Carolyn Wonderland is the real deal! She’s an amazing guitar player. And damn, can she sing,” schrieb die Los Angeles Times. Gary Burnett unterhielt sich mit der Sängerin und Gitarristin für seinen Blog Down At The Crossroads.
“Hey, have you heard Carolyn Wonderland? She’s something else.” Bob Dylan
Die texanische Singer/Songwriterin und Gitarristin Carolyn Wonderland hatte 2012 ein arbeitsreiches Jahr. Ein Rezensent beschrieb ihr neues Album „Peace Meal“ als “gritty, beautiful, smart and seriously cool”. Damit war sie ununterbrochen auf Tour in Europa und den gesamten Vereinigten Staaten. Sie ist eine ausgewiesene Multiinstrumentalistin, spielt gleichermaßen gut Gitarre, Mandoline, Trompete und Piano. Aber es war ihr Gitarrenspiel, worauf man aufmerksam wurde – sie ist einfach eine herausragende Bluesgitarristin. Addiere dazu ihre fabelhaft bluesige Stimme, die im einen Moment rauh wie Sandpapier und dann wieder sanft wie Seide klingt (wenn auch immer mit einer rauhen Obertönen), dann hat man eine umwerfende Kombination. Und dann könnte man auch noch anfangen, über ihr Engagement für den Frieden zu reden, ihre Spendensammlungen für Wohltätigkeitsorganisationen in Austin, für Tafeln, Suppenküchen und Obdachlosenunterkünfte. Unser Gespräch fand in einer der wenigen Pausen statt, die Carolyn sich gönnt, bevor sie Ende des Monats wieder zu touren beginnt.
Gary: Carolyn, vielen Dank für das Interview. Und zunächst, Glückwunsch zum neuen Album „Peace Meal“ – es ist wunderbar fantastisch und bekommt großartige Kritiken. Fantastisches Gitarrenspiel von ihnen – und der Gesang ist herausragend. Sind Sie zufrieden, wie das Album aufgenommen wurde?
Carolyn: Vielen Dank! Es tut einem im Herzen gut, wenn Leute auf ein Album aufmerksam werden und es hoffentlich auch mögen, wenn man an dieser Sammlung von Liedern gearbeitet und alles von Dir dahinein fließen lässt. Wir hatten eine wundervolle Zeit, das Album Stück für Stück zu machen, als wir mit Ray Benson und Mike Nesmith im Bismeaux Studio in Austin und mit Lary Campbell im Studio von Levon Helm in Woodstock arbeiteten. (Dort blieben wir dann noch etwas länger und spielten eine Session mit Levon und seiner wunderbaren Band!).
Ich war der Meinung, wir müssten eine Hommage an die „Schultern“ machen, auf denen wir stehen, indem wir einige Songs covern, die entweder von Freunden wie Vince Welnick (Vince und ich waren vor zehn Jahren gemeinsam in Jerry Lightfoot‘s Band of Wonder bevor er und Jerry nach oben gerufen wurden, um Musik mit den Engeln zu machen) und Lieder, bei denen Freunde mir geholfen hatten, als ich anfing, solche Stücke wie Little Screaming Kenny‘s Arrangement von Two Trains & I Can Tell. (LSK ist einer der mir wichtigsten Menschen in der Welt. )
Wir haben irgendwann angefangen, für Leute zu spielen und ich bin glücklich sagen zu können, dass wir noch immer unterwegs sind und nebenbei neue Lieder schreiben für das nächste Album.
Sie covern Lieder von einigen der Größten auf dem Album. Robert Johnson‘s „Dust My Broom“, „What Good Can Drinking Do“ von Janis Joplin und Bob Dylan‘s „Meet Me In The Morning“. Und all die sind wirklich exzellent. Sind das einige Ihrer Blues-Helden? Wer (sonst) war ein wichtiger Einfluss in Ihrer Entwicklung?
