Ihr Lieben,

geht nicht – gibt’s nicht? Wenn mir jemand mit diesem Spruch kommt, um meine Bedenken auszuräumen, dann werde ich sauer. Ich weiß doch so ziemlich genau, was ich schaffen kann. Und auch, was ich bestimmt nicht kann.

Geht nicht – gibt’s nicht! Oder auch: nichts ist unmöglich – überall wird uns das gesagt. Wer sagt: geht nicht, will eigentlich nur sagen: ich will nicht, ich kann nicht….

Doch wie ist das eigentlich?

 

 

Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. So steht es im 18. Kapitel des Lukasevangeliums. Und dieser Spruch wurde für das neue Jahr als Losung gefunden. Ein Spruch, der das ganze menschliche Unmöglichkeitsgerede in einen neuen Rahmen rückt: Natürlich ist nicht alles möglich. Natürlich haben wir Grenzen – doch das sollte uns nicht mutlos machen. Wenn Du was nicht kannst – bei und für Gott gelten diese Grenzen nicht.

Doch ich glaub, ich muss ein wenig ausholen. Denn der Satz allein bringt nicht die ganze Brisanz von Jesu Wort zur Aussage. Denn Jesus sagt ihn zu seinen Jüngern am Schluss von folgender Geschichte:

 

  1. Und es fragte ihn ein Oberster und sprach: Guter Lehrer, was muß ich getan haben, um ewiges Leben zu erben?
    (19) Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut, als nur einer, Gott.
    (20) Die Gebote weißt du: `Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsches Zeugnis geben; ehre deinen Vater und deine Mutter.
    (21) Er aber sprach: Dies alles habe ich befolgt von meiner Jugend an.
    (22) Als aber Jesus dies hörte, sprach er zu ihm: Eins fehlt dir noch: verkaufe alles, was du hast, und verteile es an die Armen, und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben, und komm, folge mir nach!
    (23) Als er aber dies hörte, wurde er sehr betrübt, denn er war sehr reich.
    (24) Als aber Jesus sah, daß er sehr betrübt wurde, sprach er: Wie schwer werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes kommen!
    (25) Denn es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr eingeht, als daß ein Reicher in das Reich Gottes kommt.
    (26) Es sprachen aber, die es hörten: Und wer kann [dann] errettet werden?
    (27) Er aber sprach: Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott.

     

Eine der unbequemsten Geschichten ist das für mich. Denn man muss sich das mal vor Augen halten: Da ist einer, der macht sich wirklich einen Kopf nicht nur um sein Leben hier, sondern auch darum, wie er vor Gott da steht.

 

Der kommt und fragt nach: was muss ich tun, damit ich wirklich sicher sein kann?

 

Und dann das: Es reicht nicht, was du dir so vorgenommen hast. Die Gebote? Schön und Gut – das bringts nicht, da fehlt dir noch was. Und Jesus macht deutlich: es ist keine Kleinigkeit, was dir fehlt. Es nicht einfach ein Gebet mehr am Tag oder ein Zehner mehr für die Armen. Nein: Wenn Du dich wirklich auf Gott einlassen willst, dann musst Du dein ganzes bisheriges Leben einfach hinter dir lassen können. Dann muss dir alles so wenig wertvoll erscheinen, dass Du auch sämtlichen Besitz wegschenken kannst. Dann und nur dann, bist du wirklich in der Lage, mit Jesus auf dem Weg zu Gott zu sein.

 

 

Ich mag den Dichter Christian Morgenstern. In seinen Galgenliedern findet sich auch ein Gedicht, was auf diese Passage Bezug nimmt:

Die Probe

Zu einem seltsamen Versuch
Erstand ich mir ein Nadelbuch.

Und zu dem Buch ein altes zwar
doch äußerst kühnes Dromedar.

Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.

Drauf Petrus sprach: „Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht

durchs Nadelöhr, als du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!"

Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,

ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.

Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!

Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als „Wehe mir!"

