Glauben und Konsequenzen – Predigt über Lukas 5,1-11 und das Leben des Hl. Bonifazius am 12. Juli 2009 bei Ludwigsburg Anno 1377

Lukas 5,1-11
Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth
2 und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.

3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.
7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten,
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Ihr Lieben,
warum überhaupt kommen Menschen in einen Gottesdienst? Warum wollen wir was von Gott hören? Wenn ich mich mit Leuten darüber unterhalte, dann kommt oft der Satz: ich will was zum Nachdenken haben. Ich will mal einen anderen Blick auf mein Leben und meine Gedanken hören. Das hat nur manchmal damit zu tun, dass der Sonntag als Tag für den Gottesdienst besonders wichtig wäre. Nein – es geht darum, für seinen Alltag neue Gedanken zu finden.
Es begab sich also, als sich die Menge zu Jesus drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Diese Fischer, unbeeindruckt, unbetroffen scheinbar von dem, was sich da am Seeufer ereignet. Von der drängenden Menge, von Jesus. Für sie ist jetzt Alltag. Und sie bieten einen alltäglichen Anblick am fischreichen Nordteil des Sees. Der Arbeitstag, besser die Arbeitsnacht, ist vorbei. Die Aufräumarbeit noch im Gange – Netze waschen und ausbessern, um alles für die nächste Nacht vorzubereiten. Alltag, Fische fangen, den Haushalt versorgen, Geld verdienen können …

Diesen Alltag sieht Jesus. Da sind Menschen gekommen, die was von ihm wollen – und er schaut auf den einzelnen Menschen. Hier den Simon. Und genau den spricht er zuerst an. Nicht die große Menge, den Einzelnen spricht er an.
Hier diejenigen, die Jesus hören wollen, sich um ihn drängen – da die, die mit ihrer Arbeit beschäftigt sind. Das ist für ihn nicht zu trennen. Jesus sieht. Sieht mich und dich. Dich und deine Arbeit brauche ich, das, was du kannst. Hilf mir bei meiner Aufgabe, bitte.
Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.

Ganz unversehens sind die Arbeitenden mitten in eine Predigt hineingeraten. Ob er wohl noch wach genug dafür war, der Fischer Simon? Ob er mehr als ein paar Worte von dieser Predigt gehört hat? Das ist aber nicht wirklich wichtig. Denn mit diesem Fischer hat Jesus auch unabhängig von der Predigt noch ein paar Worte zu reden.
Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!

Fahre hinaus. Und zugleich kann der ja nicht allein Jesu Willen erfüllen, darum werden die anderen gleich mit ins Boot gerufen: werft eure Netze zum Fang aus.

Jesus zeigt: die Predigt ist nicht wichtiger als der Alltag. Er nimmt in Besitz – zuerst das Boot und nun auch noch den Menschen mit seiner Kraft und Arbeit – und seine Gefährten gleich mit dazu. Jesus nimmt sie einfach mit.
Und hier kommt nun Simon das erste Mal zu Wort: Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen;
Weißt du eigentlich, wovon du hier redest? Ich bin schon lange hier Fischer – und glaub mir, ich kenne den See, weiß wann und wo man Chancen hat, Fische zu fangen. Auch wenn es lange nicht immer soviele sind, dass die Arbeit zum Leben ausreicht.
Es sind keine guten Zeiten, Meister; wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Obwohl es ja aller Fachkenntnis widerspricht. Am Tag zu fischen – und mitten im See, nicht etwa da, wo die erfahrenen Fischer die guten Fanggründe erwarten! Vom Fischen, so scheint es jedenfalls, hat dieser Jesus, um den sich alle drängen, wenig Ahnung, dieser Jesus mit seinen Worten, mit Gottes Wort.
Und doch, dieser Ruf setzt sich durch, lässt sich nicht überhören. Dieser Jesus nimmt mich in Beschlag, ich kann nicht anders. So genannte Sachzwänge und Vernunftargumente, die tragen nicht mehr, verlieren an Bedeutung gegenüber diesem Wort.
Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Einer ist da angesprochen – einer antwortet:
Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.

Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
Auf dein Wort – unvorstellbar, überwältigend das Ergebnis. Und doch, zugleich ist es ja einfach das, was wir zum Leben nötig haben. Das, was wir wirklich brauchen. Genug Fische, damit all diese Fischer und ihre Familien davon leben können. Und vom Überschuss, vom Überfluss leben noch andere dazu.
Das Wort, das dieser Jesus dem Petrus – und uns zu sagen hat, betrifft unser Leben. Lässt uns leben. Er lässt uns leben.
Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
Simon kann stolz sein auf seinen Erfolg, sich rühmen, vorzeigen, was er erreicht hat. Doch nichts davon: er erschrickt, Was ist hier los? Wie kann dieser Mensch denn wissen, wo die Fische sind? Wie kann er solch ein Ereignis herbeirufen? Wer ist das überhaupt – und wer bin ich, dass er sich mit mir abgibt?
Solch ein Überfluss, der kann nur von Gott kommen, da ist Gott selbst am Werk, lässt sich erkennen, lässt sich sehen, begegnet uns. Nicht irgendein Mensch hat Besitz ergriffen von seinem Leben, sondern Gott selbst hat sich in sein Boot gedrängt.
Eine solche Begegnung mit Gott, die wirkt erschreckend, die stellt mein bisheriges Leben und Tun in Frage, die verändert mich komplett.
Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
Du bist Gott und ich bin Mensch, ich bin Sünder – Gott begegnen und mich selbst erkennen und erschrecken.
Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten.
Aber Jesus will keine verschreckten Menschen um sich haben.
Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht!
Du brauchst nicht auf dein vergangenes Leben starren. Du brauchst dich auch nicht zu fürchten. Nicht die Vergangenheit ist wichtig, sondern die Zukunft. Ich zeige sie dir. Sage dir, was sein wird:
Von nun an wirst du Menschen fangen.
Ich, Jesus, habe dir gerade vorgemacht, wie das geht. Habe dich für mich gewonnen. Dich in mein Netz gezogen, bis du nicht mehr aus konntest, bis du kapiert hast: Gott ist dir nahe, er will dich haben.
Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
Ihr Lieben,
lassen wir uns wirklich fangen? Sind wir bereit, unser Leben neu anzufangen, wenn wir ihn erfahren haben? Oder lassen wir uns weiterhin treiben, glauben, dass schon alles irgendwie weiter gehen wird?
Als Sebastian mich fragte, ob ich hier wieder predigen würde, da bat er mich, doch über den Heiligen Bonifazius zu sprechen. Lange hab ich überlegt, wie ich denn das machen soll. Doch dann fiel es mir auf, dass dieser Gelehrte in seinem Leben eben genau das gemacht hat, was der Petrus auch gemacht hat: er verließ seine Existenz, um Menschen zu Gott zu führen:
reiche Eltern, später eine extrem gute Bildung, einen Job als angesehener Lehrer. Und doch: ihm reichte das nicht. Er wollte mehr, er wollte das, was ihm wichtig ist, möglichst vielen weitergeben. Und so wurde er Missionar, wurde er zum „Apostel der Deutschen".
Wynfreth, so sein Name, wurde um das Jahr 673 herum in England geboren. Schon als Kind war er vom christlichen Glauben beeindruckt. Und obwohl er das Gut seiner Eltern hätte erben können, nervte er sie so lange, bis sie ihn schon als Kind in ein Kloster gehen ließen. Er lernte lesen und schreiben, Sprachen, Dichtkunst und was sonst noch möglich war. Bald schon unterrichtete er andere Brüder im Kloster, wurde selbst von anderen Klöstern um Rat gefragt, schrieb eine lateinische Grammatik . Mit 30 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Doch er wollte keine Karriere im Kloster machen. Er wollte Menschen, die noch nicht an Gott glaubten, bekehren. Und soll nervte er seinen Abt so lange, bis er seiner Reise nach Friesland zustimmte.
