Sie gehörten zur ostdeutschen Bluesszene wie nur wenige andere Bands. Doch nach 40 Jahren wird der Name Monokel verschwinden von den Plakaten. Jedenfalls die Version von der Bluesrockband, die um Gründungsmitglied Jörg „Speiche“ Schütze durch die Clubs tourt. Speiches M ist der Nachfolger der Truppe. Ok, Monokel mit dem gerichtlich verordneten Beinamen Kraftblues ist auch weiterhin aktiv.
Als in England die Stones als „böse Buben“ gegen die braven Beatles aufgestellt wurden, gab es noch eine Band, die böser als alle sein wollte: die Pretty Things. Verkommen, laut, hart und böse wollten sie sein. Ähnlich war es auch mit Monokel, jener 1976 in Berlin gegründeten Bluesrockband.
Vorläufer der Gruppe war die 1964 ins Leben gerufene Diana-Show-Band. Dort spielte Jörg Schütze, genannt Speiche, den Bass. An der Gitarre war Achim Mentzel. Sie „sangen ein Kauderwelsch-Englisch, das man von Radio Luxemburg kannte.“ Und sie hatten lange Haare und ausgeflippte Klamotten. Im Oktober 1965 brachte es die Band sogar auf den Titel des Satire-Magazins „Eulenspiegel“: „Kamm drüber“ lautete die Geschichte über die Gruppe und ihre langhaarigen Fans.
„Drei Gitarren, Schießbude, Sänger. Zwei Säulenlautsprecher. Der Keller ist gesteckt voll, und dann geht’s los: Sputnik-Thema in harter Schlagarbeit . . . Rolling-Stones-Hit. Akustisches Porträt einer Schrottfräse; dreifach verstärktes Marktschreierenglisch. Kopfrollen. Stampfen. Gesichter von total verzückt bis ängstlich fragend: Wie komme ich hier bloß wieder raus?“
Als der Artikel erschien, saß Speiche wegen versuchter Republikflucht im Knast. Diana Show war Geschichte. Die anderen Musiker waren fast zeitgleich zur Armee eingezogen worden. Und auch die Musik hatte sich weiter entwickelt. Jimi Hendrix und Cream waren erschienen. Und irgendwann kam noch der harte Southern Rock der Südstaaten bis in die DDR.
So wurde also Monokel gegründet. Zu den Gründern zählte neben Speiche Frank Gahler als Sänger und Harmonikaspieler. Andere Musiker kamen und gingen eigentlich bis heute. Monokel spielte den Blues mit dem Dampfhammer. Sie spielten Songs von Canned Heat, den Allman Brothers, Leynyrd Skynyrd und eigene Titel. Mit „Bye Bye Lübben City“ haben sie eine Hymne für alle Blueser der DDR-Zeit verfasst. „Das Monster vom Schilkinsee“ ist nicht nur ein Lied über die Schnapsproduktion in der DDR sondern irgendwie auch ein Stück über den Alkoholkonsum von Musikern und Fans der Band. Gemeinschaftliche Saufgelage gehörten von Anfang an zu der Band, ob auf offener Bühne oder im Probenraum. Oft waren Band und Zuhörer am Ende des Konzerts im kollektiven Vollrausch. Die Mengen von Alkohol, die die Musiker täglich vernichteten ist mittlerweile Legende. Feinfühlige Lyrik und filigrane Solos waren da natürlich nicht zu erwarten.
Ähnlich wie Diestelmann, Engerling oder andere Bluesmusiker der DDR war Monokel ein ständiges Beobachtungsobjekt für die Stasi. Die unwahrscheinliche Popularität war den Oberen mehr als suspekt. Und so wurden jegliche Anträge auf Auslandstourneen abgelehnt. Bis auf eine: gemeinsam mit dem Musiker Hans die Geige tourte man an der Baustelle der Drushba-Trasse in Sibirien.
1981 stieg Gahler aus, um mit No. 55 Karriere zu machen. Als Sänger stieg Bernd Buchholz (ehemals Passat) ein und von Berluc wurde Gerd Poppel als dritter Gitarrist abgeworben. 1986 erschien ihre erste LP. Damit war eigentlich niemand zufrieden. Man hört der Scheibe an, dass die meisten Titel im Schnelldurchlauf im Studio runtergehauen wurden. Und nur bei wenigen Texten fehlt der pädagogische Zeigefinger. Ein paar der Lieder waren zuvor schon auf einem Sampler über Berliner Blues-Bands erschienen.
Nach dem Mauerfall gab es erste Versuche, auch im Westen Fuß zu fassen. Unter anderem war man damals mit Stefan Diestelmann gemeinsam in Bayern unterwegs. Mittlerweile war die Band so gut wie pleite: Der Manager hatte sich nach dem Mauerfall mit der Bandkasse ins Ausland abgesetzt. Und die eigene Tonanlage fiel einem Brand im Berliner „Tacheles“ zum Opfer. Doch zunächst ging die Geschichte weiter. 1995 erschien mit „Monokel“ das zweite Album. Allerdings stieg Speiche kurze Zeit später aus – bzw er trennte sich von einigen Musikern und tourte weiter als Monokel Blues Band. Mit den anderen Musikern gab es juristische Auseinandersetzungen um den Bandnamen. Und so gibt es heute auch noch Monokel Kraftblues.
Die diversen Bandjubiläen feierte man in den folgenden Jahren strikt getrennt voneinander. Als Live-Bands waren sie im Osten immer gut gebucht. Und Speiches Band erhielt gar eine Einladung zum Bluesfestival in Roth. Plattenveröffentlichungen und neue Musik waren aber bei beiden Gruppen Mangelware, wenn man von diversen Live-Alben absieht. Das haben Monokel gemeinsam mit Engerling.
Musikalisch einen neuen Kick gab es für Speiches Monokel durch den Eintritt von Gitarrist Peter Schmidt (East Blues Experience). Und Speiches M kann man sich vielleicht als Kombination von Monokel und EBE vorstellen: Bluesrock mit deutschen Texten. Man darf durchaus gespannt sein. Neben Konzerten sollen sogar neue Tonaufnahmen geplant sein.
Bei Kraftblues war zum 40jährige Jubiläum Gitarrist Bernd „Kuhle“ Kühnert ausgestiegen. Ersetzt wurde er durch Wilfried Borchert, der zu den absoluten Gründungsmitgliedern in den 70ern zählte. Viel mehr kann man im Netz von der jetzt einzigen Monokel-Variante nicht erfahren. Nur der Tourneeplan ist auch für 2017 gut gefüllt an all den alten Orten, wo man schon in DDR-Zeiten die Band gefeiert hatte. Nichts neues also.
Trackbacks/Pingbacks