Heute veröffentlicht die Wasser-Prawda einen Beitrag, der auf der Homepage des Künstlers schon für große Diskussionen gesorgt hat. Ey Lou Flynn schreibt über seine Erfahrungen als Musiker mit Musikportalen.
Ich ergänze den Beitrag noch mit drei Kommentaren, die Ey Lou über Jamendo, CDBaby und Reverbnation geschrieben hat.
Übers ganze Internet verteilt gibt es hunderte, wahrscheinlich tausende verschiedener Band- und Musik-Communities. Sie kommen scheinbar aus dem Nichts, haben große Pläne 2.0, starten voller Elan, scheitern auf ganzer Linie und enden als abgehalfterter www-Zombie oder verschwinden einfach wieder im Online-Nirwana.
Die Tragik der 1000 gebrochenen Musikportale! Warum schreibe ich darüber? Ganz einfach: Auf dem Gebiet kenne ich mich aus. Ich habe tatsächlich Wochen meines Lebens damit verschwendet, mich auf jeder neuen Musikplattform anzumelden. Hier spricht der Experte!
Fast alle dieser Webseiten wollen nämlich um jeden Preis Bands, Nachwuchsmusiker und/oder Musikfans dazu kriegen, sich heerscharenweise zu registrieren und fortan aktiv auf der Seite rumzuwuseln, damit eine lebhafte Community entsteht, die man dann jeden Tag melken kann. Und naive Musikanten wie Ey Lou Flynn, die gerne über das Internet bekannter werden wollen, eilen tatsächlich sofort begeistert herbei, um sich zu registrieren, ihre Songs hochzuladen, gesehen & gehört zu werden, ein paar neue Fans aufzugabeln.
Nach und nach müssen wir Garagenbands und Homerecordler aber ernüchtert feststellen, was uns unsere Präsenz auf all diesen Musik-Startups tatsächlich nützt: Nichts. Das ist keine Untertreibung. Als jemand, der in locker 150-200 Portale reingeschnuppert hat, kann ich hiermit unter heiligem Rockstar-Eid beschwören: 98% aller Anmeldungen waren komplett für die Katz und dass diese ganzen Seiten nach und nach vor die virtuellen Hunde gehen, geschieht ihnen nur recht! Frechheit, so rücksichtslos meine Lebenszeit anzuzapfen!
Was machen die ganzen glücklosen Musikseiten denn falsch? So ziemlich alles, finde ich! Die aus meiner (Musiker)perspektive allgegenwärtigsten Dummheiten lesen sich wie folgt –
Fehler 1: Die Plattformen bringen Bands und Musikfans nicht zusammen.
-> Bands interessieren sich nicht für andere Bands, sie suchen Fans. Ein Musikportal, auf dem hunderte Bands angemeldet sind, auf dem sich aber keine User auf der Suche nach neuer Musik tummeln, erfüllt keinen Zweck für niemanden. Oberste Priorität einer erfolgreichen Plattform muss sein, Bands & Musikbegeisterte auf angenehme Art miteinander zu verkuppeln.
Fehler 2: Die Plattformen erwarten, dass sich ihre Bands aktiv beteiligen.
-> Bands machen Musik und haben keine Zeit, dauernd im Internet rumzuhängen. Wenn wir uns schon auf einer Plattform anmelden und bereitwillig unsere Songs / Fotos / Termine / Bandbio / Videos hochladen, dann erwarten wir, dass die Website gefälligst dafür sorgt, dass unser Content auch beachtet und verbreitet wird. Ja, ohne unsere Mithilfe. Auf Last.fm und sogar auf YouTube funktioniert das ganz gut, warum also nicht auf den ganzen anderen Musikportalen?
Fehler 3: Fast alle Plattformen sind anfangs nahezu unnavigierbar.
-> Ich kann nicht glauben, dass ich das überhaupt erwähnen muss! Ist es wirklich so schwer, ein simples und intuitiv verständliches Interface zu programmieren? Warum können Musik-Communities nicht aussehen wie die Google-Startseite? Warum können Bands ihre Songs nicht mit einem Mausklick hochladen? Warum sind die ganzen Seiten mit 1000 sinnlosen Funktionen zugemüllt? Sind die alle… blöde?
Fehler 4: Die Angebote der Plattformen lösen nicht die Probleme der Bands.
-> Nur ein Beispiel von vielen: Unzählige Musikportale bieten Bands die Möglichkeit, ihre Songs über irgendein cleveres Shopsystem zu verkaufen oder bei iTunes/Amazon etc. einzuschleusen. Was soll das? Jeder weiß, dass unbekannte Bands im Internet de facto keine Musik verkaufen. Eine mitdenkende Musikseite sollte alles daransetzen, begeisterte Käufer für die Songs der Bands zu finden, statt die Bands mit Distributionsmöglichkeiten zu nerven.
Fehler 5: Die Plattformen kümmern sich nicht die Bohne um ihre Bands.
-> Wie gesagt, ich habe mich auf hunderten Seiten jeder Größe und Couleur angemeldet. Ich habe nie auch nur eine einzige persönliche Mail von den Seitenbetreibern bekommen. Was ist so schwer daran, einen persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern seiner Community herzustellen? Mal nachzufragen, wie es uns gefällt, Interesse zu zeigen, hilfreiche Vorschläge und Angebote zu machen? Nein, nicht per Rundmail, sondern persönlich. Na klar ist das zeitlich machbar.
Fehler 6: Die Plattformen verarschen ihre eigenen Mitglieder.
