Es war ein äußerst gemischtes Programm, was am letzten Tag des Internationalen Bluesfests in Eutin geboten wurde. Die Auftritte von Big Daddy Wilson, Jessy Martens und Zakiya Hooker bleiben jeder auf ihre Art in Erinnerung. Ein teils sehr persönlicher Report über eine bemerkenswerte Reise.
Wenn zum Leben eines Bluesman das ständige Unterwegssein gehört, dann sollte man sich auch als Fan und/oder Journalist dem nicht widersetzen. Und schließlich ist Eutin gerade mal 250 Kilometer von Greifswald entfernt und so nicht außer Reichweite.
Sonntagmorgen, kurz nach sieben Uhr. Der Greifswalder Bahnhof ist um diese Uhrzeit noch genauso verschlafen wie ich selbst. Und auch die nächsten Stationen (Stralsund, Rostock, Bad Kleinen) nehme ich nur in einem halbwachen Zustand zur Kenntnis. Erst langsam wächst die Freude darauf, nach etlichen Jahren mal wieder guten Blues live zu hören. Und außerdem ein Bild von einem Festival zu bekommen, dass seit Jahren schon auf der Wunschliste stand.
Eutin ist wirklich eine kleine Stadt – selbst für einen Greifswalder. Und so nimmt es nicht Wunder, dass man in weniger als fünf Minuten vom Bahnhof zum Markt kommt. Gegen Mittag herrscht dort die Stimmung nach einem durchgefeierten Volksfest. Nur langsam sammeln sich die ersten Fans vor der noch leeren Bühne, die Buden ringsum verkaufen Getränke, Speisen usw zu absolut fairen Preisen. Und wem das noch zu teuer ist, kann sich auch noch im Supermarkt direkt vor Ort versorgen. Und da es langsam wirklich heiß wird, ist ein Getränkevorrat nicht die schlechteste Idee.
Um zwölf geht dann das Programm los – recht gemächlich und dem Wetter angemessen spielen sich Gregor Hilden & Richie Arndt durch eigene Songs und gut abgehangene Klassiker. Technisch ist das sicherlich hervorragend. Doch bei mir springt der Funke irgendwie nicht über. Es fehlt das Feuer, die Leidenschaft, die für mich unbedingt zum Blues dazu gehört. Erst als
Auf Big Daddy Wilson hatte ich mich schon sehr gefreut. Besonders nachdem seine neueste Scheibe „Thumb A Ride“ hier angekommen war und prompt zu einer der Lieblingsscheiben des laufenden Jahres wurde. Was mich dann allerdings bei dem Auftritt Wilsons mit seinen beiden Gitarristen erwartete, haute mich fast um in seiner Intensität. Wilson ist schlicht und ergreifend einer der intensivsten Geschichtenerzähler, die in der Bluesszene Deutschlands zur Zeit unterwegs sind. Ob er Nummern von Vorbildern wie dem ebenso aus North Carolina stammenden Gary Davis („I Heard The Angels Sing“) zu einer Gospelpredigt umwandelte oder eigene Stücke interpretierte: Akustischen Blues wird man schwerlich nochmal so gut zu hören bekommen in diesem Jahr.
Wilson vermischt in seiner Musik den Blues mit einer ganz großen Menge Soul, mit Folk und Einflüssen aus der Songwriterszene. „Thumb A Ride“ ist dabei auch das Dokument seiner Reisen durch Europa mit seinen so verschiedenartigen Musikstilen. Aber vor allem ist es – ebenso wie schon das ebenfalls bei Ruf erschienene Vorgängeralbum „Love It The Key“ ein Werk, was das Leben eines zwischen Deutschland und seiner nordamerikansichen Heimat pendelnden Musikers thematisiert. Ganz großartig war in Eutin etwa „Stranger In My Hometown“ – oder das von den Neville Brothers stammende „Brother Blood“, wo Wilson und sein Trio die Wurzeln der Musik bis nach Afrika zurückverfolgten. In Sachen Intensität war gerade diese Nummer noch um Längen besser als die schon großartige Studioversion.
Wilsons Konzert war ein einziger und verdienter Triumph – was man nicht nur an den entrückten Blicken der Besucher sondern danach auch an der endlosen Schlange vor dem CD-Zelt ablesen konnte.
Die Meinung anwesender Musiker und Journalisten sehen für Martens noch eine große Karriere voraus. Es wäre ich auf jeden Fall zu gönnen. Doch ich warte mit meinem endgültigen Urteil noch ein wenig auf eine neue Studioplatte. Eine Rezension ihres Debüts von 2007 kommt in den nächsten Tagen.
wer dem Regen trotzte, konnte den eigentlichen Höhepunkt zumindest dieses letzten Festivaltages erleben.
