Predigt vom 16. Dezember 2007 von Raimund

Text: Jesaja 40, 1-8

Ihr Lieben,

Macht Platz, räumt auf! So beginnt ein Lied, was wir früher immer gerne in der Jungen Gemeinde gesungen haben. Macht Platz, räumt auf, Gott will neu beginnenn. Ähnlich formuliert es auch der Prophet in seiner Ansprache. Bereitet dem Herrn den Weg – macht Platz für ihn. Räumt alles weg, was ihn stören könnte.

Bereitet dem Herrn den Weg! Das hören wir im Advent. Gott kommt zu uns. Bereitet Euch darauf vor. Wie ist das, wenn Ihr Euch auf einen Besuch vorbereitet? Meine Mutter gerät schon Tage vorher in eine leichte Panik. Alles muss in Ordnung gebracht werden. Ja keine Schmuddelecken mehr in der Wohnung lassen! Alles soll möglichst perfekt aussehen. Damit der Besuch sich wohlfühlt, aber auch, damit er nichts schlechtes über uns zu reden hat.
Wie aber soll ein Weg aussehen, der für die Ankunft Gottes richtig ist? Es müsste ja wohl alles vom Feinsten sein, ein glatt gepflasterter Weg, möglichst Marmor, mit Säulenhallen, hell erleuchtet, nur das Beste aus unserm Leben, der rote Teppich ausgerollt. Dann könnte Gott kommen. Die Schmuddelecken, die gekitteten Stellen, die Löcher und Risse, alles was nicht passt und glänzt, das braucht er ja nicht gleich zu sehen.

Ob Gott aber sich etwas vormachen lässt, wenn wir ihn empfangen? Wohl kaum. Denn er kennt uns ja und weiß, was mit uns los ist. Er schaut hinter die Fassaden und lässt sich durch Flickwerk nicht täuschen. Was aber soll das dann für uns heißen: Bereitet dem Herrn den Weg?

Tröstet, tröstet mein Volk,spricht der, der mit euch sein will.
Redet freundlich mit Jerusalem und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat und ihre Schuld vergeben ist,
denn sie hat doppelt Strafe empfangen von der Hand Gottes für all ihre Sünden.
Es ruft eine Stimme: Bereitet einen Weg in der Wüste, dem der mit euch gehen will.
Macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott.
Alle Täler sollen erhöht und alle Berge und Hügel erniedrigt werden.
Was uneben ist, soll gerade und was hüglig ist, soll eben werden.
Denn der Lichtglanz dessen, der mit dir sein will, soll offenbar werden
und alle Menschen werden es sehen.
Es spricht eine Stimme: Sag es weiter!
Und ich sprach: Was soll ich sagen?
Alle Menschen sind wie Gras
Und all ihre Güte gleicht der Blume auf dem Feld.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt,
denn der Atem dessen, der alles umgibt, bläst darein.
Ja, wie Gras sind die Menschen.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt,
aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Es war einige hundert Jahre vor Christi Geburt. Israel hatte einen Krieg verloren, war von der Landkarte verschwunden. Alle wichtigen Leute im Lande waren nach Mesopotamien verschleppt worden. Und da hat ein Prophet die Vision, dass Gott mit diesen seinen Leuten nach Jerusalem zurückkehrt. Mitten durch die Wüste ziehen sie, niemand kann Gott aufhalten. So mächtig ist er, dass selbst die fest stehenden Berge sich verneigen und sich ihm nicht in den Weg stellen. Es gibt eine ebene Bahn, dort wo eben noch alles feindlich, unwegsam und unüberwindlich war. Bahn frei! ruft ein Herold, bereitet dem Herrn den Weg, Achtung, jetzt kommt Gott! Er befreit die Gefangenen, er macht alles gut.

