Xavier Rudds siebtes Album Spirit Bird klingt uns wie das vertonte geheime Tagebuch von Christopher Robin, das er seinem geliebten Freund Winnie Pu gewidmet hat. Geheimnisvoll, privat und unendlich liebenswert. Hier geht es um Freundschaft aus Kindertagen, die alle Unbillen der Zeit, alle Anfeindungen der Erwachsenen und all dem bescheuerten Intellektualismus derjenigen, die sowieso alles besser wissen, die Stirn bietet. Wer bereit ist das eine oder andere musikalische Konzept eines Mitteleuropäers über Bord zu werfen, der kann mit dieser Scheibe einen großen Eimer voll wildem Honig einsammeln. Und diese Trophäe dann mit den besten Freunden zusammen genießen macht doppelt Spaß – fragt Ferkel, Eule, Kaninchen, Känga und Tigger!
Gut Ding will Weile haben; so auch das vorliegende Album des australischen Multiinstrumentalisten Xavier Rudd. In seinen Worten hat er es an den Anfang des Booklets geschrieben: „The keys to this album were passed to me a few years ago deep in Kimberley country far north Western Australia through the eyes of an old old old woman spirit red tail black cockatoo (Dt.: Rotschwanz Rabenkakadu). I would like to pay respect to that experience which opened the door to the music and journey that followed and continues to flow. One love one mob for country arms up! Und genau das hat er denn auch getan – Emotionen, Inspirationen und profundes musikalischen Können, das aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen gespeist wird, bringen Hörerinnen und Hörern ein einzigartiges Erlebnis.
Denn Xavier verwebt eigene Sounds (Didgeridoo/Yidaki, stomp box), sein Spiel auf diversen Drums und Perkussionsinstrumenten, Keyboards, Harmonika, Baritone Acoustic Slide Gitarre, 6-seitiger akustischer und elektrischer Gitarre, einer einmaligen Tear Drop Weissenborn Style Acoustic Slide Guitar oder Resonator Slide Gitarre mit Samples aus der Tierwelt wie z.B. den Klängen von Walen oder Vögeln. Und wenn dann noch etwas mehr gebraucht wird, dann kommt auch der Schulchor der Cape Byron Rudolph Steiner School oder die Anishinabe First Nations Big Drum Group dazu. Dann schwingt sich der Spirit Bird für 7:08 zum ganz großen Flug auf und das Bow Down verneigt sich klang- und kraftvoll vor der Natur der Freiheit für alle – unbedingt anhören und mitsingen!
So nimmt uns Xavier Rudd mit zu einigen magischen Plätzen, meist in einer akustischen Grundstimmung aber auch voll Strom und Elektrizität wenn’s besser passt. Unnachahmlich wie er dabei die Weissenborn zeitgleich mit dem Yidaki spielt, aber auch vor Overdubs nicht zurück schreckt, um Titel zu verdichten und dadurch die Stimmung zu erhöhen. Und nicht zuletzt durch seine markante Stimme erhalten die 13 Songs des Albums eine besondere Attraktivität. Es ist gut nachzuspüren, wie der Mann seine kindlichen Fantasiekräfte in die Jetzt-Zeit gerettet hat und sie hemmungslos auslebt. Was früher ein Bär „von sehr geringem Verstand“ war ist jetzt eine Musik von sehr universeller Erfahrung.
Es bleibt als Fazit zu einem überaus faszinierendem Album nur: Singt Ho! Der Bär soll leben! Es ist mir egal, ob Schnee oder Regen, Meine Nase riecht Honig auf allen Wegen. Singt Ho! Leben soll Pu. Er braucht einen kleinen Mundvoll ab und zu! (aus: A.A. Milne – Pu der Bär)