Als Songwriter und Keyboarder kennt man Johnny Neel vor allem aus dem Umfeld der Allman Brothers und von Gov‘t Mule. Aber auch John Mayall und zahllose andere Musiker haben schon seine Dienste in Anspruch genommen. Mit seinem aktuellen Soloalbum kommt er noch bluesiger daher als bei den Southern-Rockern.
Irgendwann erinnerte mich diese Stimme an einen in den Stimmbruch geratenen Joe Cocker: Das gequälte Organ eines Mannes, dem das Leben gewaltig mitgespielt hat. Nur tiefer als beim Sänger aus Sheffield. Aber auf jeden Fall singt Neel
mit einem gewaltigen Soulfeeling. Und das ist die angenehme Entdeckung bei einem Album, an das ich nicht so große Erwartungen hatte, weil ich einfach zu viele bemerkenswerte bis gute Neuveröffentlichungen nacheinander gehört hatte. Also
stellte ich die Aufnahmebereitschaft so schnell wie möglich zurück und ließ mich auf „Every Kinda Blues“ doch noch ein und wurde nicht enttäuscht.
Klar, es ist ganz deutlich zu hören, dass hier ein ausgebuffter und mit allen Wassern gewaschener Profi am Werke war. Neel weiß, Stimmungen in seinen Liedern zu setzen und wechselt vom Rock zum Soulblues und dann wieder zu funkigen Klängen auf seinem Album. Die Band ist fett und groovt, seine Hammond wechselt sich im Sound mit heftigen Gitarrenriffs ab, ab und zu kommt noch – immerhin ist das ein Bluesalbum vom Namen her – eine Harp dazu. Manche Songs erinnern von der Stimmung her gar an die großen Zeiten von The Band. Und Neel singt teilweise relaxt teilweise brennend vor innerem Feuer seine Lieder. So lange er entspannt zur Sache geht, bleibt meine Reaktion durchwachsen. Wenn da nur nicht ab und zu (wie bei dem live-Titel „Won‘t Let Me Down“ diese fast magischen Momente wären, wo man direkt in sein Herz zu blicken scheint… Insgesamt der Eindruck einer ziemlich runden Scheibe mit ein paar wirklich großen Songs.
Man sollte ihm wirklich eine faire Chance einräumen. Denn es gibt hier viel zu entdecken nicht nur an Blues, sondern auch an wundervoller amerikansicher Rockmusik ohne weitere stilistische Eingrenzungen.