Ihr Lieben,

Das Wichtigste zum Schluss: Bei Ulrich Wickert jahrelang bis zur Kachelmann-Zäsur: "Das Wetter". Andere grüßen regelmäßig mit einem beherzten "Alles wird gut" oder "bleiben Sie behütet". Wohl nur vordergründige Lässigkeit in ihren Beziehungen signalisieren die ganz Jungen mit ihrem beiläufig dahin gesagten "…und Tschüß".

"Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh´n" singt Reinhard Mey in seinem Lied "Gute Nacht, Freunde". Und dann kommt noch einmal der ganze Dank, der nicht ungesagt bleiben darf. Letzte Worte, die vorher Unausgesprochenes ins Bewusstsein heben und es dadurch adeln. Übrigens: Ich danke dir. VORHANG. Ein starker Abgang. Schwieriger wird´s mit den letzten, den abschließenden Worten nach einem gar nicht angenehmen Vorher:
"…fordern wir Sie auf, nunmehr umgehend den ausstehenden Rechnungsbetrag auf das Konto XY bei der Z-Bank zu überweisen. Andernfalls sehen wir uns gezwungen, zur Wahrung unserer Ansprüche die Angelegenheit unserer Rechtsabteilung zu übergeben, wodurch Ihnen erhebliche Mehrkosten entstehen können….Mit freundlichen Grüßen…" Höflich ist er ja, der so schreibt, aber da passt doch einiges nicht recht zusammen. Ganz anders macht´s der Paulus. Der schreibt einen ziemlich heftigen Brief an die Gemeinde in Korinth, voll Zorn und Traurigkeit, er kennt ja seine Pappenheimer, äh Korinther. Und dann schließt er mit den Worten:

 

2. Korinther 13,11 – 13.

 

13,11 Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, laßt euch zurechtbringen, laßt euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.

13,12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuß. Es grüßen euch alle Heiligen.

13,13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

Die Zusammenfassung zum Schluss: Paulus will am Ende seines Briefes noch mal verdeutlichen, was er für die wichtigsten Punkte hält: Liebe, Frieden, Gnade und Gemeinschaft.

Paulus hatte immer so seine Probleme mit den Korinthern. Die hielten ihn irgendwann für langweilig und dass das alles nicht mehr so richtig zündet, was er da tut und sagt – dass es andere gäbe, die viel mehr Action in die Sache brächten und viel interessanter erzählten und überhaupt viel moderner wären. Und dass, wo er sich immer besonders um sie gesorgt hatte.

Man könnte glauben, diese Gemeinde sei in die pubertären Jahre gekommen und probte nun den ersten Aufstand. Wer Kinder hat, kennt das ja, da hat man sich über Jahre bemüht, seinen Kindern Grundkenntnisse des Lebens und andere Gepflogenheiten zu vermitteln – und eines Tages wird ihnen das alles zu nervig – sie proben den Aufstand, finden anderes und andere viel interessanter und moderner und minimieren auf meist unverschämte Weise was ihnen bisher zum Leben geholfen hat. Und dann geht’s rund: So lange du deine Füße unter meinen Tisch… Dann ziehe ich halt aus, ihr engt mich doch nur ein – und so verstaubte Ansichten kann ich einfach nicht mehr ertragen. Zack – und schon ist eine Beziehung in die Brüche gegangen. Aus lauter gegenseitiger Rechthaberei.

 

Der Apostel Paulus tobt nicht gegen das Verselbständigungsbestreben seiner Gemeinde in Korinth – nein, aber er gibt zu bedenken, er ruft auf, er weist hin und er zeigt einen begehbaren Weg: Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden!

So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. – freut euch, liebe Gemeinde, darüber, dass ihr die Botschaft von der Liebe Gottes, die jedem einzelnen gilt, vernommen habt und nun ganz anders leben könnt, – lasst euch zurechtbringen, denn niemand ist davor gefeit, von dem gottgewollten und menschenliebenden Weg abzukommen durch falsch Verstandenes oder falsch Interpretiertes, Hinweise und Rückrufe müssen möglich sein, – lasst euch mahnen, bestimmte Grundsätze nicht aus den Augen zu verlieren, es kommt nicht auf die Verpackung einer Sache an, sondern auf deren Inhalt. Macht so viele Events, wie ihr wollt, aber seht zu, dass euch nicht das Wesentliche aus dem Blick gerät.

Tragt Meinungsverschiedenheiten aus, aber verliert das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen, also behaltet einerlei Sinn und seht zu, dass bei allen Unterschieden der Frieden nicht in Gefahr gerät. So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein! Es läuft also nichts von selbst, sondern vor und hinter allem muss das Bemühen des Einzelnen und das Bemühen aller zusammen stehen. So wird in und unter euch wirksam, wozu Gott euch einlädt, – zu einem Leben in Liebe und in Frieden.

Und mittendrin: der Kuss! Man mag ja meinen: Die Küsserei hat im Gottesdienst nix verloren außer bei Hochzeiten. Aber nix da! Paulus spricht sogar vom „heiligen Kuss“, er hält es für wichtig, sich gegenseitig immer wieder der Nähe zu versichern. Und das geht eben nicht einfach mit einem belanglosen „Moin“ beim Begrüßen.

