Szenenfoto aus dem Film "Die Halbstarken" mit Horst BuchholzEs begann vor einigen Wochen relativ harmlos: Auf der Webseite des Projekts archive.org tauchten zunächst einige deutsche Filme mit Heinz Erhardt auf. Mittlerweile posten dort einer oder mehrere User zahlreiche Klassiker des deutschen Kinos. Doch das ist ein offener Verstoß gegen das Urheberrecht und gefährdet das Ansehen des gesamten Projektes.

Die Forderung nach einer Liberalisierung des Urheberrechts in Deutschland kann man ebenso verstehen wie die Idee einer "Kulturflatrate". Doch was sich in den letzten Wochen auf archive.org tut, ist ein meiner Meinung nach völlig kontraproduktiver Protest gegen die geltenden Gesetze. Denn während nach amerikansichem Recht Veröffentlichungen ab einem bestimmten Alter gemeinfrei werden, sofern geltende Copyrights nicht verlängert werden, ist diere Regelung in Deutschland vollkommen anders.

Was mit ein paar Klamotten mit Heinz Ehrhard harmlos begann, hat inzwischen gewaltige Ausmaße angenommen. Nach einer von mir vorgenommenen groben Schätzung sind von den in den letzten Wochen neu ins Archiv aufgenommenen Filme rund ein Drittel deutsche Streifen, die mit deutschen Inhaltsangaben versehen sind. Darunter sind auch absolute Klassiker des Nachkriegsfilms wie der 1956 erschienene "Die Halbstarken" mit Horst Buchholz und Karin Baal oder "Serengeti darf nicht sterben" von Bernhard Grzimek. Selbst der DEFA-Schinken "Husaren in Berlin" mit Manfred Krug ist vertreten.

Als Projekt zur Bewahrung kultureller Äußerungen jeglicher Couleur ist archive.org eine der wichtigsten Institutionen im Internet überhaupt. Bücher, Filme, Musikaufnahmen, ja selbst Abbilder längst verschwundener Webseiten oder historische Software wird hier für alle greifbar zur Verfügung gestellt. Doch wer die Seite nutzt, muss sich darauf verlassen können, das die zur Verfügung gestellten Daten dort auch rechtmäßig angeboten werden. In den USA gibt es Verzeichnisse, in denen man nachlesen kann, welche Filme und Aufnahmen den Status der Gemeinfreiheit zu welchem Zeitpunkt erhalten. In Deutschland sind die Regelungen wesentlich komplexer. Meist ist erst 70 Jahre nach dem Tod des letzten Beteiligten dieser Punkt erreicht – sofern die Rechteinhaber die Filme oder Aufnahmen nicht von sich aus freigeben.

Was archive.org fehlt, ist eine einfache Möglichkeit, solche klaren Verstöße gegen das Copyright direkt den Webmastern zu melden. Dies hat zum Beispiel die Community für freie Musik Jamendo vor einger Zeit eingeführt. Dort werden unrechtmäßig gepostete Stücke relativ kurzfristig wieder entfernt (und das auch, wenn etwa der Komponist klassischer Musik noch nicht ganz 70 Jahre tot ist). Da die Uploader allerdings ihre Anmerkungen ganz bewußt auf deutsch tätigen, werden Kontrollen durch die Seitenbetreiber bewußt erschwert. Und damit wird durch – nennen wir die Dinge beim Namen – Raubkopierer das Ansehen eines so bedeutenden Projekts massiv beschädigt.