Ein Phänomen bleibt. Denkt man an Jazz, denkt man an Keller, Clubs und Bars. Meist verraucht, oft überfüllt, mit schlechter Luft und viel Bier. Doch dann erklingen die ersten Töne, und schnell wird klar, diese Musik muss heraus. Sie ist eine ernstzunehmende Konzertliteratur und kann seine ganze Vielfalt und Komplexität erst im klassischen Ambiente zeigen.
Ein Aufruf
So paradox es klingt. Ein gewisses Maß an Konservatismus ist vonnöten, aus einer coolen Mugge, eine ernstzunehmende Musikrichtung zu machen.
Zwei Gründe sprechen für diese Veränderung:
Viele Jazzmusiker spielen für so wenig Gage, dass sie sich nicht davon ernähren können. Sie müssen anderen Beschäftigungen nachgehen. Der Jazz verliert wichtige Künstler an Mainstreampop oder Musikschulen. Im Gegensatz zur Klassik gibt es bei Jazzmusikern wenig bis keine festen Stellen. Auch die Gagen sind im Keller. Bei Konzerten in Sälen sind wesentlich höhere Eintrittsgelder möglich und akzeptiert.
Und dann haben wir noch den zweiten Grund. Die typischen Konzertbesucher werden nur sehr selten in irgendwelche Keller oder Bars gehen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das sogenannte gutbürgerliche Kulturpublikum in „ihren“ Konzertsälen Jazz als andere Art des klassischen Konzertes akzeptiert und ihm dadurch verhilft, eine noch größere gesellschaftliche Akzeptanz zu erzielen.
Ja, die Akzeptanz ist da, aber nur für die Musik, nicht aber für den Musiker. Immer wieder werden sie gefragt, was sie ansonsten machen. Jazz gilt immer noch als Liebhaberei und interessantes Hobby. Doch der Anspruch an die Musik ist viel zu hoch, als dass sie nur dilettantisch betrieben werden kann. Der Jazz ist im Keller, wenn wir ihn nicht bald zur Klassik erheben.
Gut gebrüllt Matthias – trotz allem muß der Jazz zurück in die Clubs. Nur welcher Betreiber hat den Mut Jazzer auftreten zu lassen, wenn er nicht subventioniert wird. Ich wünsche mir, daß von dem Geld das für die E Musik zur Verfügung steht ein Teil in die Clubförderung umgeleitet wird. Das ist kein Aufruf zur Schließung der Opernhäuser, es ist ein Aufruf lebende Musik zu fördern.
Natürlich hast Du Recht: Der Jazz – gerade wenn es nicht um Dixieland für den Frühschoppen oder Swing für den Tanzabend geht – braucht die große Bühne. Doch was er mindestens genauso braucht, ist eine angemessene Würdigung in den Medien. Und die funktioniert leider an den Stellen kaum, wenn Musiker und Journalisten immer wieder mit den großen Begriffskeulen „Kunst“ oder gar „Avantgarde“ um sich schlagen. Das schreckt diejenigen zuverlässig ab, die eh schon vor Jazz zurückschrecken (Das ist zu kompliziert, das verstehe ich nicht – letztlich ist das doch nur unorganisierter Krawall).
Ebenso gut wie im Klassiktempel kann Jazz nämtlich auch auf den großen Festivals stattfinden. Bands wie die Stimulators aus München etwa verkaufen ihre Musik als Rock, Ska oder was auch immer – aber eigentlich sind sie eine ganz großartige Jazzband. Und deren Musik könnte die Philharmonie ganz gewaltig zerlegen. Dazu muss man tanzen können, sich bewegen und nicht nur im bequemen Sessel sich berieseln lassen.
Die Clubcultur – wenn man mal von Großstädten wie Berlin, Hamburg,… absieht, liegt gewaltig am Boden. Und es geht nicht nur um Jazz – selbst Rock- oder Bluesbands haben es immer schwerer, bezahlte Auftrittsmöglichkeiten zu finden. Hier in Greifswald etwa gibt es im Prinzip nur noch das von der Stadt subventionierte Jugendzentrum „Klex“, wo regelmäßig Live-Musik stattfindet. Und Läden wie dieser sorgen dafür, dass durch die subventionierten Preise sich kein unsubventionierter Laden etablieren kann. Nur noch eine Kneipe in der Innenstadt existiert, wo die Chefin regelmäßig Konzerte veranstaltet und über Eintrittskartenverkauf versucht die Kosten reinzubekommen. Daneben etabliert sich die „Kulturbar“ zur Zeit mit einem Konzertprogramm, wo aber die Künstler alle auf eigenes Risiko (sprich: gegen den Hut) spielen. Es gibt weder Gagen noch Fahrtkosten. Und Eintrittskarten werden auch nicht verkauft.
Liebe Leute,
ja, die kulturelle Ungerechtigkeit ist wahrlich traurig und meines Erachtens nur dadurch zu lösen, wenn auch Jazz & Co. den Stempel „Klassik“ bekommen. Denn sieht man sich einmal die staatliche Kulturförderung an, so stellt man erstaunt fest, dass es jede Menge stark subventionierter Opernhäuser gibt, aber keinen Jazzclub o.ä. Es gibt weit über 120 Berufsorchester, aber gerade einmal 3 staatliche Big Bands. Von Dixielandkapellen ganz zu schweigen. Und welche großen Häuser, Theater und Bühnen betreiben nichtklassisches Repertoire? Wenn es der Kulturförderung genehm ist, dann gibt es Crossover-Projekte, wo berühmte klassische Musiker sich herablassen und auch mal coolen Jazz oder so etwas zu spielen. Ganz groß. Ich will zwar kein Nestbeschmutzer sein, denn ich komme von der Klassik, aber das musste mal gesagt sein. Übrigens habe ich überhaupt nichts gegen Clubs, ich habe etwas gegen Unterbezahlung. Liebe Grüße aus Weimar
Die Subventionierung ist meiner Meinung nach das Problem – oder besser gesagt: die Arroganz der Vergabebehörden, die unter Kulturförderung nur Klassik verstehen und die Blues, Jazz und anderes noch immer als trivial oder irrelevant ansehen. Das geht ja leitztlich bis hinein in die Musikauswahl in den öffentlich-rechtlichen Medien: Wobei Jazz da noch besser gestellt ist als etwa Blues…
Auch bei den Festivals geht’s dem Jazz noch immer besser – heutzutage lässt man da Blues überhaupt nicht mehr stattfinden. Und dabei hab ich letztens erst einen wundervollen Mitschnitt aus Berlin im Jahre 71 gehört, wo Sugarcane Harris seinen wundervollen Jazz-Blues beim Festival präsentieren konnte….