Wenn man in Texas aufwächst, dann lernt man schnell als junges Mädchen, Janis‘ Songs nur privat zu singen. In der Öffentlichkeit wäre das einfach dumm, weil es einfach niemand besser kann als sie selbst und nur wenige ihr gerecht werden. Als ich 2009 gefragt wurde, beim „American Music Masters Tribute to Janis“ in der Rock & Roll Hall of Fame zu spielen, war ich platt, geehrt und begeistert. So viele großartige Künstler machen mit ihren Liedern coole und originelle Dinge. In dieser Nacht beschloss ich, auch wenn ich es vermutlich nicht besser machen kann, wenigstens einem der Lieder, die sie geschrieben hat, gerecht zu werden.
In der nächsten Nacht – in aller Öffentlichkeit und ohne Proben – holte ich es bei der ersten Session mit Guy Forsyth in Levon Helms Studio heraus. Die Nacht zuvor hatte ich vermutlich eine Menge Finger-Picking auf der Gitarre gehört, denn das Arrangement hat dieses „Walking-Thumb-Bass-Line“-Feeling. Und das kam bei der Aufnahme letztlich richtig gut rüber.
„Dust My Broom“ hab ich ursprünglich für das Buch „The American Gene“ von Mike Nesmith aufgenommen. Und dabei hatten wir ne Menge Spaß. Gut, dass er uns erlaubt hat, die Nummer auf auf „Peace Meal“ zu verwenden.
Wir hätten so ziemlich jedes von Dylan‘s Liedern nehmen können, das wir über die Jahre gecovert haben. Ich fühlte nur, dass diese Fassung von „Meet Me In The Morning“ einen Platz ausfüllte, der stilistisch auf der CD noch nicht vertreten war. Ray ließ uns nach der täglichen Aufnahmesession im Studio einfach drauflos spielen – für mich der Beweis dafür, dass man immer den Record-Knopf gedrückt halten sollte, sobald man im Studio ist!
Alle, die ich hier bislang erwähnt habe, haben einen riesigen Einfluss auf mein Leben und meine Musik gehabt. Zu der Liste will ich noch meine Band hinzufügen: Cole El-Saleh (keyb, keyb-b) und Robert Hooper (dr) – und außerdem noch alle, die durch diese Tür reingekommen sind. Meine Helden sind oftmals Musiker und die Menschen, die neuer Musik eine Chance geben. (Und natürlich: ohne die Liebe und Unterstützung durch das Publikum würden wir noch immer Musik spielen – unsere Katzen aber wären nicht davon beeindruckt, außer wenn das Gitarrensolo eine Dose mit Futter öffnen würde!)
Ich bin ja selbst ein großer Dylan-Fan und ich liebe die bluesige Behandlung, die Du „Meet Me In The Morning“ hast angedeihen lassen.
Ich glaub ich werd rot! Ich hoffe nur, der Songwriter mag es ebenfalls oder ist zumindest davon nicht beleidigt.
Was hat Dich zuerst zum Blues gezogen? Und was ist es, was Dich und Dein Publikum sosehr am Blues begeistert?
Als ich aus der Schule geschmissen wurde, waren es die Bluesclubs, die mich am ehesten mit offenen Armen willkommen hießen – und sich am wenigsten um Ausweiskontrollen scherten! Ich liebte es, dass jeder auf die Bühne steigen und mit jedem anderen jammen konnte, wenn er nur die grundlegenden Bluesformen begriffen hatte. Ich mag es, dass es mehr um Seele und Persönlichkeit als um Intellekt geht, die in die Musik einfließen. Ich liebe die Leute, die mich etliche Male richtig abstinken ließen und bin glücklich, anderen die gleiche Unterstützung zu geben, während sie durch diese Anfangsphase gehen.
Ich denke, das ist ehrliche Musik, die die verschiedensten Behandlungen überleben kann und sich für Hörer und Musiker noch immer vertraut anhört.
Als ich den Blues entdeckte (und er mich entdeckte), hatte ich das Glück, in Houston zu sein. Ich konnte zu Füßen von Leuten wie Jerry Lightfoot, Joe „Guitar“ Hughes, Little Screaming Kenny, Grady Gaines, Trudy Lynn, Lavelle White, Allison Fisher, Tere Greene, Big Al Betit, Johnny „Clyde“ Copeland, Little Joe Washington oder den Streetrockers sitzen und gelegentlich mit ihnen zu jammen – eine große Menge von großartigen Bands kamen außerdem auf ihren Tourneen vorbei. Und es ist die Seele der Lieder und der Leute, die mich damals zum Blues hinzogen und dich mich noch immer mit dem Blues flirten lassen.
