Predigt vom 27. Januar 2008 von Raimund über Text: Jesaja 55, 10-12a

 

Ihr Lieben,

in den letzten Wochen hab ich mich mal ganz in mich zurück gezogen. Irgendwann waren mir die ganzen Worte zu viel, die ich immer hören und sagen musste oder sollte. Alles in mir drin schrie einfach nur noch: Schluss damit! Ich kann es nicht mehr hören! Ich will nichts mehr sagen müssen. Ich brauch einfach meine Ruhe.

Und das möglichst lange. Dann ging das Handy kaputt. Und kurze Zeit später auch noch das Telefon. Stille wars in der Wohnung am Abend, wenn ich von dem bissel Arbeit, was ich mir immer so suche, zurück kam. Stille. Nur ein wenig Musik aus dem Radio oder von Platte. Vielleicht auch ab und zu mal ein Film. Aber eigentlich war ich auch dazu viel zu müde.

Ich weiß nicht, ob Ihr solche Zeiten kennt, ob Ihr auch das Gefühl habt: Ich kann und mag niemanden hören oder sehen. Mir jedenfalls war das ganz wichtig. Denn tief in mir drin ist mir klar, dass ich zuerst mit mir selbst klar kommen muss, ehe ich anderen etwas sinnvolles sagen kann.

Denn nichts ist schlimmer als leicht daher geplapperte Worte:

– Dahergeredete, unüberlegte, sinnlose Worte,
– freche, gehässige, verletzende, ja bösartige Worte,
– gedrechselte, gestelzte, arrogante Worte,
– umständliche, amtliche, kühle und darum kalt wirkende Worte,
– kritische, unbarmherzige, aburteilende und darum tötende Worte.

Nicht jedes Reden ist hilfreich und ermutigend. Manches Wort entmutigt und zerstört.

Worte sind wichtig und können viel bewirken. Doch ist es nötig, das Hören und das Reden richtig zu lernen.

Jes 55, 10-12a
55,10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und läßt wachsen, daß sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen,
55,11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mirzurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
55,12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.

Man hat den namentlich nicht bekannten Propheten, dessen Worte sich am Schluß des Jesajabuchs finden, den Poeten unter den Propheten genannt. Und tatsächlich, so wenig wir sonst von diesem Mann wissen, mit dieser Charakterisierung als eines Poeten ist er schon zutreffend beschrieben. Einige der bekanntesten und schönsten Worte des Alten Testaments danken wir ihm, der Schönheit und Kraft seiner Sprache.

Das Wort wie ein Regen, der fruchtbar macht und für Nahrung sorgt – ich sehne mich danach, dass mir solche Worte begegnen. Und ich sehne mich danach, solche Worte anderen sagen zu können anstatt des üblichen Smalltalks.

Eigentlich möchte ich, diesem Wort nachdenkend und nachgehend, die Bibel, dieses Prophetenbuch schließen können, und sehen und erfahren, wohin es mit mir geht, dieses Versprechen Gottes. Eigentlich möchte ich das Vertrauen dieses Propheten haben, mich mitnehmen zu lassen von diesem Bild des Regens vom Himmel. Eigentlich möchte ich das, und muß mich doch fragen, ob ich es kann. Höre ich denn wirklich hin?

Hast Du in der Zeit Deines Rückzugs in die Bibel geschaut oder im Gebet mit Gott geredet?, fragte mich Ingo, als er den Entwurf meiner Predigt gelesen hatte.

Oder ist der ganze Rückzug eigentlich nicht mehr als ein völliges Verstopfen der Ohren gewesen?, müsste ich seine Anfrage ergänzen. Denn der Weg in die Stille und ins Schweigen, wie ihn nicht nur Christen sondern Anhänger verschiedener Religionen immer wieder gegangen sind und noch heute gehen, darf nicht einfach bloß ein Verschließen der Ohren nach außen und innen sein.

Das allerdings war es bei mir am Anfang. Ohren zu und raus (aus dem Trubel) statt Augen auf und durch. Doch nach einigen Tagen änderte es sich langsam. Irgendwann wurde ich ruhiger und konnte – zaghaft tastend und stockend – wieder mit Gott reden. Ich hab es zumindest versucht: Gott: hier bin ich mit all meiner Schwäche. Ich weiß nicht weiter. Ich habe Angst. Hilf mir, denn ich kann es nicht allein.

Doch mit Gottes Antworten ist es nicht so einfach. Jedenfalls dann nicht, wenn man das Hinhören fast verlernt hat. (Und auch nicht, wenn man nicht damit rechnet, dass andere Menschen einem die Antwort geben könnten.)

Das Wort wirkt leise und langsam. Um es zu hören, muss man Herz, Kopf und Ohren öffnen. Und man muss andere Dinge wegschieben, damit man es nicht überhört.

