Etwa 30 Jahre nachdem King Oliver, Jelly Roll Morton und Louis Armstrong in New Orleans die ersten Kapitel im Buch des Jazz geschrieben hatten, stand die Stadt erneut im Mittelpunkt einer musikalischen Revolution, nur dass die Rebellen diesmal nicht vom Jazz, sondern vom R&B kamen. Einer der Gründungsväter dieser Musik in New Orleans war Roy Brown.
Der R&B war nicht nur das Ergebnis musikalischer, sondern auch ökonomischer Entwicklungen. In den 30er Jahren, dem Zeitalter des Swing, beherrschten große Orchester die Szene. Aber nach dem Krieg hatte sich die Situation geändert. Der Trompeter Dave Bartholomew drückte es so aus: „Die Big Bands zu unterhalten, wurde zu teuer. Die Bandleader mussten die Zahl der Orchestermitglieder niedrig halten, um überhaupt konkurrenzf¨ahig zu bleiben. Und so kam der sparsame R&B-Sound zustande.“
“Wenn ich gefragt würde, wann genau der R&B in New Orleans aufkam, dann müsste ich sagen, in dem Moment, als Roy Browns ”Good Rockin’ Tonight“ durch den Äther klang.“ erinnert sich ein DJ. Der 1925 geborene Brown hatte den Text seines größten Hits auf eine Papiertüte gekritzelt. Das wusste jedoch keiner. Und als er zum ersten Mal im Radio gesendet wurde, waren nicht nicht nur seine zukünftigen Fans sondern auch Deluxe Records begeistert, die ihn sofort unter Vertrag nahmen. Der Song wurde ein Bestseller des Labels. Und Roy Brown wurde bald zum Lieblingskind des musikalischen New Orleans. Brown selbst kam in den „Race-Charts“ auf Platz 13. Wynonie Harris kam bis auf Platz 1. Und mit Elvis schaftte es der Titel dann auch in die Popregionen und wurde zum Klassiker.
”Ich kam am 10. September 1925 in New Orleans, Louisiana, zur Welt“, erzählte er dem R&B-Historiker Jonas Bernholm. ”Mein Vater, Yancey Brown, war Gipser und Maurer. Meine Mutter Truelove war Lehrerin und zu zwei Dritteln Algonquin-Indianerin, eine schöne Frau, etwa 1,80 m groß, mit glattem, pechschwarzem Haar, sehr temperamentvoll und launenhaft. Meine Stimme erbte ich von ihr. Sie sang die führende Stimme im Chor – nicht ganz Mahalia Jackson, aber nicht weit davon entfernt. Wenn wir Kinder Baseball spielten, unterbrachen wir unser Spiel, sobald sie zu singen anfing, und lauschten ihr andächtig.“
Roy Browns Mutter starb, als er 14 Jahre alt war. Er wurde professioneller Boxer und gewann 16 von 18 Kämpfen, gab das Boxen aber bald wieder auf. ”Ein grausamer Sport“, meinte er. Nachdem er einen Talentwettbewerb in Los Angeles gewonnen hatte, verlegte er sich aufs Singen, zog nach Texas und widmete sich fortan dem Blues.
Von 1946 bis 1951 spielte Brown 11 R&B-Hit-Singles ein, doch er schien auch Rock ’n’ Roll im Blut zu haben. Er starb 1981 an einem Herzinfarkt, gerade, als er endlich die wohlverdiente internationale Anerkennung erhielt.