Cover und Albumtitel können ganz schön in die Irre führen: Cruisin For A Bluesin von dem kalifornischen Gitarristen Ray Bailey ist nur bedingt ein Bluesalbum für entspanntes Cruisen durch die kalifornische Sonne. Die elf Songs drehen sich viel häufiger um harte Schicksalsschläge und die Unfairness des Lebens überhaupt.
Als 1993 Ray Baileys Debüt "Satan's Horn" erschien, da sprachen viele schon vom Start einer großartigen Karriere. Doch statt dessen verschwand der aus Los Angeles stammende Gitarrist und Songschreiber bis 2009 völlig von der Bildfläche, kümmerte sich etwa um seine kranken Eltern. Mit dem Live-Album "Resurrection" meldete er sich dann schließlich doch noch zurück. Und im Januar 2012 erscheint mit "Cruisin' For A Bluesin'" auch wieder einmal ein Studiowerk. Und wenn ich endlich sage, dann nicht nur wegen einer einfachen Zeitbestimmung. Sondern auch, weil man hier einen Gitarristen hört, wie es ihn nur selten gibt: Scharf schneiden einen sein Linien in die Ohren. Die oft kolportierte jazzige Leichtigkeit des Kaliforniers wird kombiniert mit der Härte und Rauhheit des klassischen Deltablues. Und neben an B.B. King gemahnenden Melodielinien wechselt er immer wieder auch in einen Akkord-Stil, der an die Farbigkeit von Wes Montgomery erinnert. Und ab und zu schreien die sechs Saiten gar wie bei Jimi Hendrix.
Nun sind die elf Songs von "Cruisin' For A Bluesin'" aber längst nicht nur Showcases für einen brillianten Gitarristen. Sondern sie sind oft auch tief persönliche Erzählungen eines vom Schicksal getriebenen Menschen, der bei allen Genickschlägen nicht verbittert sondern sogar weise geworden ist. "I Just Can't Cry No More" oder "Hoe's Heart" etwa bringen diese Weisheit mit einer Sprache zum Ausdruck, die ihre Wurzeln in den dreckigen Nebenstraßen der Glitzermetropole hat. Erst bei Bailey's Interpretation des Klassikers "Going Down Slow" ist man wirklich beim "typischen" Blues aus Kalifornien gelandet: eine entspannte jazzige Nachtclub-Atmosphäre, soulige Wärme und eine Stimme, die an den großen Bobby "Blue" Bland erinnert. Wenn dann nicht wieder ironische Untertöne das Bild brechen würden. Und die Angst vor dem nächsten Schicksalsschlag die scheinbar ergebene Haltung des Sängers aufbrechen würde.
"Cruisin' For A Bluesin'" von Ray Bailey – ein großartiger Start in das Bluesjahr 2012 bei der Wasser-Prawda.