Und natürlich sind es nicht die Menschen, die die Bergwüste zur ebenen Straße machen, sondern Gott selbst bahnt sich seinen Weg. Es ist sein Triumphzug, der da stattfindet. Als reiche Beute führt er alle die mit, die er befreit hat. Eine unglaubliche Vision mitten in der Gefangenschaft, als alle die Hoffnung verloren haben und niemand mehr an Rettung glaubt.

Das also bedeutet der Ruf: bereitet dem Herrn den Weg! Er heißt: Bahn frei! Jetzt kommt Gott, und niemand kann ihn aufhalten.

Doch das ist es nicht allein. Der Prophet bekommt einen Auftrag: Mach den Leuten Mut, tröste sie, richte sie auf in ihrer Hoffnungslosigkeit. Gott will, dass die Menschen wieder zu ihm Vertrauen haben, dass sie ihn nicht völlig aus ihrem Kopf verdrängen. „Tröstet mein Volk“ – so wie man ein Kind tröstet, dass sich beim Spielen das Knie aufgeschlagen hat. Trösten – zeigen, dass der andere nicht allein ist mit seinem Kummer, dass man sich einen Kopf macht, wie es ihm geht.

Hören wir den Ruf zum Trösten? Mehr noch, lassen wir uns auffordern zum Trösten?
Oder überlegen wir erst einmal, wer gemeint sein soll, wer denn da trösten soll.

Mir schließt dieses Wort „Tröstet“ die Ohren auf. Gerade jetzt sehne ich mich nach Trost. Wo ich den Partner verloren habe, wo Arbeit nur schwer zu finden ist. Diese Aufforderung zum Trösten geht davon aus, dass das möglich ist, Trost zu finden. Das hebräische Wort „nacham“ birgt in sich noch die Urbedeutung von tief durchatmen, seufzen.
Wo erlaubt ist durchzuatmen, wo alle Seufzer raus können und gehört werden, da kann auch Trost kommen. Hier ist nicht vom billigen Trost die Rede. Hier nimmt einer den anderen ganz ernst, schaut tief in das menschliche Elend und weiß, dass Menschenwege immer wieder sich selbst zerstören und abbrechen können, wenn er sagt: Deine Knechtschaft hat ein Ende und deine Schuld ist vergeben!

Jesaja spricht in Bildern. Er kannte die Wüste. Sie wird zum Sinnbild für unsere sich auftürmenden Berge der Angst und die abgrundtiefen Täler menschlicher Verzweiflung. In ihr befinden sich all die Schutthalden unserer Scheitererlebnisse, durch die kein Weg mehr führt, weil alles beliebig geworden ist.

Wenn das Leben für einen Menschen so wüst aussieht, dass alles verkehrt ist, nichts mehr geht, dann ist wirklich kein Weg zu finden. Dann fängt die mühsame Arbeit an, sich die Berge und Täler genau anzuschauen, um sie Stück für Stück abzutragen, damit ein Weg gebahnt wird, damit der Lebensweg wieder frei wird.

Ich kenne solche Situationen, in denen man keinen Lichtglanz mehr spürt, auch wenn äußerlich noch alles zu funktionieren scheint. Als ich vor vier Wochen hier gepredigt hab, da war eigentlich für mich so ein Tag, wo ich kaum noch Licht sehen konnte. Doch hinterher sprachen mich Freunde an, wurde ich zu einer Party eingeladen, wurde mir einfach gezeigt: Du stehst nicht allein mit deinen Sorgen. Du magst heute Angst haben, doch wir sind da. Und das heißt auch für mich: Gott vergisst mich und dich nicht. Gott hat dich lieb, so wie du bist, dessen kannst du gewiss sein, dass er bei dir ist – ich kann es nicht geschickter formulieren. Damit brach für mich wieder etwas von diesem Lichtglanz durch. Da war die Bahn für Gott wieder frei.

