Es war ein Tag wie alle anderen, als ich auf den Parkplatz des Aufnahmestudios einbog an diesem frühen Sommermorgen 1988. Typisch L.A.: warm und diesig, während die Sonne langsam die Wolken über dem Ozean vertrieb. Ich ging rein auf der Suche nach meinen langjährigen Freund und Mentor Cash McCall, der mir heute wie an so vielen anderen Tagen einen Gig versorgt hatte. Diesmal sollte ich Backup bei einer Session früh am Morgen singen.
Erinnerungen an Willie Dixon von Zach Prather
In den rund 14 Jahren seit ich Cash getroffen hatte, waren wir sehr gute Freunde geworden und er hatte mich Musikern vorgestellt oder mir Arbeit mit ihnen versorgt: mit Etta James, Margie Evans (mit der wir ein Album aufnahmen, dass von dem großen Produzenten Horst Lippmann produziert wurde, dem das Verdienst zukommt, den Blues nach Europa gebracht zu haben), Charles Stepany (Produzent von Earth Wind & Fire), Donna Summers, Phil Upchurch, und natürlich – auch wenn die Liste noch viel länger ist – mit dem Mann, der mich nach Europa gebracht hat, mit Screamin Jay Hawkins.
Als ich in Studio A kam, sah ich Cash und einen ziemlich großen, runden Mann mit einem lustigen Hut, der eine Pfeife rauchte. Cash sah mich und sagte dem Mann: „Willie, das ist Zach.“ Er schaute mich an, streckte seine Hand aus und Cash sagte: „Zach, das ist Willie Dixon.“ Und so begann die Geschichte.
Diese Session mit Willie war sehr erfolgreich. Sehr schnell merkte ich, dass diese Mann etwas Besonderes war. Er hatte viele Ideen und auch wenn er sich an jede einzelne erinnern konnte, vergaß er manchmal, welche von ihnen er wo gerade haben wollte. So war der Trick, dass du dich an seine Ideen und die Stellen, für die er sie vorgesehen hatte, zu erinnern, so dass du, wenn er meinte: „Ich brauche diese Idee, die ich dir gegeben hab (so etwa vor 30 Minuten) für diesen Teil“, genau wusstest, worum es sich dabei handelte. Darin war ich gut und so kamen wir gut miteinander klar. Er meinte zu Cash: „Der Junge ist in Ordnung“ und bat ihn, mich zu seinem Heimstudio zu bringen, um an ein paar Songs zu arbeiten und auch Schlagzeug bei einem Projekt zu spielen, dass er mit seiner Shirly hatte. Ok, die nächsten dreieinhalb Jahre oder so war so wie zurück in die Schule zu gehen. Willie brachte lange Zeit einfach damit zu, über den Blues zu reden, was Blues ist, wo er herkommt, von seiner Zeit im Blues, seine frühen Jahre mit Chess, die Verantwortung des Künstlers. Über diese Dinge redete er mindestens ebenso lange wie wir Musik zusammen spielten. Und das stellte sich für mich als eine äußerst wertvolle Weiterbildung in Sachen Blues heraus. Ich meine: das Zeug kam ja direkt von der Quelle!
Wir arbeiteten an vielen Songs zusammen. Er war noch immer der Songschreiber und Produzent Willie Dixon, und die Dinge kamen regelrecht aus ihm herausgequollen. Irgendwann bat er mich, ihm etwas von meiner Musik vorzuspielen. Ich sagte: ok. Aber das was ich machte war kein Blues mehr, eher etwas wie Soul-Rock. Er lächelte nur und sagte: „Mein Sohn, es kommt alles vom Blues, du bist der Blues. Und der Blues ist nicht so etwas wie ein toter König den wir in eine Mumie verwandeln und von Zeit zu Zeit anschauen, niemals wird sich ändern, dass er lebendig ist und Menschen wie dich braucht, um ihn weiter zu entwickeln. Wir brauchen niemanden, der wie Howlin Wolf klingt, wir haben Wolf. Wir brauchen frisches Blut.“ Diese Unterrichtsstunden flossen einfach aus ihm heraus und ich saugte sie begierig auf.
Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie oft er mir sagte: „Blues had a baby and they called it Rock and Roll“. Er hatte versprochen, mit mir ein Album zu produzieren. Und das war seine Art, mich daran zu erinnern, dass er das Versprechen nicht vergessen hatte. In dieser Zeit arbeitete er mit den Chicago All Stars, so hatte ich nie die Chance, mit ihm auf der Bühne zu arbeiten. Aber das ist ok, weil ich durch das, was ich von ihm lernte, zu dem wurde, der ich heute bin. Diese Zeit gab mir eine echte Basis im Blues und ließ mich verstehen: Ja, ich bin der Blues, und alles was ich mache, ist Blues. Und er gab mir die Fähigkeit, mich weiterzuentwickeln, egal was die Leute über meine Musik sagen oder denken. Du lernst einfach an dich selbst zu glauben, wenn Willie Dixon dir sagt: Jetzt hast Du es begriffen, jetzt geh, und füge dem Blues etwas hinzu. Warum hörst Du auf jeden, der dir ein negatives Feedback gibt?
Ich traf in der Zeit auch jede Menge Ikonen des Rock & Roll, sie tauchten einfach bei seinem Haus auf. Du sitzt da und hörst zu, wie Willie Geschichten erzählt, und durch die Vordertür kommt Ronnie Wood herein oder David Bowie oder … Das war großartig für einen Soul-Rock-Typen wie mich.
Die Zeit verging, während hunderte Songs aufgenommen wurden, und eines Tages meinte Willie, es sei Zeit, jetzt mein Album mit ihm zu beginnen. Ich war aufgeregt als wir begannen. Das war eine andere Art von Erziehung. Von Willie produziert zu werden war ein ganz spezieller Prozess. Er hatte seine eigene Art, die Dinge zu erledigen und auch das saugte ich begierig auf. Als die Aufnahmen drei Wochen dauerten, wurde Willie krank und musste ins Krankenhaus. Er kam niemals nach Hause zurück. Ich war bei ihm am Tag bevor er starb. Das war eine sehr traurige Zeit, doch ich war und bin noch immer dankbar für die Zeit, die ich mit ihm teilen durfte. Ich war seiner Familie eng verbunden und stehe noch immer in Kontakt mit seiner Frau Marie – eine wunderbare Frau, die ich wie meine eigene Mutter liebe.
Meine letzte Erinnerung an Willie ist die, als ich auf seiner Beerdigung in Glendale (Kalifornien) spielte und neben Marie und B.B. King saß.