Wie wird man als Bluesman zur Legende? Ein mysteriöser und früher Tod wie bei Robert Johnson ist ein Weg. Oder man ist so ein Hero wie Muddy Waters oder B.B. King, die über Jahrzehnte und Kontinente hinweg fast zum Synonym für Blues geworden sind. Und es gibt ein paar Musiker, die fast nur auf Grund eines Liedes in Erinnerung bleiben und immer wieder auf Samplern veröffentlicht werden. Zu der Kategorie gehört – mit gewissen Einschränkungen – Little Milton.
Man entgeht kaum einem in Supermärkten oder Drogerieketten verkauften Billigsampler, auf dem nicht „We're Gonna Make It“ vertreten ist. Dabei war der unter dem Namen Milton Campbell 1934 geborene Gitarrist und Sänger wesentlich vielseitiger als das dieser 1965 bei Chess erschienene Hit vermuten lässt. Als Gitarrist zählte er T-Bone Walker, B.B.King und Roy Brown zu seinen Vorbildern. Gesanglich orientierte er sich vor allem in seiner frühen Zeit auch an Big Joe Turner. Später wurde er einer der einflussreichsten Soul-Blues-Musiker neben Bobby „Blue“ Bland.
Campbell wurde in Inverness, Mississippi, geboren. Seine Eltern waren Pächter, sein Vater auch Gitarrist, der in der Gegend als „Big“ Milton Campbell auftrat. Als Kind, so vermeldet es seine offizielle Biografie, war er Fan der populären Radio-Show aus Nashvilles Grand Old Opry. So war es neben dem Blues des Elternhauses immer auch die Country-Musik, die ihn beeinflusste. Als 12jähriger begann er mit dem Gitarrespielen und wurde als 18jähriger von Talentscout Ike Turner entdeckt. Dies führte zu seinen ersten Aufnahmen für Sun in Memphis, die aber neben dem gerade berühmt werdenden Elvis ziemlich untergingen. Auf Turners Rat hin zog Little Milton nach East St. Louis und unterschrieb beim Label Bobbin Records. Dort wurde er zusätzlich mit der Suche nach neuen Künstlern beauftragt. In der Funktion holte er etwa den Gitarristenkollegen Albert King zu Bobbin. Wichtigstes Ergebnis der Zeit war allerdings sein erster selbstgeschriebener Hit: 1958 erschien „I'm a lonely Man“.
Damit wurde er so bekannt, dass Chess in Chicago auf ihn aufmerksam wurde. Er unterschrieb beim Unterlabel Checker und zog in den Norden. Dadurch wurde er landesweit auch bei weißen Hörern bekannt, besonders als 1968 „We're Gonna Make It“ die R&B-Hitparade von Billboard anführte. Bei Chess, wo er von 1962 bis 1971 unter Vertrag stand, nahm er auch weitere Hits wie etwa das unvergessliche „Grits ain't Groceries“ auf. Daneben spielte er seine Gitarre auch auf Aufnahmen anderer Labelkollegen wie etwa bei Solonummern von Willie Dixon. Nachdem Labelgründer Leonard Chess 1969 verstorben war, ging es mit der Plattenfirma allerdings bergab, bis sie schließlich vom Markt verschwand.
Little Milton ging 1971 nach Memphis zu Stax. Dort wurde er Teil eines Teams der einflussreichsten farbigen Künstler der damaligen Zeit: Neben Isaac Hayes, Booker T & The MG's oder Johnnie Taylor traf er dort auch Albert King wieder. Bei Stax, das damals schon in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, nahm er weitere erfolgreiche Singles und Alben auf. So tauchte er mit „Walkin' The Back Streets And Crying“ in der Hitparade auf. Lieder wie dieses zeigten einen musikalischen Wandel: Little Milton ließ sich jetzt von Streichern begleiten und arbeitete zusammen mit den „Memphis Horns“.
Beim legendären "Wattstax"-Festival gehörte Little Milton nicht zu den Musikern, die auf der großen Bühne auftraten. Allerdings spielte er im Rahmen des Festivals ein Konzert im nahegelegenen Summit Club. Als Stax 1975 Bankrott anmelden musste, ging es mit seiner Karriere zunächst bergab. Er veröffentlichte zwar weiterhin Platten, doch erst als er 1984 beim Südstaaten-Label Malaco unterschrieb, konnte er langsam wieder an alte Erfolge anknüpfen.
Bei Malaco blieb er bis 2002 und wurde in der Zeit 1988 mit dem W.C. Handy-Award als Entertainer des Jahres ausgezeichnet und 2000 für einen Grammy nominiert. Musikalisch blieb er beim schon bei Stax gepflegten Soul-Blues-Stil. Sein letztes Album „Think of Me“ erschien 2005 bei Telarc. Kurze Zeit später starb er an den Folgen eines Sturzes.