Der erste Versuch ging gründlich schief. Denn die Friesen bekriegten sich grade mit den schon christlichen Franken. Und so hatte der Herzog Radbod keine Lust, dass Missionare bei ihm aktiv würden.
Doch er gab nicht auf, wenige Jahre später zog er wieder los, erst nach Rom, um sich vom Papst seinen Auftrag bestätigen zu lassen. Später nach Thüringen und Hessen, wo er Menschen durch seine Predigten zum Glauben führte – und durch Aktionen wie das Umhauen der dem germanischen Gott Thor heiligen Eiche klar zu machen, dass die heidnischen Götter eben gegen den christlichen Gott nichts ausrichten können. Mit der Fällung der Eiche demonstrierte Bonifatius jedoch nicht nur symbolisch die Überlegenheit des Christentums über alte Götter und heidnische Kulte, sondern auch das Streben nach einer Neuordnung. Aus dem Holz der Eiche ließ er aller Wahrscheinlichkeit nach in Fritzlar eine Petrus geweihte Kapelle bauen, an deren Stelle Wigbert bald darauf eine steinerne Basilika errichten ließ.
Doch er predigte eben nicht nur, sondern er gründete Klöster, damit die Menschen auch weiterhin Orte hatten, wo sie über den Glauben unterrichtet wurden. Und er suchte den Kontakt zu den Mächtigen der Politik, damit diese seine Arbeit unterstützten oder zumindest nicht behinderten.
Und dann – mittlerweile war er vom Papst zum Erzbischof ernannt worden und hatte in vielen Gegenden die kirchlichen Strukturen aufgebaut – zog er noch mal los zu den Friesen. Ein 80jähriger Mann. Bei Dokkum (Niederlande) wollte er Menschen, die sich zuvor hatten taufen lassen, nach dem Unterricht im Glauben firmen. Doch am 5. Juni 754 wurde er von heidnischen Friesen mit seinen Begleitern erschlagen. Ob sie ihn einfach nur berauben wollten, oder ob sie der christliche Prediger in ihrem Glauben störte, das ist nicht klar.
Es ist davon auszugehen, dass die Angreifer sehr wohl wussten, wen sie vor sich hatten, als sie das Lager überfielen, denn Bonifatius hatte ja bereits einige Zeit in dieser Gegend gewirkt, wie die von ihm bekehrten Friesen zeigen. Wenn die Angreifer ihn töteten, obwohl er keinen Widerstand leistete und auch seine Begleiter dazu aufgefordert hatte, das Martyrium auf sich zu nehmen (so berichtet es zumindest Willibald), so taten sie es also bewusst auch, um einen Missionar des christlichen Glaubens auszuschalten. Zugleich dürften aber auch die Weihegeräte, die Bonifatius und seine Leute mit sich führten, Ziel der Angreifer gewesen sein, denn sie stellten einen erheblichen Wert dar.
Doch was die Räuber nicht hatten zerstören können, ist das, was Bonifaz durch seinen Glauben und seine Predigten erreicht hatte: Menschen waren zum glauben gekommen, waren von ihm in gottes Nähe geführt worden. Und das ist das, was wichtig war an seinem Leben. Und wie er sich gegen alle anderen vorgezeichneten bequemeren Versionen seines Lebens für den Weg als Missionar entschieden hat – das kann uns auch heute noch ein Beispiel sein, wenn wir uns fragen: Welche Auswirkungen soll mein glaube eigentlich haben? Nicht dass wir alle Wanderprediger werden sollen. Aber dass wir uns überhaupt fragen, welche Folgen unser Glauben überhaupt haben soll.
AMEN.