Vom nordirischen Belfast aus beginnt der Stern von Kaz Hakins aufzusteigen. Mit einer neuen, jungen, Band und einer Änderung der musikalischen Richtung, beeindruckt sie Zuschauer mit ihren eigenen Gospel-Blues-Songs, ihrer großen Persönlichkeit und dem unglaublichen Gesang. Das alles wird noch bemerkenswerter, wenn sie von ihrer sorgenvollen Vergangenheit erzählt, welche sie mit einer trotzigen, positiven Einstellung zum Leben hinter sich gelassen hat. Gary Burnett traf sich letztens mit Kaz zum Interview kurz nach ihrem triumphalen Auftritt beim diesjährigen Belfast-Nashville-Festival. Die Originalfassung des Gesprächs wurde in seinem Blog Down At The Crossroads veröffentlicht. Fotos: Trish Sample.
 

Kaz, ich war vor paar Nächten in Deiner Show, und die war sehr lebendig, sehr positiv. Die Leute gingen mit dem Gefühl, sie hätten eine gute Zeit gehabt, waren aber meiner Meinung nach ebenso auch aufgerichtet. Was gibt Deiner Musik diese sehr positive Stimmung, wo kommt sie her?

Ich denke, das liegt an der neuen Richtung, die ich eingeschlagen habe. Bis jetzt war alles, was ich veröffentlicht habe, entweder balladenartige Nummern oder Sachen für meine Blues-Rock-Band. Jetzt aber hab ich einige neue Kerle in der Gruppe und die musikalische Ausrichtung hat sich gewandelt.
Ich bin umgeben von erstaunlichen Songschreibern und bin auch bei großartigen Songschreiber-Treffen, Workshops und Festivals gewesen. Klar kann das dazu führen, dass das alles ein wenig muffig werden kann. Aber ich will ja nicht die Integrität des Songschreibens beschränken. Aber ich hab eine Art von spaßiger, schrulliger und verrückter Persönlichkeit und will die in meine Musik einbauen. Ich versuche, mit dem Publikum zu lachen, will aber auch das die Menschen inspiriert wieder gehen. Musik inspiriert mich. Ich habe eine Menge harter Zeiten durchgemacht und sage immer, dass Musik mein Leben gerettet hat. All die großen Divas wie Koko Taylor oder Etta James zum Beispiel, die haben alles in ihre Performance gepackt. Die sind nicht einfach auf die Bühne gegangen und haben gesungen. Es kam tief aus der Seele ihres Seins.
Und das ist es, was ich ins Songschreiben hinein zu bringen versuche. Und dazu noch die Geschichten meines Lebens. Die Lieder dürfen aber nicht die ganze Zeit herzzerbrechend sein. Wenn ich also eine Show spiele, dann versuche ich all die bedeutungsschweren Stücke am Anfang zu singen. Und dann werden alle Bremsen gelöst, dann kommt der Spaß, so dass sich die Leute gut fühlen. Denn darum geht es ja eigentlich.

Was ich in Deiner Musik höre ist eine Menge Blues und Gospel (denk etwa an einen Song wie „Better Days“). Was spricht Dich gerade an dieser Musik an? Und wie hilft Dir diese Musik, das auszudrücken, was Du zu sagen hast?

Zuerst Gospel: Das ist nicht nur Musik in der Kirche. In Amerika ist Gospelmusik viel mehr als das. Und der Blues – ich weiß wirklich nicht, wo dieses Bluesfeeling in mir herkommt, oder wo diese große Gospelstimme, die ich habe, herkommt. Aber mich nehmen Gospel und Blues mit an einen Ort, an dem ich mich sicher fühle, wo ich alles ausprobieren kann. In der Popmusik musst Du eigentlich immer entlang der Formate schreiben, im Blues und Gospel aber kannst Du in einem Lied überall dorthin gehen, wo Du willst. Du kannst ein Lachen hervorrufen oder was auch immer Du willst. Ich kenne mich und die Männer in der Band, wir wollen nicht, dass es aufhört, weil wir die Schwingung spüren – und drei Minuten sind einfach nicht lang genug. Das mag im kommerziellen Pop so sein. Mir aber geht es um die Integrität in der Musik, und Blues und Gospel geben mir genau das.
Ich hab versucht, einige aktuelle Themen in meine Songs einzubauen. Ich liebe meinen Blues, und Blues und Gospel geben mir eine Art von Gesundheit. Und so muss ich nicht auf eine vorbestimmte Weise schreiben.

Wenn man sich die Geschichte des Blues anschaut, da sind viele Lieder, die nicht einfach über das Leben klagen. Da gibt es auch Hoffnung – es sind Menschen, die sich selbst in einen besseren Ort hineinsingen.

Genau – und das ist es, was mich gerettet hat, als ich von Drogen abhängig war und häusliche Gewalt erleiden musste – wenn ich Musikerinnen wie Etta James, Sarah Vaughan, Dorothy Moore, Big Mama Thornton oder Janis Joplin hörte, nahm mich das mit zu einem Ort, der ganz mir gehörte, mein geheimer Ort. Und genau dorthin gehe ich, wenn ich den Blues singe oder meine eigenen Songs schreibe. Für mich ist die Musik wirklich ein sicherer Hafen.
Aber natürlich hat diese Musik auch diese Art dreckiger Schärfe. Und die bekommst Du nicht bei vielen Musikstilen.

Die andere Sache, die mir beim Hören Deiner Musik immer immer im Kopf herumgeht, ist das Gefühl der Hoffnung, des Kraft Schenkens, des Mitleids und der Menschlichkeit in Deinen Liedern – sowohl vom Text als auch von der Musik her. Für Dich ist Musik Unterhaltung, aber ist sie mehr als das?

