Eine der wichtigsten Stimmen des Soul & Blues ist am 8. Januar 2016 verstummt. Im Alter von 73 Jahren verstarb Otis Clay an den Folgen eines Herzinfarktes in seiner langjährigen Heimatstadt Chicago.
Bei Bluesfestivals in Europa konnte man sich in den letzten Jahren bei einem sicher sein: Wenn Otis Clay auf dem Plakat stand, dann bekam man eine Soul & Blues Show geboten, wie sie heutzutage selten geworden ist. Denn Clay war einer der letzten Sänger, die den vom Gospel herkommenden Soul des tiefen Südens noch am Leben erhielten.
Der am 11. Februar 1942 in Waxham (Mississippi) geborene Otis Clay wuchs in einer zutiefst gläubigen Umwelt auf. Die Kirche war Teil des Lebens – nicht nur der Glauben, sondern auch die Gemeinde als Zentrum des ganzen sozialen Umfelds. Und so war klar, dass der junge Otis den Southern Gospel nicht nur imitierte, sondern regelrecht mit ihm groß wurde als Sänger. Mit zahllosen verschiedenen Gospelgruppen war er unterwegs, auch als er Mitte der 50er Jahre in die Blueshauptstadt Chicago gekommen war. Mit den Blue Jay Singers war er etwa in den 60er Jahren auf Tour. Auf den Plakaten stand dann: Old Negro Spirituals and Plantation Melodies.
Doch selbst als er noch Spirituals sang, hatte er schon für Columbia eine Session mit Rhythm & Blues eingespielt, die leider nicht veröffentlicht wurde. Erst als er bei One-derful Records unterschrieb, einem kleinen unabhängigen Label in Chicago, nahm er auch Songs außerhalb der Kirche auf. Damals trat er mit den Sensational Nightinggales unter anderem im legendären Regal auf – und Mentor und Labelkollege Harold Burrage war begeistert. Und so erschien 1965 mit der Ballade „Flame In Your Heart“ die erste Solosingle von Otis Clay. Und in den nächsten Jahren folgten einige Hits des Sängers.
Als One-derful!-Boss George Leaner sein Label schloss, vermittelte er Clay an Atlantic, damals immerhin das Größte für diese Art für Musik. Und Clay durfte dann auch gleich in den legendären Studios von Muscle Shoals aufnehmen und kam mit „She’s About A Mover“ 1968 landesweit in die Hitparaden.
Atlantic ermöglichte Clay auch Aufnahmen mit Willie Mitchell, der neben seiner Arbeit für Hi Records immer noch Zeit für Nebenprojekte hatte. Und so entstand die Ballade „Is It Over“ im April 71 in Poppa Willie’s Royal Recording Studios. Und im Herbst landete er dann neben Al Green bei Hi Records und konnte mit deren legendärer Studioband aufnehmen. Sein größter Hit damals – und eine Legende noch bis heute – war dann „Trying To Live My Life Without You“, was zu den beliebtesten Stücken bei Beerdigungen in den USA zählt. 1972 brachte ihm der Song einen Auftrit im legendären „Soul Train“ im Fernsehen ein.
Als sein Deal mit Hi Records auslief, landete er zunächst bei anderen Kleinlabels, bevor er in den späteren 70er Jahren die Dinge in die eigenen Hände nahm. Er gründete sein eigenes Label Echo und veröffentlichte dort in den 70er und 80er Jahren. Daneben wurden weitere Alben speziell auf dem japanischen Markt veröffentlicht. Dort hatte er eine große Zahl von Fans. Und auch Bullseye Records veröffentlichte mit „I’ll Treat Your Right“ (1992) und „This Time Around“ (1998) zwei bei Kritikern hochgelobte Bluesalben.
In den letzten Jahren waren es vor allem Duo-Alben, die in der Szene für Aufmerksamkeit sorgten: Mit Johnny Rawls veröffentlichte er Soul Brothers, mit Billy Price „This Time For Real“ – zwei Veröffentlichungen, die gerade im Zuge des Retro-Soul-Revivals auch jüngere Hörer auf diese großartigen Sänger der Vergangenheit aufmerksam machten.