Auch mit 85 Jahren lässt John Mayall kein Zeichen von Altersmüdigeit erkennen. Pünktlich zum Start einer neuen Europatour erscheint im Februar sein neuestes Studioalbum, zu dem er ein Menge befreundeter Gitarristen eingeladen hat. Und mit der Texanerin Carolyn Wonderland präsentiert er auch den neuesten Zugang zu seiner seit Jahren eingespielten Band. Erstmals hat er damit eine Frau in seiner Gruppe. Und das war eine großartige Idee, wie man auf „Nobody Told Me“ nachhhören kann.
Joe Bonamassa, Todd Rundgren, Little Steven van Zandt (E-Street Band) oder Alex Lifeson (Rush) – bei John Mayall trifft sich schon seit Jahrzehnten die Elite oder die kommende Elite der Gitarristen. Und so ist die Gästeliste des neuen Albums durchaus nicht wirklich überraschend. Die Chance, mit dem Urgroßvater des britischen Blues zu spielen, lässt sich kaum jemand entgehen. Die Ergebnisse sind so unterschiedlich wie die einzelnen Gitarristen: Bonamassa lässt seine Bluesrocklinien gegen die Bläsersection anrollen, Todd Rundgren liefert sich zeitweise feine Duelle mit Mayalls Orgel. In „The Moon is Full“ kommen die schneidenden Blueslicks von Larry McCray und machen den Unterschied zwischen Blues und Bluesrock deutlich: im Zweifelsfall keine Note zuviel. Und jeder Ton sitzt und passt.
Die Überraschung beim Hören des Albums war für mich allerdings die Zusammenarbeit von Mayall mit Carolyn Wonderland: Ihre Slidegitarre malt sofort komplette musikalische Stimmungsbilder und bringt Lieder wie „Distant Lonesome Train“ zu einem intensiven Strahlen, das einen umhauen kann. Wenn angebracht, kann sie aber auch ohne Slide und ohne Pomp (dafür mit jeder Menge Humor) Stücke wie „Like It Like You Do“ raushauen. Mayall scheint in diesen Nummern total aufzuleben – hier ist einfach der Blues im Zentrum und nicht die Ehrfurcht oder das kaum gebremste Ego von Stargästen – nein, John Mayall hat hier nach Jahren eine Gitarristin für sich entdeckt, die seinem Blues ungeheuer gut tut. Und auch wenn die Nummern mit den Stars gut sind – großartig sind für mich die drei Nummern mit Carolyn Wonderland.