-> Und das ist wirklich der Gipfel! Weil in den meisten Musik-Communities in spe keine spürbare User-Aktivität herrscht, wird diese Aktivität mancherorts einfach vorgetäuscht. Weniger dreist, aber auch daneben: Fast alle Musikseiten versuchen, sich durch Schönfärberei des eigenen Angebots oder unhaltbare Versprechungen attraktiver zu präsentieren, als sie sind. Musiker neigen vielleicht zu treudoofer Naivität, aber solche plumpen Praktiken durchschauen sogar wir früher oder später.
Zusammenfassend kann ich ohne Groll oder dramatisierende Zuspitzung sagen, dass die allermeisten Musikportale undurchdacht aus dem Boden gestampft sind, für Bands und Musikfans keinen Nutzen bieten und völlig zu Recht auf keinen grünen Zweig kommen. Das Problem ist nicht die vermeintlich allgegenwärtige Konkurrenz, das Problem ist, dass die wenigsten Plattformen wirklich auf die Bedürfnisse der Bands und User zugeschnitten sind, die sie für sich gewinnen wollen.
So warte ich zusammen mit tausenden von Bands und Musikern weiter auf mein perfektes Musikportal. Hoffentlich gründet das endlich mal jemand, es eilt!
PS – Heute bin ich noch auf MySpace, Facebook, YouTube, Twitter, Vimeo, Last.fm & Jamendo aktiv (mehr oder weniger). Alle haben ihre Schwächen und nur die letzten beiden sind reine Musik-Communities.
Kommentar 1:
“Musikportal” ist natürlich ein schwammiger Begriff, das kann im Grunde alles oder gar nichts heißen. Die Totalschelte da oben bezog sich vor allem auf diese Seiten, die sich bevorzugt von No-Name-Bands ernähren (track4, purevolume, uptrax, regioactive, regiomusik, bandboard, elixic, MOM, garageband und und und und und).
Also nicht iTunes, die auf die Chartstürmer ausgerichtet sind und nicht die Wasser-Prawdas, in denen redaktionelle Berichterstattung über Bands im Vordergrund steht.
Jamendo, tja. Ich finde Jamendo sympathisch, deswegen lade ich da auch meine Sachen hoch. Was mich aus Musiker-Sicht stört: Der Upload-Vorgang selbst ist eine ziemlich unübersichtliche Katastrophe, vor allem, wenn eine Band ganz brav alle Zusatzinfos angeben will, nach denen die Seite fragt.
Was mich misstrauisch macht, ist die Spenden-Funktion, die man auf Jamendo aktivieren kann. Was die meisten User nicht wissen: Jamendo zahlt Spenden laut ihrer eigenen FAQ erst dann an Bands aus, wenn die stolze Summe von mindestens 100 Euro zusammen gekommen ist. Weil aber 99,8% aller Bands diesen Betrag niemals erreichen werden, würde mich schon mal interessieren, wie viel von den gespendeten Beträgen Jamendo bis jetzt wirklich ausgezahlt hat und ob am Ende gar – tusch – die meisten Spendenbeträge niemals an die Bands fließen, für die sie gedacht waren!?
Für mich ganz persönlich ist Jamendo aber nicht wirklich wichtig weil, naja, bis jetzt hatte ich da vielleicht 150 Album- und Songdownloads “von alleine”, also ohne irgendwie Werbung zu machen. Meiner Meinung nach ist das fast schon peinlich wenig, dafür, dass es kostenlose Downloads sind Hier auf der Website, wenngleich immer noch ein kleiner Fisch, wird schon in ganz anderen Dimensionen runtergeladen. Und viele Leute bezahlen hier sogar im Fanshop, freiwillig! Ich… tschuldigung, ich muss mir jetzt ein Taschentuch holen, ich bin gerade so gerührt
Kommentar 2:
Reverbnation ist so eine Seite mit 10.000 Funktionen, aber irgendwie ist nicht viel für mich dabei. Die Player und Widgets sind sehr, sehr nett – allerdings hab ich keinen wirklichen Bedarf danach. Dieses ganze Streetteam – Fan-Funneling und was-weiß-ich-was-Gedöns, das die da betreiben, ist für mich pers. total nutzlos, denn es verhält sich doch so:
Niemand trägt sich mit seiner Mail in einen Newsletter-Verteiler oder einen “Streetteam-Kasten” ein, weil er irgendein buntes, englischsprachiges Widget unter die Nase gehalten kriegt. So läuft das nicht. Wenn ich dagegen mit jemandem persönlichen Kontakt habe, hier und da ein paar Mails und Kommentare hin und her wandern, dann wird manchmal auch, ich formulier’s mal ganz selbstverliebt, eine dauerhafte “Fan-Künstler-Beziehung” draus. Dafür braucht es dann aber gar keine Reverbnation-Tools.
Wenn die Seite aber auch deutschsprachig verfügbar wäre und generell in Deutschland eine Rolle spielen würde (was sie nicht tut), wär sie vielleicht ganz interessant…
Kommentar 3:
Um nicht nur zu meckern – ein Positivbeispiel für eine absolut GRANDIOSE Musikseite, bei der wirklich mitgedacht wird, bei der sich gekümmert wird und die fantastisch zu bedienen ist, wäre übrigens CDBaby. Das ist, finde ich, der leuchtendste Stern weit und breit. Im Moment bin ich noch so am Anfang, dass mir deren Angebot nicht viel nützt, aber ich schätze, früher oder später springe ich da auf. Würde ich englischsprachige oder Instrumentalmusik machen, hätte ich mich da schon längst angemeldet.
Die Seite ist übrigens nicht ohne Zufall konkurrenzlos profitabel. Ich sag ja, wenn eine Plattform nur etwas tolles bietet, wird sie auch gefeiert und in Gold gebadet.