LogoIhr Lieben,

das ist so eine typische Berg-Geschichte, die mit Jesus und seinen Jüngern. Es ist – hier wird’s theologisch oder eher religionsgeschichtlich – auf dem Berg, wo Gott nahe ist. Und es ist ein Höhepunkt im Leben der Jünger, als ihnen klar und deutlich vor Augen geführt wird, dass Jesus eben nicht nur einer der zahllosen Wanderprediger oder auch -propheten ist. Nein: In ihm kommt Gott uns ganz nahe. Der Nachteil von Berg-Geschichten: Danach geht’s erstmal gewaltig bergab. Die „Hochzeiten“ im Glauben dauern meist nicht wirklich lang.

Aber sie sind ebenso wichtig wie die Erlebnisse, die einen zu eigenen Entscheidungen treiben, Erlebnisse, mit denen etwas neues anfängt. Wie etwa die berühmte Geschichte von Mose und dem brennenden Dornbusch, die auch noch zu diesem Sonntag gehört:

2. Mose 03, 1-10.(11-14)

3,1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.

3,2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, daß der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.

3,3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.

3,4 Als aber der HERR sah, daß er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.

3,5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!

3,6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

3,7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.

3,8 Und ich bin herniedergefahren, daß ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.

3,9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,

3,10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

3,11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, daß ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?

3,12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, daß ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.

3,13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?

3,14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Ihr Lieben,

in jeder Religion gibt es diese eine Geschichte, dieses eine Ereigniss, mit dem alles eigentlich erst anfängt. Und die gleichzeitig alles wichtige über das Wesen dieser Religion aussagt.

Da ist etwa die Geschichte dieses reichen und verwöhnten indischen Prinzen, der eines Tages mal den Luxus und den Schutz seines Palastes verlässt. Draußen sieht er in geballter Macht das ganze Elend dieser Welt: ein gebrechlicher Greis begegnet ihm ebenso wie ein von Krankheit gezeichneter Mann. Und dann liegt auch noch ein verwesender Leichnam auf dem Weg, den er gehen will. „Alles Leben ist Leiden!“ meint der Prinz. Und weil das so ist, verzichtet Buddha bald drauf auf all seinen Reichtum und seine Privilegien. Als bettelnder Mönch kümmert er sich fortan um die leidenden Menschen, um ihnen durch eine neue Einstellung zum Leben zu helfen.

Das CHRISTENTUM hat als Urgeschichte die Geschichte von Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen, eine Geschichte der grundlegenden Befreiung der Menschheit durch Jesus und seinen himmlischen Vater von Sünde, Tod und Teufel.

Und am Beginn des Judentums steht diese eine Geschichte: Gott holt sich den Mose, weil er sein Volk aus der Sklaverei befreien will.

In den drei Religionen ist eines ähnlich: Gott – oder das Göttliche (schließlich hat der Buddhismus keinen Gott wie wir ihn verstehen) – will Menschen frei machen, will sie herauslösen aus Not und Elend. Aber – das Ganze funktioniert nicht als Selbstläufer. Es kommt drauf an, sich Gott zu nähern und anzuvertrauen.

Ganz am Anfang heißt es, dass Mose die Schafe seines Schwiegervaters über die Steppe hinaus trieb und dabei an den Berg Gottes, den Horeb – oder wie man ihn auch nannte: den Berg Sinai – gelangte. Mose trieb seine Herde eines Tages also über die Steppe hinaus in das Bergland hinauf. Im Sommer wird die Steppe dürr; dann wandern die Beduinen mit ihren Herden noch heute in jener Gegend ins Gebirge, wo noch Futter zu finden ist. Mose wird uns also als ein Mann vorgestellt, der seiner Arbeit gewissenhaft nachgeht. Doch da – mitten im Alltäglichen – erlebt er etwas Besonderes:

