Die WM ist gelaufen, die Ferien sind vorbei - es ist wieder Zeit für gute Musik. Viele von uns waren in Brasilien und haben das Fußballfest verfolgt. Das Land ist voller Musik, die wunderschönen Frauen tanzen mehr oder minder bekleidet den ganzen Tag Samba auf den Straßen, die Sonne scheint und in Deutschland trägt jeder eine Lederhose.
Brasilien ist ein großes Land mit alten Traditionen. Es ist ein Land der Gegensätze dessen Probleme nicht mit einem Ball gelöst werden können.
Mir ist aufgefallen, daß von mir sehr geschätzte Musiker wie der leider verstorbene Lynwood Slim, Dave Riley und viele andere offenbar gern in Brasilien spielen und dort regelmäßig touren.
Blues in Brasilien?
Der echte Blues Fan kennt vielleicht Igor Prado oder den Harper Luciano Bocca – das war es dann aber schon. Dann bin ich über Joe Marhofer und seine Headcutters gestolpert und war schlichtweg begeistert.
Blues in Brasilien ist für mich eine relativ neue Entdeckung. Umso mehr freut es mich, daß der Frontmann Joe Marhofer von brasiliens führender Blues Band The Headcutter Zeit fand, sich mit uns zu unterhalten.
Joe Marhofer ist Harpspieler und Frontmann der brasilianischen Band The Headcutters. Sie treten bei (internationalen) Blues Festivals auf und touren mit Größen wie Phil Guy, Eddie C. Campbell, Billy Branch, Kim Wilson, Billy Flynn, Lynwood Slim, Magic Slim, Mitch Kashmar, Kenny Neal, Dave Riley und vielen anderen. Mit neunzehn entdeckte Joe die Harp und gründet dann die Band The Headcutters. Er sagt, sein Stil sei durch Little Walter, Sonny Boy Williamson, Big Walter Horton und Muddy Waters beeinflußt worden.
Die Headcutters leben den Blues der 40er und 50er Jahre. Bislang liegen zwei Alben <Back to the 50’s> (2009) und <Shake that Thing> (2013) vor. 2011 wurde die DVD <Sweet Home Blues> veröffentlicht. Die Band wird Ende September 2014 eine große US-Tour antreten und unter anderem beim berühmten King Biscuit Festival in Helene Arkansas spielen.
Interview mit Joe Marhofer
<em>BK: Schön, Dich zu treffen Joe. Wie geht‘s Dir?</em>
JM: Vielen Dank Bernd, mir geht es gut.
<em>BK: Wie Du weißt, sind wir aus Deutschland. Wir erwarten Samba, Bossa Nova und etwas Jazz aus Brasilien, nicht gerade Blues.</em>
JM: Yeah, Brasilien hat eine Menge verschiedener Musikstile, ich kann Dir gar nicht sagen, warum der Blues uns erwischt! LOL!
BK: Wie hast Du deinen Weg zum Blues gefunden, Joe?
JM: Durch Hören und viel Spielen … und vergiss nicht die Zeiten, wo wir hier gemeinsam mit großartigen Bluesmusikern aus den USA gespielt haben. Dadurch haben wir auch eine Menge gelernt.
BK: Warum spielt Ihr die Musik der 40er und 50er Jahre?
JM: Ich glaube, das war die beste Zeit, die der Blues je hatte. Die Musiker in dieser Zeit waren äußerst kreativ und der Klang war fantastisch, ganz anders als vorher oder danach.
BK: Ist es nicht hart, vom Bluesspielen in Brasilien zu leben? JM: Yeah … Es ist ein harter Weg, aber wenn man liebt, was man tut, dann findet man auch seinen Weg!
<em>BK: Erzähl uns doch bitte etwas über die Headcutters. Der Bandname klingt gefährlich.</em>
JM: hehehe!! Klingt gefährlich, ist es aber nicht! Wir haben diesen Namen n als Tribut an die Band Headhunters von Muddy Waters, Little Walter und Jimmy Rogers gewählt.
Wir sind vier Freunde, die seit unserer Kindheit in der gleichen Gegend wohnen. Wir lieben den Blues aus der Zeit nach dem Krieg. Wir machen unsere Aufnahmen gern mit alten Analoggeräten. Das schließt auch ein Spulentonband ein. Daher ist unser Sound einzigartig und anders als bei den meisten Bluesaufnahmen zur Zeit.
Unsere erste CD „Back to 50‘s“ kam 2009 heraus und wurde in drei Nächten im Geschichtsmuseum von Itajaí aufgenommen. Die DVD „Sweet Home Blues“ (2011), aufgenommen mit Bildern in Full HD wurde in einem Raum aufgenommen, wo sich die Band regelmäßig trifft. Er wird „Attic Blues“ genannt und befindet sich im Haus der Catusos. Die letzte Sache, die wir veröffentlicht haben, war die CD „Shake That Thing“ (2013), bei der wir mit Künstlern wie Igor Prado (Br), Omar Coleman (USA) und Richard „Rip Lee“ Pryor (USA), dem Sohn des legendären Harpspielers Snooky Pryor, zusammengearbeitet haben.
