Was ist das eigentlich mit Ostern? Predigt vom 15. April 2007

Text: Lukas 24, 13-35

Ihr Lieben,

was ist das eigentlich mit Ostern? Manche Theologen schreiben endlose Aufsätze darüber, warum das Grab gar nicht leer gewesen sein könne. Andere – und sie nennen sich sogar noch Christen – versuchen gar zu beweisen, daß es die Aufestehung gar nicht gegeben habe. Davon bekommt man bloß Kopfschmerzen und keine richtig neuen Erkenntnisse, mit denen man was anfangen könnte. So geht es mir jedenfalls damit.

Doch da bin ich mir ganz sicher: an der Auferstehung kommen wir nicht vorbei. Auch wenn es so gar nicht logisch und wissenschaftlich zu fassen ist. Hier entscheidet sich alles.

Doch um das zu kapieren, braucht es oft lange Gespräche – oder ein gemeinsames Essen, – und der Anstoß muß von außen kommen – wie die Geschichte aus dem 24. Kapitel des Lukasevangeliums erzählt, die ich für den Gottesdienst heute heraus gesucht habe.

Lk 24, 13-35
24,13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.
24,14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
24,15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.
24,16 Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie ihn nicht erkannten.
24,17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.
24,18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
24,19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm:
Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;
24,20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben.
24,21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, daß dies geschehen ist.
24,22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die
sind früh bei dem Grab gewesen,

24,23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe.
24,24 Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
24,25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!
24,26 Mußte nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?
24,27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
24,28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.
24,29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
24,30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen.
24,31 Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.
24,32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
24,33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;
24,34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.
24,35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.

Es ist ja nun nicht erst heute so, daß sich die Pfarrer gerne um das Thema „Auferstehung" herum drücken wollten. Ein Pfarrer soll zur Zeit der Aufklärung mal folgendes über den Text gepredigt haben:
Zwei Jünger gingen nach Emmaus – nicht einer, nicht drei, nein zwei Jünger gingen nach Emmaus. Zwei Jünger gingen nach Emmaus, sie schlichen nicht, sie rannten nicht, nein zwei Jünger gingen nach Emmaus. Zwei Jünger gingen nach Emmaus, sie gingen nicht nach Jericho, sie gingen nicht nach Bethlehem, nein zwei Jünger gingen nach Emmaus. AMEN

Nicht wirklich hilfreich – doch jedes Mal, wenn ich über den Text nachdenke, fällt mir das wieder ein. Und dann fallen mir noch andere Predigten über den Text ein, die ebenso schlimm waren. So wurde etwa der Text als theologische Begründung für die Nützlichkeit von Osterspaziergängen im speziellen und dem Sonntagsspaziergang überhaupt heran gezogen. Also mit so einer Theologie komme ich nicht zu Rande. Das ist mir zu abgehoben, zu hirnrissig – und hat mit Ostern nun wirklich nichts mehr zu tun. Doch wie soll man erklären, was Ostern bedeutet? Wie soll man ein Ereignis erläutern, was völlig aus dem Rahmen fällt, was jenseits aller theoretischen Vernunft steht? Wie soll ich deutlich machen, wie das mit der Auferstehung von den Toten ist, wie wichtig das für mich und für uns alle ist? Mit gelehrten Worten oder theologischen Abhandlungen funktioniert das nicht. Ostern kann man eigentlich nur erzählen.

Und so haben auch die ersten Christen einander Geschichten erzählt. Geschichten, wie Jesus trotz seines für alle sichtbaren Todes am Kreuz ihnen wieder begegnete. Und wie sich durch diese Begegnung ihr Leben veränderte.

Die Ostergeschichten im Neuen Testament zeigen, wie verschieden sie auf das eigentlich Unfassbare reagierten. Sie flohen und sagten keinem ein Wort, heißt im Markusevangelium von den Frauen, die früh das leere Grab fanden. Sie flohen, denn sie fürchteten sich. Und Thomas: von dem berichtet Johannes, dass er die Erzählungen der anderen nicht glauben konnte. Er musste sich selbst überzeugen mit Augen, Ohren und Händen, um die Auferstehung Jesu von den Toten anzuerkennen.

Und dann die zwei Jünger, von denen bei Lukas die Rede ist: Sie machen sich auf den Weg zurück nach Jerusalem, nach dem ihnen Jesus begegnete und sie ihn erkannten. Angst und Flucht, Unglaube und übersprudelnde Freude, die einen in Bewegung setzt, die sich anderen mitteilen möchte. So reagieren Christen auf das Wunder der Auferstehung.

Doch die Emmausjünger müssen so wie die anderen Osterzeugen erst einmal kapieren, was eigentlich geschehen ist. „Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloß? So fragen die Jünger einander, nachdem der ihnen zunächst Fremde das Brot genommen, es gesegnet, gebrochen und ihnen gegeben hatte. Allein daran haben sie erkannt: Der Fremde, der auf dem Weg zwischen Jerusalem und Emmaus gelehrt mit ihnen über die Heilige Schrift geredet hat, dass ist kein Fremder. Hier begegnet uns Christus. Er ist nicht mehr im Grab, er ist uns über den Tod hinaus ganz nahe gekommen. Die Gemeinschaft mit ihm am Tisch, das öffnet ihnen die Augen. Das lässt sie erst richtig verstehen, was er auf dem Weg zu ihnen über Leiden und Sterben in der Bibel erklärt hat. Für Gott ist der Tod nicht das Ende, die Trauer soll für uns nicht das letzte Wort haben.