Er sieht einen Dornbusch brennen, wie es in der Steppe öfter einmal zu einem Brand kommt. Aber dieses Mal brennt nur ein Strauch, und das Merkwürdige ist: Er brennt zwar, aber er verbrennt nicht. Gemeint ist: Gott selber erscheint Mose im Dornbusch. Und Mose nimmt den Engel des HERRN, Gott selber im feurigen Busch wahr, geht nicht achtlos vorüber, sondern sagt: "Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt." Mose begreift die ungewöhnliche Erscheinung als ein Signal, und sogleich wird ihm eröffnet, wer dieses Signal aussandte: "Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: 'Mose, Mose!' Er antwortete: 'Hier bin ich!'"

Heute scheint es mir wichtig, dass unsere Gottesvorstellungen von eindeutigen Aussagen über Gott geprägt sind, denn die Menschen haben Zweifel, ob es sich lohnt mit Gott zu leben. So ist Gott für mich Liebe. Liebe, die fordert, – aber auch Liebe, die gewährt. Liebe, die mich trägt – aber die mich auch immer wieder in Anspruch nimmt oder in Frage stellt. Selbstverständlich möchte ich niemanden meine Vorstellungen von Gott aufzwingen oder aufdrängen. Und gerade dieses Aufdrängen des eigenen Gottesbildes an Andere ist für mich die Hauptursache, dass heute viele Menschen nicht zu Gott finden.

Ich lese immer wieder Geschichten der Bibel und frage danach, ob sie uns, ob sie mir etwas über Gott sagen können, was wir vielleicht suchen und was wir schon lange finden wollten. Unsere Geschichte aus dem Alten Testament ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich.

Wenn man die verschiedenen Ansätze der zahllosen Prediger, die über diesen Text immer wieder nachgedacht haben, liest, dann sind es ganz verschiedene Sachen, die ihnen wichtig sind. Für den einen Prediger ist wichtig: Der brennende Dornbusch will sagen: Du musst Abstand halten. Gott ist niemand, dem man sich zu sorglos und zu menschlich nähern kann. Gott ist nicht der Kumpel, so hab ich letztens über einen anderen Text die Sache formuliert. In der Geschichte bleibt Gott unnahbar und verborgen. Und diese Verborgenheit ist notwendig, damit der Mensch nicht falschen Bildern nachjagt.

Ein anderer betont: Gott begegnet dem Mose mitten im Alltag, als er die Herde durch die Steppe treibt. Das ist zugleich ein Zeichen von Gottes Lebendigkeit, überall auf den Menschen zuzukommen.

Ein Dritter sieht es so: Gott vergibt Aufträge – hier soll Mose das Volk aus Ägypten führen. Gott braucht uns Menschen und will uns einbinden in seine Geschichte mit uns.

Und auch das ist vielen wichtig: Gott geht zu Menschen, die uns eher suspekt sind. Ja, Mose flüchtete vor der ägyptischen Polizei in die trostlose Sinai-Wüste, weil er als Mörder untertauchen wollte. Ein schlichter Beduine wollte er sein. Aber Gott kann man nicht entrinnen. Er befreit diesen Mose von seiner Schuld und macht ihn darum zum Freiheitskämpfer.

Und dann noch einer der ganz großen Punkte: Mose will wissen, mit wem er es wirklich zu tun hat. Er will einen Namen haben, um Gott für andere deutlich zu benennen. Aber Gott gibt Mose nicht einen Namen wie Wotan, Zeus oder Jupiter. Den will Gott gar nicht haben, weil man diesen Namen auch nicht so gebrauchen kann wie üblich: "ich kenne da im Ministerium einen Mann namens N.N., der wird dir helfen." Ja man kann diesen Namen nicht zur Protektion gebrauchen oder sogar ausnutzen. Doch Gott entzieht sich dieser Bitte: Du brauchst den Namen nicht, sagt er durch die Blume. Du brauchst ihn nicht, denn ich bin da. Ich bin keiner, der weit weg ist. Zu meinem Wesen gehört es, dass ich in der Gegend bin, dass ich Dir hilfreich zur Seite stehe, dass ich dir die nötige Kraft gebe, die Du brauchst. Der Name des alttestamentlichen Gottes ist also ein Zuspruch und ein Trost. Der Name ist nicht wie bei den Griechen das "höchste und reinste seiende Wesen", sondern Gott ist für uns da, wenn wir ihn brauchen.

