82-jährig ist Christa Wolf nach einem schaffensreichen Leben gestorben. Sie hinterlässt ein umfangreiches Werk, das in der DDR eine Fangemeinde hatte.
"Der geteilte Himmel" (1963, schon 1964 verfilmt), "Nachdenken über Christa T." (1968), "Kindheitsmuster" (1976), "Kein Ort. Nirgends" (1979) wurden viel gekauft; und die Leser hatten schnell gelernt, bedeutsame Anspielungen zu erkennen und zwischen den Zeilen zu lesen. Das führte wohl dazu, dass die Erzählung "Kassandra" (1983) in der DDR mit gekürzten, aber immerhin gekennzeichneten Textpassagen erschien. Wolfs allemal gesellschaftlich und politisch determinierte Werke waren jeweils aktuell und erschienen zum rechten Moment.
Christa Wolf hat es sich zu keiner Zeit leicht gemacht. Sie war Mitglied der SED seit 1949, freischaffende Schriftstellerin seit 1962 und hatte als solche die Forderungen aus dem Programm der SED von 1963 zu erfüllen: "… sind unsere Künstler und Schriftsteller vor die Aufgabe gestellt, in ihren Werken dieses neue, sozialistische Lebensgefühl zu gestalten… zu … jener neuen Qualität in Literatur und Kunst…, die sich durch hohe künstlerische Meisterschaft, Parteilichkeit und tiefe Volksverbundenheit auszeichnet." Ob Christa Wolf eine tiefe Volksverbundenheit in ihren Werken erreicht hat, wird sich erst erweisen müssen. Momentan sieht es eher so aus, als sei ihre frühe Prosa schon ein bisschen vergessen. Aber Christa Wolf hat in der Wende ihre Stimme erhoben und in den Jahren danach wieder Aufmerksamkeit für ihre Werke erregt.
Zum Tode Rilkes schrieb Erich Mühsam: "Rainer Maria Rilke wird für die Geschichte der Gegenwart keine bleibenden Spuren hinterlassen", obwohl er "einer der letzten ganz bedeutenden deutschen Dichter" gewesen sei, der, "kaum berührt von den ungeheuren sozialen Problemen seiner Zeit, nur den Klang der Zeit… in Rhythmus und Sprachbild zu erhalten suchte." Christa Wolf war ihr Leben lang stark berührt von den politischen Problemen ihrer Zeit und hat sie künstlerisch gestaltet.
Wir können gespannt sein, welche ihrer Werke aus der DDR- und der Nachwendezeit von unseren Kindern und Kindeskindern gelesen werden.