Das Wort, Gottes Wort, das so still und zwingend wirkt, wie Regen und Schnee vom Himmel fallen – Ich glaube, wir verlernen immer mehr unsere Gabe zum Hören und Reden. Wir sind es gewohnt, im Sekundentakt von einem Thema zum anderen zu springen und können es nicht ertragen, wenn wir uns mal für eine Stunde ganz auf ein Thema einlassen sollen. Sie habe den Eindruck, hat die Schriftstellerin Ingeborg Drewitz einmal gesagt, daß wir längst dabei sind, "im Gerede zu verkommen, sprechen, um zu sprechen, nicht mehr, um zuzuhören… Worte flattern als Hülsen, sind nicht Regen, nicht Schnee, sammeln sich zu Slogans, zu Phrasen, fallen auf den Boden, bedecken ihn, anstatt ihn… fruchtbar zu machen".

Hören, Sprechen und die Erfahrung von Gott gehören untrennbar zusammen. Das findet sich in der Bibel an allen möglichen Stellen. Als die Menschen nicht nur eine Stadt errichten, sondern sich auch anschicken, einen Turm zu bauen, der selbst Gott deutlich vor Augen führen soll, wer hier in Babylon das Sagen habe, da verwirrt Gott die Einheitssprache der Menschen in unzählig viele (1. Mose 11, 1 – 9). Eine Gegengeschichte zur Turmbauerzählung steht dann im Neuen Testament aufgeschrieben: Als Furcht und Unsicherheit von den Freunden des Mannes aus Nazareth Besitz ergriffen hatten, weil ihr zum Leben auferstandener und dann in den Himmel zurückgekehrter Jesus nicht mehr unter ihnen war, kam leuchtend Geistvolles vom Himmel und befähigte sie, in einer Art und Weise von der Liebe Gottes zu erzählen, dass jede und jeder sie verstehen konnte, unabhängig von eigener Herkunft, Nationalität, Religion und Sprache (Apostelgeschichte 2, 1ff).

Wie ein roter Faden durchzieht zudem unzählige Geschichten des Ersten wie auch des Neuen Testaments dieses eine wunderbare Wissen, dass Gott mit uns Menschenkindern ins Gespräch kommen möchte. "Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei" (1. Mose 1, 26), so verlautet es in der Schöpfungsgeschichte.

So innig ist der Wunsch Gottes, sich uns mitteilen zu können, dass er einen geradezu genialen, wunderbar verrückten Plan fasst: Er kommt uns unendlich nahe in Jesus von Nazareth. Herrlich, wie der Johannes im Neuen Testament die Ankunft des Gottes- und des Menschensohnes auf den Punkt gebracht hat: "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit" (Johannes 1, 14). Dass der Johannes, wenn er von Jesus erzählt, das Bild vom "Wort" gebraucht, unterstreicht nur einmal mehr, dass Gott dich und mich ansprechen möchte und das mitten in unseren Alltag hinein…

Es hat allerdings den Anschein, dass wir uns bisweilen ganz schön schwer damit tun, dem Ursprung aller Liebe zuzuhören dem Wort Gottes Raum zu geben in unserer Seele, damit es seine Kraft entfalten kann. Zu vielfältig sind die Stimmen, die auf uns in jeder Stunde einstürmen. Um unsere Aufmerksamkeit wird geworben im Fernsehen und im Radio, in Zeitungen und Zeitschriften und auch im Internet. Mittels SMS werden wir selbst übers Handy umgehend davon in Kenntnis gesetzt, wenn irgendwo auf unserem blauen Planeten etwas Erzählenswertes sich zuträgt.

Jede Menge Wörter – doch übertönen sie irgendwann das leise Wort, das so unauffällig ist wir leise fallender Regen. Ich hab mir in den letzten Wochen das Zuhören auf diese Wörter selbst verboten, weil es mir einfach zu viel wurde.

Die Stille, dass sollte erst mal ein Schutz sein und der Versuch, Dinge für mich selbst auf die Reihe zu bekommen. Doch letztlich wurde mehr – und eigentlich etwas ganz anderes – daraus. Da hat etwas angefangen, was so nicht geplant war: Ein neues Reden mit Gott begann, was in der Zeit zuvor viel zu kurz gekommen war in dem alltäglichen Trubel. Und es begann ein aufmerksameres Hören und Forschen, wo Gott zu mir spricht. Das sind alles noch zaghafte Anfänge. Ich will und kann mich jetzt nicht hinstellen und sagen: alles ist in Ordnung. Aber ich vertraue darauf, dass Gott mich halten wird in aller Angst und Verzweiflung, die immer mal wieder über mich kommen.

Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen,

11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen.

AMEN.