Die Themen kennt man von Otis Taylor schon seit Jahren: Historisches Unrecht, was den Farbigen in den USA angetan wurde, Gewalt und Krieg aber auch die Einsamkeit und Sehnsucht des Liebenden. Darbegoten werden diese Lieder auf dem aktuellen Album „Contraband“ in einer ungewohnt vielseitigen Weise zwischen Akustik-Blues, Afro-Folk, Soul, Pop und Bluesrock.
Es sind diese hypnotischen Rhythmen, die Otis Taylor immer auszeichnen. Trance Blues hat er das selbst getauft. Aber eigentlich funktionieren sie auch jenseits der traditionellen Blues-Strukturen. Wenn „Contraband“ mit „The Devil’s Gonna Lie“ startet, dann steht da am Anfang zwar das bekannte Heulen der Stimme von Otis Taylor und die Finger kratzen über die Gitarrensaiten. Schnell aber wandelt sich das Stück in eine Art Gospelhymne mit Chor und Kornett, eine Predigt darüber, dass der Teufel eben nicht nur im Detail steckt sondern sich überall auf der Welt, Liebe, Frieden und überhaupt allem Guten widersetzt. Der zweite Song „Yell Your Name“ ist dank seiner neckischen Bläserlinien schon als Trance-Pop zu bezeichnen. Und bei „I Can See You’re Lying“ ist Taylor dann gar bei einerm sehr konventionellen Bluesrock angelangt, einem Stil, den er in den letzten Jahren mit seinem verstorbenen Freund Gary Moore immer mal wieder auf den Bühnen der Welt zelebriert hat.
Klar gibt es auf dem Album auch die akustischen Bluesnummern – ob mit Gitarre oder Banjo – die man von Taylor eher erwartet. Doch die Wut, die gerade Alben wie „White African“ oder „When Negroes Walked The Earth“ auszeichnete, die ist inzwischen eher einer Gelassenheit gewichen. Und daher behaupten einige Kritiker jetzt gar, Otis Taylor wäre endgültig kommerziell geworden. Was natürlich völliger Blödsinn ist. Denn dass ein Album wie „Contraband“ in die Popcharts gelangt, ist völlig undenkbar. Aber es macht eben deutlich, dass Taylor seit den 90er Jahren eine gewaltige Entwicklung für sich vollzogen hat.
Gehen wir zurück in die Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, als die Musikwelt erstmals auf den Songschreiber wirklich aufmerksam wurde. Die Musik ist rauh, roh, ungeschliffen. Otis Taylor singt über Mord, Heimatlosigkeit, Ungerechtigkeit, die Folgen der Sklaverei. Eigentlich für einen Bluessänger vor allem der früheren Zeiten eine nicht ungewöhnliche Themenauswahl. Doch Taylor ist ein Musiker der Gegenwart. Und da haben es sich die meisten in bequemeren Schubladen eingerichtet, singen mehr über Frauen oder ihren Verlust derselben, über Party und Alkohol als über politische und soziale Fragen. Und sie finden in den normalen Medien nicht statt. Wenn sie nicht wie Schmuseblueser Keb Mo in familienfreundlichen Fernsehsendungen präsentiert werden. Und deshalb wird Taylor gern auch mit diversen Etiketten versehen: König des akustischen Blues, „der relevanteste Blueskünstler unserer Zeit“ (Guitar Player), „einer der innovativsten, zum Denken anregendsten Künstler, die in den letzten 20 Jahren erschienen sind“ (Billboard). Ursache für diese Titulierungen: Das Album „White African“. Ein Monster von einer Blues-Scheibe. Ein Aufschrei eines Künstlers. Eine Scheibe, die sogar im Rolling Stone wahrgenommen wurde ob ihrer Kompromisslosigkeit. Hier war endlich mal wieder ein Bluessänger, der ganz klar die Musik als Sprachrohr für seine politischen Botschaften nutzte. Einer, der die Geschichte seiner farbigen Brüder in Musik brachte und die Verhältnisse mit einer Kritik überzog, die man eher von Punkrockern erwartet hätte.
Otis Mark Taylor wurde 1948 in Chicago geboren. Nachdem sein Onkel erschossen wurde, zog die Familie nach Denver, wo sein Interesse an Blues und Folk unterstützt wurde. Seine beiden Eltern waren beide Musikliebhaber, Taylor wuchs daher zwischen Jazzmusikern auf. Viel Zeit verbrachte er am Denver Folklore Center, wo er sich als erstes Instrument ein Banjo kaufte. Und dort war es auch, wo er zuerst Country-Blues und im Besonderen Mississippi John Hurt hörte. Das war der Grund, weshalb er Gitarre und Mundharmonika zu spielen lernte. Und als Teenager gründete er seine ersten Bluesbands.
In den 60ern zog er für eine Weile nach London. Doch schon bald kam er zurück in die Staaten. Doch der Ausflug führte zu seinem nächsten Musikprojekt, der T&O Short Line mit dem Gitarristen Rommy Bolin (ex-Deep Purple). Doch weder das noch weitere Bands waren wirklich erfolgreich, so daß er 1977 seinen Abschied vom Musik-Geschäft nahm. Statt dessen war er als Antiquitätenhändler erfolgreich und trainierte ein Amateur-Rad-Team, das mit zwei farbigen Sportlern bald das vierterfolgreichste der USA war. Erst 1995 kehrte Taylor zur Musik zurück.
1997 erschien dann sein erstes Album „Blue Eyed Monster“, das mit seinen radikalen Liedern für Aufsehen in der Szene sorgte. Da war etwa ein Weihnachtslied über einen Jungen, der seine Eltern umbrachte. Nicht wirklich der traditionelle Bluesstoff für die Szene. Auch „When Negroes Walked the Earth“, seinem nächsten Album, sorgte er wieder für erhobene Augenbrauen: minimalistischer Blues in der Art von John Lee Hooker trifft auf einen radikalen Geschichtenerzähler.
Und dann erschien „White African“ im Jahre 2001. Jetzt endlich wurde Taylor über Insiderkreise hinaus wahrgenommen als eine wirklich bedeutende Stimme der farbigen Musik. Das Album bot äußerst persönliche und direkte Schilderungen seiner Erfahrungen als Farbiger in den USA. Da schilderte er den Tod seines Onkels ebenso wie das Lynchen seines Urgroßvaters. Brutalität, so die Quintessenz des Albums, ist das durchgehende Motiv in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Rassen seines Landes. Das Album brachte ihm vier Nominierungen für den W.C. Handy-Award. Er gewann schließlich den Preis für das Beste Debüt eines neuen Künstlers. Nachfolgealben wie „Respect The Dead“ schlossen mit ähnlichem Erfolg an White African an. Wobei er für Truth is not Fiction“, sein erstes Album für Telarc, erstmals einen elektrischen Sound fand, den er selbst als Trance-Blues bezeichnet: Und zwischen diesem elektrischen Trance-Blues und der archaischen Bluesmusik und ihren afrikanischen Wurzeln pendelt seither das Schaffen von Otis Taylor. Das Pendel schlägt heute behäbiger aus. Aber dieser Mann ist noch längst nicht am Ende seines Weges angekommen.