Bereitet dem Herrn den Weg: seht doch, euer Gott kommt zu euch! Und er sagt: tröstet, tröstet mein Volk! Im Elend saßen sie und waren gerade dabei einzusehen, dass sie selbst versagt hatten und nicht, wie ihre Gegner meinten, ihr Gott. Da kommt dieser Gott auch schon und holt sie heraus. Der sich den Weg durch Felsenwüsten bahnen kann, der hat nichts anderes im Sinn als den Elenden zu trösten. Welch wunderbare Botschaft, das reine Evangelium.

Sie aber saßen da in ihrem Exil und meinten, der Prophet habe Halluzinationen. In einer so verfahrenen Situation – wer kann da schon helfen? Hatte Gott nicht selbst zugelassen, dass es so weit kam? Ja, wenn den Predigern zu glauben war, hatte Gott nicht selbst für ihre Niederlage gesorgt, um ihren Unglauben zu strafen? Wie soll ein Mensch auf eine goldene Zukunft hoffen, der zusehen muss, dass er das Nötigste für den Tag zusammenbekommt! Alles leere Versprechungen und Hirngespinste; da will uns jemand vertrösten und die Initiative für den Alltag rauben. Wie soll man auf Gott vertrauen, wenn einem der Magen leer und der Kopf voller Sorgen ist? Sagt man dann nicht lieber mit Heine: den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen? Was soll ich denn jetzt mit Gott. Zahlt der die nächste Rechnung?

Die so denken, bekommen vom Propheten eine erstaunliche Antwort. Wenn etwas wie ein Hirngespinst ist, dann ist das euer handfester Alltag. Worauf du dich eben noch verlassen hast, das muss doch dem Tode weichen; das Menschenleben ist wie Gras, das an der sengenden Sonne verdorrt. Gott aber, von dem du nichts mehr hoffen wolltest, der dir so fern und unwirklich schien, Gott allein steht fest, sein Wort bleibt in Ewigkeit. Und das bedeutet: genau das, was dir wir eine windige Halluzination scheint, ist das Verlässlichste überhaupt. Wenn Gott sagt: ich hole euch heraus, dann geschieht das auch. Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Ganz schön heftig: Alles, was dir wichtig ist, ist Hirngespinst. Du Raimund bist wie das Gras – und wahrscheinlich schon kurz vor der Heuernte. Worauf verlässt Du dich wirklich? Auf Gott? Oder auf Deine Fähigkeiten, dein Hirnschmalz, deinen IQ?

Bereitet dem Herrn den Weg, das hören wir im Advent. Mitten in der Betriebsamkeit heißt es: Bahn frei! Jetzt kommt Gott. Niemand kann ihn aufhalten. Auch durch felsige Steinwüste bahnt er sich einen Weg. Viele Hindernisse wurden und werden ihm in den Weg gelegt. Wer will in unserm Land im Advent schon etwas von Gott hören? Wer traut ihm Erlösung zu? Die Menschen leben so weiter mit ihren Sorgen und oftmals in dem Gefühl: mir kann sowieso keiner helfen. Ein Blick in die Zeitung scheint solchen Pessimismus nur zu bestätigen; wo gibt es schon einmal wirkliche Lösungen von Problemen? Es scheinen im Gegenteil nur immer neue Schwierigkeiten dazu zu kommen.

Als zu Weihnachten der Herr tatsächlich kam, da war mit dieser Ankunft auch kein Staat zu machen. Am Kreuz Jesu Christi schien dann jede nur denkbare Skepsis bestätigt. Und doch ist er der gute Hirte: seht wie er mit seiner Herde einherzieht, das kleinste Lamm im Arm; er kümmert sich um alle. Und er lässt verkündigen: tröstet, tröstet mein Volk! Keine Vertröstung ist das, sondern ein machtvolles Wort, das Trost bringt. Gott, vor dem Himmel und Erde sich neigen, hat die Seinen erlöst. Keine Wüste, kein Problem, keiner der Widersprüche dieser Welt hält ihn auf. So können wir Mut schöpfen und in diesem Advent darauf vertrauen: Gott kommt zu uns, und er wird alles gut machen – durch Jesus Christus.

Amen.