Aber hier muss ich ein paar persönliche Rückblicke einfügen. Denn vielleicht war mein Erleben nicht ganz objektiv und von Vorstellungen und Erinnerungen geprägt. Es war in der elften Klasse, als ich erstmals ein Album von John Lee Hooker hörte, eine Live-Aufnahme von ihm allein mit seiner Gitarre in irgendeinem Club. Erst war ich etwas schockiert von dem scheinbar so simplen und archaischen Stil – schließlich waren meine Vorstellungen von Blues bislang hauptsächlich durch endlose Sessions im Freundeskreis und durch wenige andere Platten etwa von Stefan Diestelmann geprägt. Doch Hooker war anders. Und er war prägend in seinem Stil. Als er zu seinem letzten und bis zum Tode dauernden letzten Comeback ansetzte, da wartete ich immer auf neue Alben. Und wurde eigentlich nie enttäuscht. Oder nur von Liedern, die Carlos Santana mit ihm eingespielt hat. Die anderen Stars, die sich auf den Platten abwechselten, konnten immer von Hookers unnachahmlichen Boogie profitieren. Als ich dann von einem geplanten Auftritt Hookers in Luxemburg las, wohnte ich nicht so weit entfernt. Doch noch heute schmerzt mich die Tatsache, dass ich diese Reise aus Geldmangel niemals antreten konnte.
Als ich nach einem Interviewtermin mit Zakiya Hooker fragte, wusste ich nicht, ob jemals was draus werden könnte. Doch dann war alles plötzlich so einfach. Während auf der Bühne Jessy Martens mit ihren Jungens noch gewaltig rockte, spazierten wir zu zweit durch die Altstadt auf der Suche nach einer ruhigen Ecke. Und unterhielten uns – nicht als Frage-Antwort-Spiel von Journalist und Künstlerin. Sondern eher als Gespräch zwischen Menschen, die den Blues lieben. Neben Fragen zu ihren wenigen Alben, zur Arbeit ihrer Stiftung oder Tourneen ging es plötzlich auch um die persönlichen Erinnerungen des Fragenden an sein Leben mit dem Blues, um Plattenfirmen oder die Schwierigkeiten, den Blues ins Radio zu bekommen. Als wir zurück auf den Markt kamen, rockte sich Jessy grad durch „Summertime“ und löste damit Assoziationen zu Janis Joplin aus – die auch Hooker vor allem als Bluessängerin ansieht.
Okay – zurück vor die Bühne (nach einer ausführlichen Regenpause – langsam nervt das Wetter wirklich etwas. Zum Glück sind die Gaststätten am Markt da…) „Die Diva lässt sich wohl noch etwas bitten“, meint ein Besucher, als die Band ohne ihre Frontfrau das Konzert beginnt. Aber das ist für die nächsten zwei lieder eigentlich egal. Denn was die Gruppe – Chris James (Ollan Christopher Bell) und drei junge Argentinier – bietet, ist feinster Soul, mal groovend (Johnny Guitar Watsons „Tata“), mal schmeichelnd („100 Ways“) und erinnert mehr als ein wenig an Marvin Gaye oder Curtis Mayfield (mit dem James in seiner Jugend gemeinsam auf der Bühne und im Studio stand). Die Musikauswahl legte auch gleichzeitig das Programm für die nächsten Stunden fest: Ein Abend mit jeder Menge Blues, aber auch klassischem Rhythm & Blues, Jazz und Soul. Und das mit einer Spielfreude von den Musikern dargeboten, die nur noch vom Charme Zakiya Hookers und ihrem unbändigen Spaß an der Musik übertroffen wurde.
Auch wenn „Let The Good Times Roll“ nun wahrhaft nicht zu den selten gehörten Nummern gehört – als Eröffnung war es für Hookers Auftritt genau richtig. Egal ob sie sich im folgenden an Liedern von Robert Johnson, ihrem Vater oder auch mit eigenen Songs präsentierte – nicht nur mir wurde schnell klar, dass das einer der seltenen Momente war, wo einfach alles stimmte: EIne großartige Sängerin, eine hervorragend groovende Band – und ein Publikum, dass sich dankbar von der Musik mitnehmen ließ. Und sogar das Wetter wurde von Minute zu Minute besser. Dass Zakiya in Europa oder den USA noch nicht längst ein Superstar des Blues ist ist nach so einem Konzert wirklich nicht mehr zu verstehen. Wer die Chance hat, ihre jetzt noch folgenden Konzerte in Europa zu besuchen, sollte dies unbedingt nutzen. Mich hat ihr Auftritt jedenfalls so begeistert, dass mir selbst paar unbequeme Schlafstunden auf dem Lübecker Bahnhof nicht die Laune verderben konnten.