 

Wehe mir!
Auch wenn wir unterschiedlich reich sind und vielleicht sogar so ernsthaft bemüht, wie der fragende reiche Mensch, komme ich um die Erkenntnis nicht herum, dass diese Aussage mir gilt. Wie eindeutig bin ich in der Nachfolge. Kann ich alles verkaufen und nur aus dem Vertrauen leben dass Gott mich erhalten wird? Warum überhaupt hat es der Reiche so schwer?

Ich denke, das Schlüsselwort heißt Vertrauen.
Wir leben in der Regel aus unseren Sicherungssystemen heraus. Sie sind mehr oder weniger gut ausgebaut. Das Vertrauen darauf, dass ich richtig handle, nach den Geboten lebe, dass ich geachtet bin, meinen Platz in der Gesellschaft habe, dass ich ein Guter bin und natürlich, dass ich für mich und meine Familie sorgen kann, dass ich etwas für das Alter und für ein Dach über dem Kopf zurückgelegt habe, dass ich eine ordentliche Versicherung habe, die mich im Zweifelsfall schützt usw. Kann ich das aufgeben und beginnt Nachfolge erst an der Stelle, wo ich das alles aufgebe? Hier gerate ich an Grenzen.

In der Geschichte endet diese Begegnung damit, dass der Mann traurig wird, sich abwendet und fortgeht. Wie schade! Er kann nicht Ja sagen zu Jesus, so wie Jesus zu ihm Ja sagt. Wie kommt das? Er war "überaus reich", so heißt es hier. Er hatte viele Güter. Das gibt es also: Etwas ganz Bestimmtes in unserm Leben, an dem wir so sehr hängen, dass wir es auch im schönsten und besten Augenblick, wo die Türe zum ewigen Leben aufgeht, nicht loslassen und uns nicht davon trennen können. Dann geht die Türe zu, und alles ist wieder verschlossen.

 

Liebe Gemeinde,

es braucht nicht das Geld zu sein, ohne das man nicht leben zu können meint. Es kann auch etwas anderes sein. Es kann auch etwas Schönes sein, etwas Gutes, z. B. ein Lieblingsgedanke, vielleicht sogar eine fromme Eigenschaft, von der man nicht loskommt. Es kann ebenso eine theologische Idee sein, in die man ganz verliebt bist; es kann auch eine bestimmte Bewegung, eine kirchliche Richtung oder eine politische Partei sein, von deren Ziele ein Mensch so begeistert ist, dass er sich nichts anderes vorstellen kann. Was es auch immer sein mag – ich denke, jede und jeder von uns kennt in seinem Leben mindestens einen Punkt, ohne den er oder sie nicht leben möchte. Was habe ich für eine Lieblingsidee, von der ich ganz eingenommen und gefangen bin?

 

In der Predigtgeschichte ist es das Geld. Und es wird bei uns allen immer wieder das Geld sein, an das wir gebunden sind. Wir brauchen dabei nicht an bösartige reiche Leute oder an die oft schlimme Wirkung des Reichtums zu denken. Natürlich gibt es Menschen, die einfach dadurch, dass sie begütert sind, innerlich satt, hart und oberflächlich sind und sich dadurch gegen andere Menschen völlig abschotten. Sie verlieren die Fähigkeit, nach etwas Höherem zu trachten und sich an andere Menschen hinzugeben.

 

Dieser reiche Mann hier im Evangelium ist jedoch keiner von dieser Sorte. Im Gegenteil: Obwohl er sehr begütert war, trug er in sich ein Suchen und Verlangen nach dem Höchsten. Er fragt nach dem Leben bei Gott, nach dem ewigen Leben. Sonst hätte er wohl kaum Jesus angeredet, um von ihm den Weg zu erfahren, der dorthin führt. Er weiß offenbar, wie vergänglich alle irdischen Güter sind. Eines Tages kommt der Tod (und der kommt immer zu früh!), und dann – was hilft einem dann all das Geld und Gut? Dieser Gedanke treibt den einflussreichen und begüterten Menschen zu Jesus. Der HERR und Lehrer soll ihm weiterhelfen.

