Mit Musikern Afrikas zusammen Platten aufzunehmen ist spätestens seit „Graceland“ von Paul Simon in der europäischen und amerikanischen Popszene eine geläufige Praxis geworden. Nicht immer kamen dabei so musikalisch und textlich überzeugende Alben heraus wie von der belgischen Zita Swoon Group mit Musikern aus Burkina Faso auf „Wait For Me“. Hier treffen Blues und die Musik der Griots zusammen und verschmelzen zu einer Einheit. Irgendwann beschloss Stef Kamil Carlens die Zusammenarbeit mit der von ihm mitgegründeten Band dEUS zu Gunsten seiner eigenen musikalischen Ideen zu beenden. Seither hat er die Zita Swoon Group für meist projektbezogene Arbeiten erfunden. Jetzt ist er beim Blues angekommen. Unterstützung dafür suchte er sich bei den zwei Griots Awa Démé und Mamadou Diabaté Kibié.
Die Bedeutung der Griots für die Kultur Westafrikas kann man aus einer europäischen Blickweise kaum nachvollziehen. Zu weit sind wir gerade in der musikalischen Entwicklung inzwischen entfernt von den Traditionen einer rein mündlichen Weitergabe der Kultur. Griots sind eben wesentlich mehr als Liedermacher, die die aktuellen Zustände kommentieren. Sie sind Hüter und Träger der gesamten Geschichte und Tradition ihrer Völker. Wenn man so will, sind sie das Gewissen der Menschen. Sie wissen von den jahrhunderte zurückreichenden Erfahrungen der Völker, ihrer Erfolge und Niederlagen. Und aus diesem Wissen heraus kommentieren sie auch die aktuelle Lage und geben ihre Meinung kund. Und die hat wesentlich mehr Gewicht als etwa die Äußerung eines deutschen Dichters, der seine innere Befindlichkeit in ein paar Zeilen fasst.
Auf „Wait For Me“ wird diese kulturelle Kluft zwischen Europa und Westafrika überbrückt. Und zwar mit musikalischen Mitteln. Und das auf eine derartig einleuchtende Art, wie es mir bislang noch bei keinem Projekt ähnlicher Provnienz in den vergangenen Jahren gelungen schien. Ehrlich: Nichts gegen Ry Cooders Gitarre, schon gar nichts gegen John Lee Hookers Ausflüge nach Mali. Das Rätsel blieb bei ihnen für mich unauflösbar.
Dass es hier gelungen ist, liegt wohl daran, dass Awa und Stef Kamil ihre Lieder im Dialog geschrieben und gespielt haben. Jemand bringt ein Thema auf, der andere übersetzt es nicht nur, sondern führt es aus seiner Sicht fort. Und so kann man auch ohne Kenntnis von Dioula (in der Awa singt) diesen Dialog nachvollziehen un d verstehen.
Awa singt von der Situation der Wanderarbeiter, die für Hungerlöhne jahrelang unterwegs sind, um zu Hause ihre Familien zu ernähren. Sie erzählt von den Nöten der Bauern, die wegen des Klimawandels nicht mehr genug ernten, um zu überleben. Und sie plädiert für eine Bildung als einzigem Ausweg aus der Not in den Ländern Westafrikas. Wenn sie dann die Träume von einem leichteren Leben in Europa aufnimmt, der zur Auswanderung über das Mittelmeer führt, dann hält Stef Kamil ihr die harten Bedingungen für illegale Einwanderer in den europäischen Ländern entgegen. Awa wiederum stößt mit ihrem offenen Bekenntnis zu Allah bei den Europäern nicht unbedingt auf Verständnis. Wobei sie in „Ala No Man Di“ gerade die Schwierigkeiten benennt, die Menschen heute – ob nun in Afrika oder in Europa mit dem Glauben an Gott haben können. Etwa das Problem, dass Ungläubige scheinbar diejenigen sind, denen ihr Leben viel eher gelingt als den Glaubenden, die oft ein schwereres Schicksal zu tragen haben.
Was sich auf Papier äußerst trocken und ambitioniert anhört ist alles aber niemals langweilig. Denn hier sind Musiker zusammen gekommen, denen der Spielspaß und die Tanzbarkeit bei aller inhaltlichen Bedeutsamkeit wichtig geblieben sind.