Oh, definitiv! Ich fühl mich, als müsse ich der Musik etwas zurückgeben, weil sie mich gerettet hat. Wenn Du alles verlierst – und ich habe sogar meine eigenen Kinder verloren – das Einzige, was mir geblieben war, war die Musik. Dann musst Du was zurückgeben. Ich nenne es „Blues Karma!“ Wenn Du dem Blues treu bleibst, wird der Blues Dir treu bleiben! (lacht)

Zur Zeit hast Du eine EP auf dem Markt, aber ich hab gelesen, dass Du an einem kompletten Album arbeitest. Erzähl uns ein wenig davon – was erwartet uns darauf, und wann wird es erscheinen?

Also diese Songs, die Du letzte Woche gehört hast, werden alle auf dem neuen Album sein. Das war das erste Mal, dass jemand sie gehört hat. „Get Ready“ ist der Titelsong, und damit haben wir das Konzert eröffnet. Da ist die ganze Haltung des Albums drin – und auch meine: Lasst uns bereit sein für Frieden und Liebe. Geschrieben wurde das Lied über die Unruhen in Belfast im letzten Jahr, als ich mittendrin festsaß in East Belfast. Ich schrieb das Lied, weil ich dachte, dass Menschen eher mit Musik zu erreichen sind als mit Politik und Debatten über Richtig und Falsch. Wenn Menschen nur die Hälfte der Leidenschaft von Songwritern und Interpreten hätten, wäre die Welt vielleicht ein einfacherer Ort zum Leben und wir würden nicht so viel kämpfen.
Und ich wollte auf dem Album auch das Gefühl von Spaß haben, denn wenn die Leute einige meiner Songs und Videos auf YouTube sehen, dann geht es da meist um eine Botschaft, um Erinnerungen und Verlust und Kampf, und ich wollte daher dem Album ein Gefühl der Hoffnung geben, gerade auch weil ich selbst durch all die schweren Zeiten gegangen bin. Die Musik hat mir geholfen, die Tür zu der Vergangenheit zu schließen. Jetzt habe ich diese pulsierende neue Haltung, ich hab diese neue Band, ich habe eine Botschaft zu verkünden. So ist also das halbe Album über Hoffnung: vor uns liegen bessere Tage, es ist gut, Wünsche und Träume zu haben.
Wie etwa bei „Soul Superstar“ – in diesem Lied geht es darum wie ich aufwuchs, als Kind in den Startlöchern stand und auf meine Zeit zum Glänzen wartete. Ich will hier als Beispiel für all die Frauen stehen, die vielleicht ihre Träume aufgegeben haben. Darum hab ich diese quirlige Attitüde – wer sagt denn, dass ich inzwischen Großmutter bin, deshalb keinen Spaß mehr haben darf? (lacht)

Um auf das Thema Frauen zu kommen: Du hast ein Video zu „Walking On My Own“ gemacht, eines der Lieder vom neuen Album, mit dem Du den Internationalen Frauentag 2014 feierst. Warum ist Deiner Meinung nach ein Ereignis wie der Frauentag so wichtig?

Der Kampf geht weiter für die Frauen. Männer haben sich schon sehr verändert, für Frauen sind viele Dinge aber noch immer schwierig. Man bemerkt da selbst kleine Dinge. Wenn wir etwa einen Auftritt haben, dann erledige ich alles, mache die ganze Organisation. Und dann kommt im Club jemand und will wissen, wer das Geld bekommt. Und er geht zu einem meiner (männlichen) Bandkollegen. Und die sagen natürlich: Geh zu Kaz.! Und ich stehe die ganze Zeit daneben! Es ist so tief verwurzelt in den Männern, dass sie es die Hälfte der Zeit gar nicht mitbekommen, was sie tun.
Für mich ist der Internationale Frauentag sehr wichtig. Als eine Frau in der männer-dominierten Bluesszene muss ich doppelt so hart kämpfen wie die Männer. Ich habe zehn Jahre gebraucht, um in die Bluesszene von Nordirland reinzukommen. Und wir sind so ein winziger Ort verglichen mit dem Rest der Welt. Aber es dauerte zehn Jahre, bis jeder mich ernst nahm. Jetzt sage ich den Leuten, weil ich die Entscheidung getroffen habe, Blues zum Lebensinhalt zu machen, dass ich durchhalte, ob das den Leuten nun gefällt oder nicht!

Eine gute Haltung Katz! Jetzt beginnst Du bald eine neue Tour mit Deiner Band. Wo wird die hinführen?
Durch ganz England und Schottland im September (und vielleicht ein wenig länger). Und die meisten Auftritte sind in Kulturzentren und ähnlichen Orten, was ziemlich gut ist. Ich hatte ziemlich gute Unterstützung von einigen der Magazine wie „Blues In Britain“ oder „Blues Matters“. Und „Classic Blues“ hat „Better Days“ von der EP auf ihrer aktuellen Heft-CD. Oh, und „Blues and Soul Magazine“ hat mich gemeinsam mit Lawrence Jones mit dem „Rising Star Award 2014“ ausgezeichnet.
Es ist toll, in solchen Läden wie dem John Peel Centre und so aufzutreten, dass meine Art von Blues in solch künstlerischer Umgebung gespielt werden kann.

Vielen Dank, Kaz. Ich wünsch Dir alles Gute für die Tour und das neue Album. Hoffentlich können wir uns bald mal wieder unterhalten.