London, Ende der 60er Jahre. Ein Mann verfolgt eine schöne Unbekannte, die er bei einem Rendevous (so hieß das damals noch) fotografiert hatte und später bei Sichtung der Negative feststellt, dass er statt des heißen Dates einen Mord fotografiert hat. Er verfolgt die Frau und gerät in einen Club, in dem eine Band spielt. Der Sänger mit halblangen Haaren intoniert eine bluesige Uptempo-Nummer, die „Train kept-a-rollin“ heißen könnte. Es gibt zwei Gitarristen. Der eine, fröhlich grinsend mit langen, lockigen, scharzen Haaren, spielt flüssige Soli. Der andere schaut grimmig, weil offensichtlich mit seiner Gitarre oder seinem Amp etwas nicht stimmt. Nach mehreren Versuchen, den Schaden zu beheben, rammt er die Gitarre wütend in den Amp und verschwindet. Die Teile wirft er ins Publikum, das bis dahin der Band völlig statisch zugehört hatte. Nun entsteht eine wilde Rempelei beim Kampf umd die Gitarrenfragmente. Der Mann erhascht den Hals der Gitarre und verläßt fluchtartig den Club, die Teile wirft er dann weg. Die Frau findet er nicht wieder.
Dies Szene aus dem Film „Blow up“ zeigt einen sehr raren Moment der Rockgeschichte: die Band heißt „Yardbirds“, die beiden Gitarristen sind Jimi Page und Jeff Beck, die das damals erste Lead-Gitarren-Duo der Rockgeschichte kreiert haben. Es gibt nur wenige Aufnahmen (3 oder vier? Ich weiß es nicht genau), auf denen man diese Kombination hören kann. Die Yardbirds gehören zu den großen Vergessenen der Rockgeschichte, kaum erinnert man sich an einen großen Song. Dabei spielten in dieser Band die drei größten britischen Rockgitarristen aller Zeiten, nämlich Eric Clapton und die erwähnten Jeff Beck und Jimi Page.
Gegründet von einem Clubmanager (Giorgio Gomelsky), dem sein Hausband namens Rolling Stones zur Konkurrenz übergelaufen war. Der erste Gitarrist mußte auf Druck seiner Eltern aussteigen und wieder zur Schule gehen, für ihn kam ein junger Mann namens Eric Clapton. Die Band etablierte den Bluesrock als kommerzielle Größe, sie begleiteten Sonny Boy Williamson II. auf einer Englandtournee und nahmen eine der ersten Blues-Live-Scheiben ( Live 1964) auf.
Nach ihrer Hinwendung zu kommerzielleren Popsongs warf Clapton als Hüter der reinen Lehre des Blues das Handtuch und ging zu John Mayall. Das Album „John Mayall and the Bluesbreakers feat. Eric Clapton“ machte ihn zum Superstar, schon bevor er mit Cream alle Dimensionen sprengte.
Ihm folgte bei den Yardbirds Jeff Beck, der seine psychodelischen und fuzzigen Gitarrenklänge beisteuerte. Mit ihm spielten sie das Album ein, dass „Roger the Engineer“ genannt wird und den Höhepunkt ihrer Kraetivität darstellt. Jimi Page kam erstaunlicherweise als Bassist in die Band – er hatte vom Leben als Studiomusiker die Nase voll. Die Legende besagt, dass er sich die Band anhörte, als der Sänger Keith Relf so sternhagelvoll war, das er nur noch im Liegen singen konnte. Jeff Beck befürchtete, dass Page absagen würde – aber der war begeistert. Bald hatte er den zweiten Gitarristen zum Bassisten degradiert und spielte die zweite Leadgitarre, wie in dem oben erwähnten Film. Mit dieser Situation konnte dann Jeff Beck irgendwann nicht mehr umgehen und schmiß das Handtuch.
Die Band tourte endlos durch Amerika, wurde verschlissen vom Management und erhielt fast nie Kohle: eine Erfahrung, die Page verinnerlichte. Dann fiel sie irgendwann auseinander. Page gründete „The New Yardbirds“, die nach ihrer ersten Tour dann Led Zeppelin hießen und das Business komplett veränderten: keine Singles mehr, riesige Stadientourneen mit finanziellen Hauptgewinn für die Band, brutale Rowdys, sexuelle Eskapaden und Drogen, aber eben auch unschlagbare Songs, das Beste an Rock´n´Roll für immer.
Den Unterschied zwischen den Yardbirds und Led Zeppelin kann man auf YouTube sehen den Zep-Klassiker „Dazed and Confused“ gibt es hier auch in einer Yardbirds-Version. Dann wird einem auch klar, warum Page einen so charismatischen Sänger wie Plant suchte: Keith Relf war stimmlich und musikalisch zu begrenzt.
Keith Relf machte nach den Yardbirds Renaissancemusik – so nannte sich zumindest das Album, das er mit ehemaligen Mitstreitern und seiner Frau einspielte und verschwand irgendwann im Nirvana. Jeff Beck blieb ewiger Geheimtipp aller Gitarrenmagazine und tendierte in Richtung Jazz, bevor er dann jahrelang Autos zusammenschraubte (sein Hobby) und erst 2007 auf Claptons Crossroadsfestival den Höhepunkt dieser Gitarrenorgie bildete. Die Yardbirds waren lange Geschichte.
Die Yardbirds-Gitarristen sind natürlich Legende- selbst Kirk Hammet von Metallica verehrt diese Musiker, besonders aber Jeff Beck, weil der sich noch heute tonal und klanglich immer weiterentwickele (in der aktuellen Gitarre und Bass – ein lesenswertes Interview).
Das sie weiterexistierten, wurde mir erst jetzt bewußt-ich erstand mehr aus Verlegenheit ein Yardbirds-Album, das Birdland hieß, herausgekommen 2003 bei favored nations. Als erstes gönnte ich mir Titel 8-Shapes of Things, einen meiner Lieblingstitel von den Yardbirds. Stutzig wurde ich erst beim Solo, das in atemberaubender Geschwindigkeit in den Song hineingehämmert wurde- bei aller Bewunderung, so rasend schnelle Läufe hat Jeff Beck nie gespielt. Es war Steve Vai, Zappas Ex-Gitarrist und Gitarrengott von heute. Da wurde mir klar, dass dieses Album eine Neueinspielung ist, mit Gästen wie Vai, Steve Lukather (Toto),Slash (Gun´s`Roses) und tatsächlich Jeff Beck. The Yardbirds are still alive und mit Chris Dreja und Jim McCarty sind zwei Originalmitglieder an Bord! Auch die Harp-Passagen, die früher Chris Relf spielte, werden jetzt fantastisch von Alan Glen eingespielt. Insgesamt ein tolles Lebenszeichen von einer von mir totgeglaubten Band und ein Album, dass man hören muss, um vielleicht einzutauchen in die Historie einer der wichtigsten Bands des Rock.