Da ist sie wieder, die gequält schreiende Gitarre. Anders Osborne ist unter den Gitarristen der Gegenwart eine absolute Ausnahmeerscheinung. Und als Songschreiber muss man ihn mittlerweile auch als einen der Besten überhaupt würdigen. Beispiel dafür ist etwa sein soeben bei Alligator erschienenes Album „Black Eye Galaxy“. Zwischen harten Bluesrockklängen, Akustiksoul und Folkausflügen, die an Neil Youngs Frühzeit erinnern breitet er hier sein Inneres ebenso aus wie seinen Blick auf die Welt überhaupt.
Die Musikszene von New Orleans ist seit Jahrhunderten ein einzigartiges Biotop. Hier vermischen sich – scheinbar konfliktfrei und auf jeden Fall äußerst inspirierend – Kulturen der verschiedensten Kontinente. Und es entsteht eine Musik, die man so nirgendwo anders auf der Welt hören kann. Was passiert, wenn ein Schwede in die Stadt am Mississippi kommt, zeigt das Leben von Songwriter und Gitarrist Anders Osborne.
„Ich bin im gelobten Land“, meint der 1966 als Sohn eines schwedischen Jazzschlagzeugers geborene Osborne. Heute spielt er mit der Creme der Musiker in Blues und Soul in aller Welt. Und er ist als Weißer bei Alligator Records unter Vertrag – durchaus ein Qualitätssiegel für jeden Bluesmusiker. Verglichen wird er mittlerweile mit Townes Van Zandt, Bruce Springsteen oder Van Morrison. Wie auch immer man zu solchen Labels stehen mag – sie zeigen an, wo die Messlatte liegt.
Und es sind vor allem die Live-Auftritte, die ihm eine Menge Fans weltweit verschafft haben: Kaum ein anderer Gitarrist zur Zeit (sehen wir mal von Buddy Guy ab), kann seine Solos derartig aus dem Instrument herausschreien lassen wie er. Und wer kommt schon auf die Idee, Slide-Spiel und Fingerpicking gleichzeitig auf einem Instrument zu präsentieren? Und das Ganze noch in einer offenen D-Stimmung des Instruments? (Diese Stimmung, so erzählt er, habe er erstmals auf dem „Blue“-Album von Joni Mitchell gehört und sich darin gleich zu Hause gefühlt. Und diese Stimmung macht auch einen großen Teil seines einzigartigen Gitarren-Sounds aus.) In seinem Spiel kann man Einflüsse von Ry Cooder und Robert Johnson ebenso hören wie von den Jazzlinien von Miles Davis oder John Coltrane.
Sein eigenes Debüt auf Platte hatte Osborne 1989. Und seither hat er wirklich fast sein ganzes Repertoire an Liedern selbst geschrieben. Auch wenn es oft andere waren, die mit seinen Liedern in die Hitparaden kamen. So stammen zwei Lieder von Keb Mo’s mit dem Grammy ausgezeichneten Albums Slow Down (1999) von ihm. Und Contry-Sänger Tim McGraw kam mit „Watch The Wind Blow By“ auf Platz 1 der Charts. Andere Künstler, die seine Lieder gecovert haben sind etwa [[Jonny Lang]], [[Tab Benoit]] oder Kim Carnes.
Geboren wurde Osborne in Uddevalla. Und da sein Vater als Jazzmusiker durch ganz Europa tourte und dort mit den verschiedensten Musikern zusammentraf, bekam Anders schon von Kindheit an die ganze Vielfalt der amerikansichen Musik zu hören: Jazz, Rhythm & Blues oder frühen Rock ’n‘ Roll, Aufnahmen von Bob Dylan ebenso wie von Miles Davis, Art Pepper oder Bill Haley. Als Teenager begann er dann Gitarre zu lernen, indem er sich Dylan, Neil Young, Jackson Browne oder Joni Mitchells Platten anhörte. Und er verliebte sich in den Gesangsstil von Ray Charles und Van Morrison. Aber erst als er den Blues von Robert Johnson und Aufnahmen afrikanischer Trommler entdeckte, passte für ihn das alles wirklich zusammen.
Irgendwann packte ihn die Wanderslust und so begann er mit 16 durch die Gegend zu reisen. Vier Jahre lang trampte er durch Europa, Nordafrika, Südostasien und den Mittleren Osten. Geld verdiente er mit Gelegenheitsjobs ebenso wie durch Straßenmusik oder sporadische Auftritte in Bars. Als Erntehelfer folgte er der Saison quer durch Europa. 1985 landete er schließlich in New Orleans. Von der Stadt hatte ihm sein Großvater – ein alter Segler – immer wilde Geschichten erzählt. Und hier fühlte er sich sofort zu Hause. Und so gehört er als Schwede mittlerweile zur Musik Stadt hinzu so wie auch The Meters oder die Neville Brothers.