Johnny Otis war ein echtes Phänomen: Als Kind griechischer Einwanderer wurde er zum Pionier des schwarzen Rhythm & Blues. Er war Bandleader, Talentsucher, Showmaster, Rock & Roll Star, Prediger und Journalist. Am 17. Januar 2012 starb Otis in Los Angeles.
Kann man sich eine eigentlich fremde Kultur völlig zu eigen machen? Der als John Veliotes geborene Johnny Otis war schon als Kind so sehr von Jazz und Blues begeistert, wuchs zudem in einer Gegend auf, wo fast nur Farbige wohnten. Und so wuchs von Anfang an seine Liebe zu deren Kultur immer weiter an. Schließlich legte er sich auch einen neuen Namen zu, weil der einfach mehr nach dieser Musik klang. Und nicht nach dem Sohn eines griechischen Lebensmittelhändlers.
Angefangen hat er als Schlagzeuger und spielte eine Weile mit dem Swing-Orchester von Count Otis Matthews und wechselte dann zu Harlan Leonard’s Rockets, die im Club Alabam in Los Angeles die Hausband waren. Doch schon bald wurde Otis gefragt, ob er nicht ein eigenes Orchester gründen könnte für größere Veranstaltungen. 1945 erschienen die ersten Platten mit dieser Big Band, unter anderem ein elegantes Arrangement von „Harlem Nocturne“, das zu einem kleineren Hit wurde. Bei anderen Singles stand Jimmy Rushing am Mikrofon. Auch für andere Musiker saß Otis zu der Zeit auf dem Schlagzeugstuhl. Und dabei zeigte sich, wie vielseitig er war: Sowohl für den wilden Shouter Wynonie Harris als auch für den sanften Bar-Blueser Charles Brown war er im Studio. Und auch für das Orchester von Count Basie war er kurzzeitig als Schlagzeuger unterwegs.
Zwar ging er mit dem eigenen Orchester bis 1947 regelmäßig ins Studio. Doch richtig bekannt wurde er erst, als er mit einem Partner den „Barrelhouse Club“ eröffnete. Sein Orchester löste er auf und stürzte sich ganz auf den populären Rhythm & Blues und suchte nach jungen Talenten, die er dann oft für Jahre an sich band. „Little“ Esther Phillips war bald der erste große Star seiner California Rhythm And Blues Caravan. Hinzu kamen weitere Sänger wie Mel Walker oder die Gesangsgruppe The Robins und der Gitarrist Pete Lewis. Allein 1950 hatte er mit diesem Talentpool zehn Top-Ten Hits wie „Double Crossing Blues“ . Otis selbst spielte inzwischen meist Vibraphon. Das Barrelhouse war der erste Nachtclub von L.A., der sich vollkommen dem Rhythm & Blues widmete. Und das machte seinen Erfolg aus.
Und auch wenn zu Beginn der 50er Jahre die Erfolge zunächst kleiner wurden, blieb Otis weiter aktiv als Talensucher. So entstand etwa „Hound Dog“ mit der großartigen Big Mama Thornton mit seinem Orchester. Und er nahm auch mit dem noch jungen Little Richard Platten auf, als der noch bei Peacock Records unter Vertrag war. Auch Jackie Wilson und vor allem Etta James begannen ihre Karriere bei ihm. Für letztere produzierte er ihren ersten Hit „Roll With Me Henry“, bevor sie bald zu Chess wechselte.
Aus der Rhythm & Blues Caravan wurde in den späten 50er Jahren die Johnny Otis Show. Und mit „Willie and the Hand Jive“ hatte er einen regelrechten Rock & Roll Hit. Dabei sang er dann auch selbst und spielte das Piano. Die gesamte Otis Show war auch in der Fernsehshow vertreten, die er ab dieser Zeit für acht Jahre regelmäßig jede Woche im Fernsehen von Los Angeles präsentierte. Auch gründete er seine eigene Plattenfirma Dig Records, auf der er seine letzten Entdeckungen veröffentlichte. In den 60er Jahren war die Zeit für die großen Rhythm & Blues Shows allerdings langsam zu Ende. Und damit auch die Hitsingles für Otis. Doch er selbst blieb seiner Musik treu und förderte auch seinen Sohn Shuggie, der mittlerweile selbst als großer Bluesgitarrist anerkannt ist. Gemeinsam mit ihm veröffentlichte er 1982 für Alligator das Album „The New Johnny Otis Show“. Bis in die Mitte der 90er Jahre veröffentlichte er regelmäßig weitere lben.
Schon in den 60ern begann Otis zudem eine politische Karriere. Nachdem er sich vergeblich um einen Sitz im kalifornischen Senat beworben hatte, wurde er Stabschef für Mervin Dymally, der nach diversen Stationen in der kalifornischen Regierung bis in den U.S. Kongress gelangte. Außerdem schrieb er Bücher wie „Listen To The Lambs“ (über die Rassenunruhen von 1965, veröffentlicht 1968) oder „Upside Your Head! Rhythm & Blues on Central Avenue“ (1993). Auch als Maler und Holzbildhauer war er aktiv.
In den 90ern zog er in die Nähe von Sebastopol nördlich von San Francisco, wo er sich eine Farm gekauft hatte. Dort führte er zeitweise einen Lebensmittelladen, der genauso auch Café und Bluesclub war. Und er gründete mit der Landmark Community Gospel Church eine eigene Gemeinde, deren Pfarrer er ebenso war wie der Chef des Gospelchors und der Band. Live aus der Powerhouse Brauerei präsentierte er auch noch eine wöchentliche Radio-Show, bei der die Hörer eingeladen waren, zum Frühstück vorbei zu kommen. Als allerdings Otis Gesundheit immer mehr nachließ und er außerdem zurück nach Los Angeles gezogen war, lief die Show immer mehr ohne seine Beteiligung weiter. Die letzte Ausgabe der Johnny Otis Show ging am 19. August 2006 über den Äther.