Den Weg von der Verzweiflung hin zu einem neuen Optimismus im Leben beschreibt Anders Osborne mit seinem neuen Album „Black Eye Galaxy“. Die Songs an der Strecke sind mal harter Bluesrock und dann wieder sanfter Gospel. Eine textlich und musikalisch faszinierende Reise des in New Orleans wohnenden schwedischen Songwriters und Gitarristen.
Raus auf die Straße und nicht anhalten, bevor man nicht den perfekten Sonnenuntergang gefunden hat – diese Sehnsucht hat mich immer mal wieder gepackt. Und ich hab sie meist verdrängt. Zu groß die Angst davor, unterwegs verloren zu gehen, die Angst vor dem Absturz in die Bodenlosigkeit. Dass man auch in den eigenen vier Wänden versinken kann, dass die Dämonen einen oft in der heimischen Sicherheit überfallen können, das bedachte ich dabei nicht.
„Send Me A Friend“ ist ein Eröffnungssong, der einem gleich keine Wahl lässt: Hier ist entweder zuhören angesagt oder ausschalten. Denn nebenbei lässt sich dieses heftige Riffmonster nicht hören. Da stört es mit seiner Dringlichkeit, mit der Anders Osborne seine Bitte klar macht. Einsamkeit tut weh. Und so tut das Lied schon fast körpelich weh. Man sehnt sich nach Erlösung, fühlt die Schmerzen mit und folgt daher den verzerrten Gitarrenlinien gebannt, heult fast mit dem Sänger mit. „Mind of a Junkie“ mag ruhiger beginnen. Doch auch hier ist in jeder Note das Kaputte einer Welt zu hören. Es ist ein Chaos, was die Drogen anrichten. Es ist eine Kunst, dieses Chaos bewußt in ein Lied zu packen, die Hilflosigkeit, wenn der Körper irgendwann nicht mehr mitspielen will. „Lean On Me/Believe In You“ ist die erste Erlösung. Endlich die Verheißung, dass da jeman ist, bei dem man schwach sein kann, der trotz allem an einen glaubt. Das mag ein Mensch sein oder auch Gott. Doch wie schwarzer Teer hält es einen manchmal fest am Boden.
Es sind Songs wie Faustschläge oder aber wie ein sanftes Streicheln, die Osborne hier geschrieben hat. Vom wilden Bluesrockgewitter über seltsame Kreuzungen zwischen Neil Youngs schneidenden Gitarrenlinien mit den Harmoniewolken von Wes Montgomey bis hin zu scheinbar ganz einfachen folkigen Balladen. Selbst ein überlanges Stück wie der Titelsong, der in elf Minuten sich wandelt zu einer psychedelischen Klangwolke wirkt niemals gekünstelt oder konstruiert. Auch wenn man eigentlich nicht damit gerechnet hätte, mal wieder in Soundgefilde der frühen 70er Jahre einzutauchen.
Wenn dann das Album mit „Higher Ground“ sein Ende erreicht, entlässt einen Osborne mit dem Gefühl, einer Heilung beigewohnt zu haben. Heilung im körperlichen und vor allem im spirituellen Sinne. Kinderchor, Glocken und Streicher inklusive. Und zum Glück entlässt er uns nicht mit dem Gefühl, einem konstruierten „Konzeptalbum“ gelauscht zu haben. Auch wenn man diesen in Verruf gekommenen Begriff mit gutem Recht hier anbringen könnte. Vielleicht sollte man aber eher sagen: ein Songzyklus. Oder einfach: ein perfektes Album mit fast perfekten Songs. Anders Osborne ist mit „Black Eye Galaxy“ nach dem schon großartigen „American Patchwork“ erneut eine Steigerung gelungen, als Musiker und als Songschreiber. Das ist ein Album, das mit vollem Recht bei uns in der Liste der Alben des Jahres auftauchen dürfte.