Nicht Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sollen bei uns herrschen, sondern Freude und Zuversicht. Den zwei Jüngern gehen die Augen auf, und die Begegnung mit Jesus setzt ihre Herzen in Brand. „Er öffnete die Schriften für uns", sagen die Jünger. Die Schriften, die Bibel, das sollen nicht alte und verstaubte Texte sein, sondern Worte, die auch über die Jahrhunderte hinweg immer wieder zu uns sprechen wollen. Doch es ist wichtig, dass sie „geöffnet" werden für uns, dass uns jemand erklärt, wie wichtig und hilfreich sie heute für uns sein können. Wir brauchen – und das gilt für Christen wie für Menschen, die noch auf der Suche sind, Menschen, die uns dabei helfen.

Denn dann können die alten Worte hier und heute Gedanken und Gefühle in die richtige Ordnung bringen, die in Verwirrung geraten sind. Denn die beiden Jünger sind völlig durch den Wind, als sie sich auf den Weg nach Emmaus machten. Erst müssen sie miterleben, dass Jesus gefangen und hingerichtet wird anstatt groß und machtvoll in Jerusalem Gottes Reich aufzurichten. Niederlage und Tod statt eines großartigen Machterweises Gottes in der Welt. Das hatten sie nicht erwartet, das brachte ihr Weltbild ins Wanken. Und dann auch noch das: als wollten sich Menschen über ihre Trauer und ihr Unverständnis lustig machen fangen einzelne an zu erzählen, Jesus wäre gar nicht tot. Da hört sich denn doch wohl alles auf. Das können sie nicht mehr ertragen. Sie ziehen los, weg aus Jerusalem, zurück in ihre Heimat nach Emmaus. Man könnte fast sagen: sie fliehen, weil ihnen alles zuviel wird, weil sie glauben, dass alles nur ein Irrtum war, dem sie angehangen haben. Doch auf dem Weg bleiben sie nicht allein mit ihrer Trauer und ihren Gedanken. Er, Jesus selbst, schließt sich ihnen an, lässt sie nicht allein.

Er hört zu, lässt sie sich den Frust von der Seele reden. Und er erklärt ihnen das Erlebte im Blick auf die Heilige Schrift: Das was ihr erlebt habt, das was euch traurig und verwirrt gemacht habt, das ist nicht ein Fehler in Gottes Plan. Nein: genau so muss es sein. Ihr seid traurig, weil ihr es nicht verstehen könnt, was eigentlich passiert ist. Ihr flieht vor etwas, weil ihr euch unverstanden fühlt. Und doch: Wenn ihr euch die Bibel richtig anschaut, dann würdet ihr erkennen, dass genau so Gottes Reich anfängt.

Es ist gut jemanden zu haben, der zuhört und mit Rat und Erklärungen da ist, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Es erleichtert, wenn ich mir allen Ärger, alles nicht Verstandene, alle Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit von der Seele reden kann. Und manchmal hilft es auch, wenn der dann auch sagt: Moment mal, Raimund – hier urteilst du vorschnell. Schau doch mal genauer hin!

Für die zwei Jünger ist der Weg nach Emmaus ein Weg nicht nur zurück in die alte Heimat, sondern auch ein Weg, die Vergangenheit neu zu betrachten, sie anzusehen im Licht der Bibel. Und damit schon ein Weg, auf dem der Schmerz und die Trauer nachließen. „Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloß?

Im Rückblick, nachdem sie Jesus beim Mahl als den Auferstandenen erkannt hatten, sehen die beiden die Begegnung neu. Plötzlich wird ihnen das, was Jesus ihnen theoretisch sagte, durch die einfachen Gesten beim Mahl wirklich verständlich, wird die gelehrte Theologie im Lichte der Mahlgemeinschaft erst richtig deutlich.

Brannte uns nicht das Herz – schon auf dem Weg, so erkennen sie, begann die Veränderung ihres Blicks, schon dort begann ihnen ein Licht aufzugehen. Nur hatten sie es da noch nicht völlig kapiert. Die Begegnung mit Jesus aber, so erfahren sie, hat sie aus der Trauer und Resignation neu entflammt.

Was ihr Herz entflammt hat, das sind nicht sie selbst ihre eigene Fähigkeit zu sehen, zu merken, zu fühlen und wahrzunehmen. Sondern es ist gerade das, dass ein anderer Mensch zu ihnen spricht und ihnen erklärt, was für sie wie ein Rätsel ist. Da kommt einer und schenkt ihnen seine Zeit und sein Wissen, um ihnen auseinander zu setzen, was ihnen unklar ist. Einer kommt und interessiert sich für mich, für das, was mir durch den Kopf geht, was ich erlebt habe, womit ich Probleme habe. Und das setzt etwas Neues in Gang.

Es sind also nicht die Jünger selbst, die den Brand in ihren Herzen verursachen. Sondern es ist der, der zu ihnen spricht auf dem Wege. Und genau dies, die Herzen in Brand setzen, ist das, was Jesu Auferstehung bedeutet.

Plötzlich ist das Alte, die Trauer, das Grübeln über verpasste Gelegenheiten, das Rätseln um die Zukunft nicht mehr wichtig. Wichtig ist den beiden jetzt nur noch, dass Jesus auferstanden ist. Das muss unter die Leute, das können sie nicht für sich behalten. Wenn Jesus nicht mehr Tod ist, dann ist auch der Auftrag Jesu an seine Jünger zur Nachfolge nicht mehr hinfällig, dann geht die Geschichte mit ihm weiter.

Jesus ist nicht mehr tot. Gott hat ihn auferweckt. Und wir sollen das weitersagen.

Amen.