Du lässt uns auf dem Album ein paar ziemlich coole Sachen auf der Gitarre hören – wer hat Dich am meisten als Gitarristin beeinflusst?
Das sind all die Typen, die ich vorhin aufgezählt habe und natürlich Leute, die mich bei Konzerten einfach umgehauen haben, Musiker wie Danny Gatton, Clarence „Gatemouth“ Brown, Johnny Winter, Albert Collins, Debbie Davies, Les Paul, The Paladins, Los Lobos, Larry Campbell, Charlie Sexton, Derek Trucks, Redd Volkaert, John X. Reed, Tracey Conover, Charlie Prichard, Sue Foley, Cindy Cashdollar, Alan Haynes, Susan Tedeschi, Bill Kirchen, Rosie Flores, Ruthie Foster, Jimmy Vaughan, Gary Clark Jr. (der scheinbar
Vaughan, Eve Monsees, Gary Clark, Jr. (der scheinbar mit der Zeit immer noch besser wird). Und natürlich Chris Whitley, Buddy Guy, Hubert Sumlin, Townes Van Zant und der einzigartige Billy F. Gibbons. Ja, ich weiß, dass ist eine verrückt lange Liste – aber eigentlich gibt es noch viel mehr, die ich nicht genannt habe!
Und natürlich sind dann auch noch die Musiker, die ich leider niemals live erleben konnte, deren Platten ich aber regelrecht glatt gespielt habe: Freddie King, Frank Zappa, Rory Gallagher, Mance Lipscomb oder Lightnin‘ Hopkins.
Ach ja: natürlich muss ich meine Mutter hier nennen, die mir nicht nur meine ersten drei Akkorde beigebracht hat, sondern mir auch unter Strafandrohung die Benutzung von Picks untersagte, nachdem ich ihre Martin einer Pete-Townshend-Behandlung unterzogehn hatte. Ich glaub, ich hätte heut nicht meinen Stil wenn ich nicht mit bloßen Händen spielen würde.
Erzähl uns ein wenig über die Gitarren, die Du auf dem Album und auf Tour spielst.
Meine Hauptfreundin ist meine Tele. Sie ist eine anlässlich des 50. Geburtstags von Fender neuaufgelegte Fassung der 69er Telecaster. Ich baue einen Joe Bardens Tonabnehmer an den Platz der Standard Lipsticks und Bam! – schon hast Du eine Gitarre, die mit einer Les Paul mithalten kann und immer noch sauber genug für Fingerpicking ist. (Anmerkung: Ein Lipstick Pickup ist eine Variante eines Singlecoil Tonabnehmers, bei dem die Elektronik komplett in einer verchromten Metallröhne eingebaut ist.)
Ich nehme eigentlich fast alles mit dieser Gitarre auf. Manchmal allerdings nehme ich auch Patty, meine Blue Hawk oder Les Pauline, die Goddess Guitar (das steht so in flammend roten Buchstaben auf dem Kopf des Instruments).
Für die Lapsteel-Nummern hab ich ein paar wirklich gute alte Stücke, die ich mich aber nicht mehr auf Tour mitzunehmen traue. Da nehme ich eine Morrell – mit der kannst Du notfalls nach Hause paddeln, wenn Du unterwegs Schiffbruch erleidest – und außerdem passt sie mit meiner Tele in einen Flugkoffer. Für das Album borgte ich mir Levon Helm‘s Mandoline und Ray‘s akustische Gitarre. Zu Weihnachten hab ich grad eine Art & Lutherie geschenkt bekommen. Damit werde ich mich in diesem Jahr noch ausfühlich beschäftigen.