BK: Ok, ich stimme Dir zu. Als ich die total entstpannte DVD „Sweet Home Blues“ (nebenbei: ich liebe diese Scheibe!) anschaute, konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass diese Musiker in physischen Hinsicht gefährlich sein könnte.
JM: Yeah, ich hab schon vom großen Willie Dixon gelernt: ”you can’t judge a book by looking at the cover…”
BK: Um wieder ernst zu werden: Wie würdest Du die Blues-Szene in Brasilien beschreiben? Bei uns kann man vielleicht Musikern wie Igor Prado begegnen. Und ich weiß, dass Luciano Boca ein großartiger Harpspieler ist. Aber damit hat es sich auch schon.
JM: Brasilien hat eine großartige Bluesszene. Es gibt eine Menge guter Musiker, die ganz ernsthaft die Musik betreiben. Und mittlerweile gibt es auch viele gute Blues Festivals hier. Und dadurch wächst und gedeiht die Szene! Ich weiß nicht, wie es in den 80er Jahren war. Und auch von den 90ern hab ich nur wenig Ahnung, aber ich glaube, durch das Internet-Zeitalter kann man den Blues leichter entdecken, wenn man es will. Das ist in Brasilien genauso. Ich kann sagen, dass wir großartige Musiker haben, die wirklich guten Blues spielen. Ich bin überzeugt, dass die brasilianische Leidenschaft für die Musik genau zum Blues passt. Immer mehr Menschen lieben den Blues. Auch wenn nicht alle die Texte verstehen, fühlen sie den Geist! Aus diesem Grund hat sich der Blues hier zu einem guten Geschäftsfeld entwickelt.
<em>BK: Ende September 2014 werden The Headcutters durch die Vereinigten Staaten touren. Es ist bekannt, dass Ihr sehr gerne Größen aus den USA einladet, mit Euch zu spielen. Erzählst Du uns, wer das in diesem Jahr sein wird? </em>
JM: In diesem Jahr machen wir den Trip unseres Lebens! Es ist unsere erste große Tour in den USA und für uns ein Traum, der in Erfüllung geht. Wir werden mit den Silver Kings aus Kalifornien spielen, mit Jon Atkinson, Omar Coleman und Rip Lee Pryor. Er wird eine Zeit des Lernens sein - und eine Zeit, unseren Blues noch besser zu machen!
BK: Um zum Ende zu kommen: Gibt es auch Pläne für Tourneen in Europa?
JM: Ja, wir wollen eigentlich im nächsten Jahr in Europa touren. Aber bis jetzt ist da noch nichts engültig gerklärt. Hoffentlich wird das bald geschehen.
<em>BK: Joe, willst Du unseren Lesern noch irgend etwas mitteilen? </em>
JM: Ich will Dir nur für Deine Hilfe danken und für das Interview, Bernd! Und ich bin glücklich über das, was Du über unsere Band sagst. Wir lieben einfach den Blues und wollen ihn hier unten in Brasilien und in der ganzen Welt am Leben erhalten.
<em>BK: Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast, Joe! Viel Spaß bei der Tour. Und hoffentlich sehen wir Euch auch bald in Deutschland!</em>
Hörempfehlung
In Itajai (die Amerikaner würden sagen, es liegt in der Nachbarschaft von Sao Paulo) hat Joe Marhofer – seine Großeltern stammen aus Deutschland – die Headcutters gegründet. Die Band hat bislang zwei CDs („Back to 50’s“ und „Shake that Thing“) und eine DVD (Sweet Home Blues“) vorgelegt. Als Gäste sind u.a. der bereits genannte Igor Prado und Richard ‚Rip Lee‘ Pryor vertreten. Der Leckerbissen „Back to 50’s“ wurde live eingespielt und enthält Cover von Little Walter, Sonny Boy Williamson, Jimmy Rogers und mit „T-Bonin“ eine Eigenkomposition. Die aktuelle CD „Shake that Thing“ bietet neben Igor Prado’s „Omar’s Nap“ ausschließlich Eigenkompositionen.
Die Headcutters setzen sich durch ihren eigenständigen, coolen und lässigen Stil deutlich von der Masse der Retrobands ab. Die Musiker halten jedem internationalen Vergleich stand. Sie haben einen schwer zu beschreibenden Sound gefunden, bei dem ganz tief drinnen das südamerikanische Temperament einfließt. Es gibt hier keine guten oder schlechten Stücke oder Interpretationen, es gibt packenden, mitreißenden Blues ohne eine Minute Langeweile. Dazu gibt es dann jede Menge gute Laune.
Der ganz große Leckerbissen ist für mich die DVD „Sweet Home Blues“ von 2011. Die Aufnahmen sind in einem Dachstudio entstanden. Die Vier sind so cool und haben so viel Spaß bei den Aufnahmen, daß der Funke voll auf den Zuschauer überspringt. Ein so eindrucksvolles unprätentiöses Kammerblueskonzert habe ich noch nicht erlebt. Das muss man gesehen haben.
Die Band ist ganz klar ein Geheimtipp. Ich kann nur hoffen, daß sich, vielleicht auch durch die anstehende große US Tour, ein Promoter findet, der die Band nach Europa bringt. Unser Publikum wäre begeistert.