Zwei alte Männer – oder sollte man respektvoller Weise lieber sagen: zwei Legenden des Blues im 20. und 21. Jahrhundert tuen sich zusammen, um gemeinsam ein Album einzuspielen. Schon seltsam, dass Elvin Bishop und Charlie Musselwhite erst 2020 dazu kamen, ein Duo-Album im erweiterten Sinne aufzunehmen. Denn schließlich haben die beiden gemeinsam schon mehr als 110 Jahre Blueserfahrung im Gepäck.
Gehen wir also auf eine Zeitreise zurück in die Bluesgeschichte. Was Bishop und Musselwhite gemeinsam mit Produzend/Bassist Kid Anderson und Gitarrist/Pianist Bob Welsh eingespielt haben, ist Chicagoblues der 50er/60er Jahre. Beide spielen sich mit neuen oder überarbeiteten Songs die Ideen zu und haben einfach gehörigen Spaß, eine Party zu schmeißen.
Von der Ferne grüßen die Lehrer Muddy Waters, Junior Wells, Paul Butterfield oder Hound Dog Taylor. Aber in einigen Songs schlägt die Gegenwart der Aufnahmezeit wirklich durch: „What The Hell“ ist etwa eine böse Abrechnung mit dem ehemaligen Präsidenten Trump. „Good Times“, das Bishop schon gemeinsam mit Musselwhite auf seinem Album „Can’t Even Do Wrong Right“ eingespielt hatte, erscheint hier wesentlich ruhige und gelassener – was dem Lied sehr gut tut. Klassiker wie Leroy Carrs “Midnight Hour Blues,” oder Roosevelt Sykes „West Helena Blues“ werden von beiden aus der Vorkriegszeit in die Gegenwart geholt. Dass die lange Reise irgendwann auch ganz schnell mal vorbei sein kann, darüber sinniert Musselwhite im „Blues for Yesterday“. Und im gemeinsam verfassten Titelsong spielen sich die beiden die Stationen ihrer Jahrzehnte im Blues zu, ohne irgendwelche falsche Sentimentalität zuzulassen.
„100 Years of Blues“ gehört zu den besten Alben des Bluesjahres 2020. Unbedingt anhören!