 

Aber dieser Mann kennt Gott – zumindest ansatzweise. Er ist in die Unterweisung gegangen. Er hat die Gebote dieses Gottes vor Augen, und er hält sich an sie. Deshalb kann der reiche Mann auch antworten: "Diese Gebote habe ich von Jugend an alle befolgt." Dennoch ist er nicht auf dem rechten Wege. Merkwürdig! Da stimmt etwas nicht. Hat er sie wirklich alle gehalten, die Gebote Gottes?

 

Liebe Gemeinde,

mit dem Halten der Gebote ist nicht das gemeint, was wir vielleicht zunächst denken möchten: Tue das, tue jenes, dann wirst du ein guter Mensch werden und kommst in das ewige Leben! Nein, das wollen sie nicht zum Ausdruck bringen. Sie sagen und meinen etwas anderes, nämlich: Lass Gott in deinem Leben gelten! Dann wird alles gut: Dann bekommst du Anteil an seiner Güte und darfst selber das Gute tun! Das wollen alle Gebote sagen und nur das!

 

Dein ganzes Leben wird neu, wenn du ihn, den ewigen Gott, über dich und in dein Leben hinein kommen lässt. Dann musst du nicht mehr die Ehe brechen; du musst als Mann nicht mehr mit gierigen Augen nach den Frauen schauen. Dann brauchst auch nicht mehr zu stehlen; du musst nicht mehr an dich raffen, was anderen gehört. Dann kannst du Vater und Mutter ehren; du kannst in rechter Weise leben mit deinen nächsten Angehörigen im Hause als ein freies Kind des Vaters. Dann! Ist es nicht so?

 

Doch dann kommt es an den Tag. Hier ist der Punkt, an dem sich alles entscheidet. Ja, da steht er nun, dieser arme reiche Mann. Und der Reichtum steht ihm im Weg. "Eines fehlt dir noch!"… Hört er es denn nicht, wie es ihm Jesus noch einmal auf den Kopf zu sagt: Dir steht noch was im Weg. In Wahrheit hast Du dich noch gar nicht wirklich auf Gott eingelassen. Du Lass doch den Vater im Himmel über dich kommen – ihn mit seiner ganzen Güte und Liebe! Du kannst dann zwar nicht mehr an deinem Gelde hängen. Aber was macht das? Was sind schon alle deine Güter gegen die Güte Gottes? Ja, das liebe Geld! Nicht umsonst heißt es im Volksmund: Geld regiert die Welt. Dennoch: Lass es jetzt los! Lass es hinter dir! Werde frei! Werde ein Kind des Vaters! "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht ins Himmelreich eingehen!", sagt Jesus in anderem Zusammenhang.

 

Es gilt nach wie vor: Man kann nicht Gott dienen und dem Reichtum! Aber der begüterte Mann kommt nicht los vom Geld. Er geht traurig zur Seite. Jesus sagt: "Wie schwer haben es doch die Besitzenden, in die neue Welt Gottes zu kommen! Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in Gottes neue Welt."

 

Liebe Gemeinde!

 

Jesus meint das ganz wörtlich, so wie es dasteht. Wir dürfen dieses Wort nicht abschwächen. Viele Theologen haben es leider versucht, die Sache mit dem Nadelöhr zu verharmlosen, weil sie immer wieder erst als Letzte verstehen, was Jesus sagen will. Jesus will wirklich dieses sagen: Eher geschieht es, dass ein Kamel durch das kleine Loch einer Nadel hindurchgeht, als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt. Die Jünger hören und verstehen es so und fragen entsetzt: "Wer kann dann überhaupt gerettet werden?" Und Jesus antwortet: "Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist für Gott möglich."

 

Schauen wir uns um, liebe Gemeinde: Wo gibt es einen Menschen, der nicht fest hängt an dem, was er hat und was er ist, und was er unter keinen Umständen loslassen kann oder will? Wo gibt es unter uns einen, der nicht "reich" ist in irdischen Dingen?

 

Von uns Menschen aus ist es unmöglich, Gott einen Schritt näher zu kommen! Aber was bei den Menschen unmöglich ist, das ist möglich bei Gott!