Alles Gute und wertvolle Gedanken! Aber nun möchte ich mich doch persönlich diesem Text nähern und da entdecke ich zwei Dinge, die für meine Vorstellung von Gott wichtig sind:

1. Mich berührt die Anrede an Mose: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, d.h. ich bin ein Gott der Geschichte, kein Gott der Idee und des Prinzips. Mit einem kurzen Satz wischt Gott das sogenannte "Höhere Wesen", das es doch nach der Meinung vieler Menschen geben muss, weg. Gott ist kein philosophisches Prinzip, keine Verbildlichung unserer Wünsche und Hoffnungen, keine Widerspiegelung unseres Unbewussten. Gott ist ein Gott der Geschichte, der Gott Abrahams, Jakobs, Isaaks. Und diese Geschichte kannte Mose. Gott hat sich erwiesen als der Lebendige, der handelt. Gott ist ein Geschehen. Gott gibt es nicht wie einen Gegenstand, dieser Gott geschieht und handelt, indem wir nach seinem Wort handeln. Weil er solch ein Gott ist, kann ich ihn nicht greifen und nicht über ihn verfügen. Dieses Gottesbild hat für mich weiteichende Folgen. Dieser Gott lässt sich nicht einfangen in Formeln und Formen, wir können ihn nicht haben, er ist auch nicht automatisch in jeder "Kirche drin".

Er ist da, wo Menschen versuchen, seine Worte in ihrem Leben als Richtschnur zu nehmen. Da geschieht Gott, da ereignet er sich auch heute. Deshalb spreche ich von Gott am liebsten in Bildern und Gleichnissen, weil auf der einen Seite kein Bild diesen ganzen Gott widerspiegeln kann, aber auch, weil kein Bild ausreicht, um zu beschreiben, dass Gott geschieht. So ist für mich die Anrede an Mose ein wirklicher Grundstein für meine Gottesvorstellung. Und darum ist mir dieser Satz so wichtig. Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, denn auch ich stehe in der Reihe der Zeugen dieses Gottes.

2. Gott ist einer, der sich kümmert. „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen! Ich habe ihr Geschrei in der Knechtschaft gehört. Ich fühle mit dem Leiden mit. Und dann: ich will mein Volk erretten, ich will ihm ein Land geben, in dem Milch und Honig fließen.“ Auch Gott redet in Bildern und das macht ihn mir so sympathisch und so den Menschen zugewandt. Gott braucht keine wissenschaftlichen Formeln, um begriffen zu werden. "Ein Land in dem Milch und Honig fließt", das haben Mose und das Volk verstanden. Gott geschieht – das hatte ich als Gottesvorstellung herausgearbeitet – aber er geschieht natürlich in seiner menschensuchenden, und menschenliebenden Weise. Dies allein ist für mich der Hinweis für den wahrhaftig menschlichen Gott ist. Gott ist Liebe – hier erleben wir, wie die Liebe zu seinem Volk ihn dazu treibt. Ich bin euer Gott – ich habe euch Gebote gegeben, ich bin euch gnädig und ich bin und werde für euch da sein, denn ich sehe das Elend der Menschen.

Dieser Gott, der uns fordert, aber auch unsere Angst und Not beenden will. Dieser Gott, der sich nicht fassen lässt in ein einziges Bild, dieser lebendige, ja feurige Gott, auf den kann ich mich einlassen. Wenn ich den Mut dazu habe, mich wirklich lieben zu lassen. Und wenn ich den Mut dazu habe, aus dieser Liebe zu leben.

Amen.