jahren in der Londoner Szene aktive Nigerianer schreibt mit seiner Band frisch und tanzbar die von Fela Kuti über Tony Allen geschirebene Geschichte dieser Musik fort.
Manchmal muss man einfach die politische Geschichte in Erinnerung rufen, wenn man musikalische Phänomene verstehen will. Afrobeat ist schon von Beginn an eine zutiefst politische Musik. Und auch als in europäischen Ländern Musiker begannen, sich für die Musiken der Welt zu öffnen und mit ihnen zu experimentieren, geschah das aus einer politischen Haltung heraus. Gerade in Großbritannien führte die Politik etwa von Margret Thatcher musikalisch nicht nur zu Punk und seinen Nachfolgern. Der Beginn der Weltmusik fällt ebenso damit zusammen wie der Beginn der Globalisierung und der Kritik an der weltweiten Vorherrschaft globaler Unternehmen und Finanzkonglomerate. Ska, Afrobeat, Reggae,… in den Clubs von London entstand in den 80er Jahren daraus eine ganz eigene Melange.
Bucky Leo gehörte damals zur Band von Tony Allen. Doch der Saxophonist fand erst wirklich zu seiner eigenen Stimme, als er in den 90ern in Ägypten seine eigene Band Black Egypt gründete. Afrika blieb für ihn als Bezugspunkt immer wichtig. Und das hört man auch auf „Anarchy“. Ob er nun in Songs über das Straßenleben in London erzählt oder sich über die Unmöglichkeit der Kommunikation zwischen den Geschlechtern auslässt: Die Rhythmen Afrikas tragen die Songs, auch wenn sie auf dem Album munter mit karibischen Klängen, Cubanischen Einflüssen oder jazzigen Exkursionen angereichert sind. Und selbst Ausflüge in Richtung House funktionieren komischerweise prächtig. Aber das liegt einfach daran, dass „Anarchy“ eben eigentlich nicht gleichbedeutend ist mit Chaos sondern mit der unwahrscheinlichen Freiheit des Individuus, das sich einfach nicht mit Grenzen abfinden will.
„Anarchy“ ist die perfekte Platte, um sich an den vergangenen Sommer zu erinnern und dem anziehenden Winter protestierend und tanzend zu begegnen.
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