 

In den biblischen Büchern wird häufiger geküsst. Zunächst im Alten Testament sind es die Brüder Jakob und Esau, die mit einem Kuss ihren Streit beenden und sich versöhnen (1. Mose 33, 4). Dann küsst Josef seine Brüder, nachdem sie ihn wiedererkannt haben. Auch hier ist der Kuss das Zeichen für überwundene Feindschaft (1. Mose 45, 15). Später küsst Samuel Saul, als er ihn zum König salbte (1. Samuel 10, 1). Den Kuss der Liebenden besingt das Hohe Lied: "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes." (Hohelied 1, 2) In den Psalmen sind es Gerechtigkeit und Frieden, die sich küssen (Psalm 85, 11). Auch dieser bildhafte Gebrauch des Kusses zeigt, der Kuss ist ein Zeichen des überwundenen Streits und des Friedens.

Im Neuen Testament ist es zunächst Jesus, der den Wert des Kusses anerkennt. Im Gespräch mit einem Pharisäer bemängelt er, dieser habe ihn nicht geküsst, als er dessen Haus betrat. Dagegen lobt er ausdrücklich die als Sünderin bekannte Frau, die ihm zum Gruß die Füße küsste (Lukas 7, 36 – 50). Im Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt Jesus, dass der Vater den heimkehrenden Sohn umarmte und küsste (Lukas 15, 20). Jesus wusste aber auch, dass der Kuss zur Täuschung und zum Verrat eingesetzt werden kann (Lukas 22, 48). Der Judaskuss (Matthäus 26, 48) ist zum Zeichen hierfür geworden.

In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Gemeindeglieder in Ephesus Paulus zum Abschied um den Hals fielen und ihn küssten (Apostelgeschichte 20, 37). Er selbst hat viermal in seinen Briefen ermutigt, einander mit dem heiligen Kuss zu grüßen. Außer im heutigen Predigttext lesen wir diese Ermutigung auch im Römerbrief (Römer 16, 16), im 1. Korintherbrief (1. Korinther 16, 20) und im 1. Thessalonicherbrief (1. Thessalonicher 5, 26). Im 1. Petrusbrief heißt es zum Briefschluss: "Grüßt euch untereinander mit dem Kuss der Liebe." (1. Petrusbrief 5, 14)

Die Bibel zeigt den Kuss als ein Symbol der Kommunikation. Menschen küssen sich zur Begrüßung und zum Abschied. Manche Ausleger meinen, der Kuss hätte in biblischen Zeiten die gleiche Bedeutung gehabt wie bei uns heute der Handschlag. Doch der Kuss drückt eine intensivere Form der zwischenmenschlichen Begegnung aus. Abgesehen von dem kriminellen Fall der bewussten Täuschung zeigt der Kuss, hier zwischen den Menschen gibt es keinen Streit, hier wird in Frieden und in Liebe und in Versöhnung gelebt. Wer küsst, ehrt und anerkennt den geküssten Menschen. Diese Ehre und Anerkennung ist eine erste Stufe, um miteinander in Liebe und in Frieden zu leben. Wer küsst, liebt den geküssten Menschen.

Wenn der Kuss der Liebe vom Apostel Paulus ein heiliger Kuss genannt wird, ist dies eine schöne und zutreffende Bezeichnung. Als Kinder Gottes sind wir die Heiligen, die sich gegenseitig ihre Anerkennung und Wertschätzung durch den heiligen Kuss erweisen dürfen. In der christlichen Mystik gibt es die Vorstellung, der Heilige Geist sei der Kuss zwischen Gottvater und Gottsohn. Daraus folgt doch, mit dem heiligen Kuss sind wir eins mit Gott. Der heilige Kuss wird dann zum heilenden Kuss. Der heilige Kuss als der Kuss der Liebe heilt und versöhnt.

Fragen wir uns abschließen noch einmal, ob in der Kirche, in der Gemeinde und im Gottesdienst geküsst werden darf. Die Antwort finden wir ebenfalls in der Bibel, in den Sprüchen Salomos. Sie heißt: "Eine richtige Antwort ist wie ein lieblicher Kuss." (Sprüche 24, 26)

Schließlich endet Paulus seine guten Wünsche mit dem besten, was ein Christ einem anderen geben kann, dem Segen unseres Herrn Jesus Christus: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Und wir wollen hier gar nicht mehr weiter nachdenken und an diesem Segenswunsch herumklügeln… Wir wollen ihn nehmen als das, was er ist und was er bei uns dadurch wird, dass wir ihn mit einem offenen, einem gläubigen und empfänglichen Herzen aufnehmen: Eine gute Kraft, die uns beseelt und zum persönlichen Leben und zum Leben in unserer Christengemeinde hilft! Und wir wollen antworten: Ja, Herr Jesus, schenke uns deine Gnade, deine Liebe und deine Gemeinschaft.