Von Slim Harpos Swamp Blues aus den Sümpfen Louisianas bekam man bisher nur die verschiedenen Singles zu hören, die Excello im Laufe der Jahre auf den Markt geworfen hatte. Jetzt hat sich Bear Family des sträflich unterschätzten Musikers angenommen und das Gesamtwerk (inklusive eines frühen Live-Mitschnitts) auf fünf CDs zusammengefasst.
Greifswald, irgendwann Mitte der 80er Jahre. Für einen Bluesfan mit wenig Geld waren die regelmäßigen Besuche im An- & Verkauf die günstige Variante, um wenigstens einige der wirklich guten Scheiben der AMIGA-Blues Collection zu ergattern, ohne jedes Mal gleich 16 Mark auszugeben (was beim Stipendium von 200 Mark eher selten angebracht war). Und dann gab es dort zuweilen auch die absoluten Überraschungen: Eine in Westberlin aufgenommene Jazz-Rock-LP von Klaus Lenz etwa. Selbst das zweite Album der Klaus Renft Combo, sonst schon zu Fantasiepreisen bei Fans gehandelt, konnte man entdecken. Und dann dieser Tag: Slim Harpo Knew The Blues hieß das Album, herausgebracht bei einem französischen Label. Fünf Mark Ost – und ich lernte eine ganz andere Version des Blues kennen und lieben: Leise, oft melancholisch und vor allem viel relaxter als der harte Chicagoblues von Waters & Co. Paar Stücke kannte ich schon in Fassungen der Stones. Aber die fielen im Vergleich zum Original komplett aus der Playlist.
Das versteht selbst Mick Jagger, der einmal meinte: I mean what‘s the point in listening to us doing ‘I’m a King Bee’ when you can hear Slim Harpo do it?
Slim Harpo (eigentlich: James Moore) war fortan einer der Musiker, den ich wirklich guten Freunden empfahl. Aber bei aller Begeisterung: Auch nach der Wende konnte ich nur wenig mehr von Harpo in den Läden entdecken. Jetzt hat Bear Family dem endlich abgeholfen. Neben zwei CDs mit bekannten und schon immer mal wieder veröffentlichten „Hits“ gibt es in der gewohnt reich ausgestatteten Box zwei weitere Scheiben mit unverwendeten Sachen aus den Archiven. Und ein komplettes Konzert aus den 60er Jahren.
Fünf CDs mit dieser melancholischen Harp, mit Louisiana-Blues der ganz relaxten Sorte – das ist ein wundervolles Weihnachtsgeschenk! Und vor allem ist es die längst überfällige Würdigung eines Musikers, dem zeitlebens der große Erfolg versagt geblieben war, der vielen heute eher durch Cover seiner Songs nicht nur von den Stones, sondern auch von den Doors, Grateful Dead, Muddy Waters oder Otis Redding bekannt ist.