Ein Kritiker nannte „Peace Meal“ ein „sakramentales Fest für die Seele“. Zumindest für „Only God Knows When“ ist das sicherlich zutreffend – es gibt kein offensichtlicheres Zeichen der Gnade als Frieden. Was hat Dich bewogen, ein solches Lied zu schreiben?
Es ging mir seit mehr als einem Jahr im Kopf herum. Ich wusste, was ich sagen wollte, aber es gelang nicht so hoffnungsvoll, wie ich es wollte und das Lied fiel in die Kiste ungedachter Handbewegungen auf der Gitarre. Als ich den Text endlich in der richtigen Form hatte, war es Ray Benson, der vorschlug, dass ich die Eröffnung auf einem anderen Instrument spielen sollte. Er hatte Recht – und jetzt hab ich ein neues Lied für die Lapsteel!
Du hast eine Anzahl von Liedern mit spirituellen Obertönen oder Gospelinhalten geschrieben wie Judgement Day Blues, Bloodless Revolution, Jesus It‘s Gonna Be You, Gospelsong beispielsweise. Und ich weiß, dass Du mit den Golden Crown Harmonizers eine Menge Gospelsongs gesungen. Lass mich daher zwei Sachen fragen: zunächst: Wie wichtig ist die spirituelle Seite des Lebens für dich und zweitens Wie wichtig ist es für Dich als Künstler, Kritik an den Zuständen der Welt zu äußern wie in „Only God Knows When“ und „Bloodless Revolution“?
Ich wuchs auf in einer Kirche, die ich mit neun Jahren verließ, als mein Sonntagsschullehrer mir sagte, meine jüdischen Freunde würden nicht mit mir zusammen in den Himmel kommen. Ich rief: Bullshit! und ging. Ich hab viele Jahre gebraucht, zu dem Schluss zu kommen, dass der Fehler bei den Menschen liegt, bei ihren Vorstellungen von Gottes Regeln, während Gott sie trotzallem liebt (und warum sollte er nicht alle anderen ebenso lieben?)
Ich denke, wir alle versuchen, einen Sinn in der Welt zu suchen, in der wir gemeinsam existieren. Spiritualität ist wie ein roter Faden der Hoffnung.
Es macht mich traurig, dass es andauernd Krieg zwischen Brüdern gibt, dessen Ursache nur in dem begrenzten Verstandnis dessen liegt, was wichtig ist, uns in durch Zeiten von Kummer und Zweifel zu bringen. Mein Lieblingsgleichnis ist das von den drei Blinden, die jeweils nur einen Teil eines Elefantes anfassen konnten. Es ist ein Segel! Es ist ein Baum! Es ist ein Seil! Jeder von uns allein mag nicht in der Lage sein, den Elefanten zu erkennen, aber gemeinsam kann man die begrenzten Erkenntnisse zu einem zutreffenderen Ergebnis vereinen. Ich hoffe auf einen Tag, wo wir einander endlich in die Augen sehen und alle Ideen des Gegenübers ehren im Blick auf unseren winzigen Blick, den wir auf Gott und das Universum haben. Ein Leben zu gestalten, „wie es im Himmel ist“, diese Haltung habe ich seit meiner Jugend beibehalten. Ich bete noch immer. Ich bin Agnostiker, suche nach einenden Theorien einer ewigen Liebe (was ein Grund dafür ist, dass ich die Bücher von Joseph Campbell so mag). Jeder hat die Aufgabe, auf Fehler hinzuweisen und gleichzeitig die Schönheit des Lebens mit seiner Kunst zu feiern. Wenn Du es fühlst, dann lass es blühen!
Du scheinst immer ziemlich hart zu arbeiten. Gib es eine Chance, Dich in nächster Zeit diesseits des Atlantiks zu erleben?
Oh ja! Wir werden auf jeden Fall nach Norwegen, die Niederlande, Belgien und einige andere Orte kommen, die ich jetzt noch nicht genau nennen kann. Ich will eigentlich mindesten zwei oder drei Mal im Jahr rüber kommen. Die aktuellen Termine findet man auf www.carolynwonderland.com Und wenn wir bei Euch in der Nähe sind, kommt vorbei und sagt Hallo!